12.04.2021 B: Arbeitsrecht Schachler, Schreiner: Beitrag B1-2021

Zum Stand der Etablierung und Finanzierung der Frauenbeauftragten in Werkstätten für behinderte Menschen

Viviane Schachler von der Hochschule Fulda und Jun. Prof. Dr. Mario Schreiner von der Otto-von Guericke-Universität Magdeburg stellen in ihrem Beitrag die Ergebnisse einer im Herbst 2019 durchgeführten bundesweiten quantitativen Befragung von Werkstattleitungen / Geschäftsführungen anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) vor, im Rahmen derer Daten zum Stand der Etablierung und Finanzierung von Frauenbeauftragten in WfbM erhoben werden sollten. Dabei wurden 733 WfbM angeschrieben; der Erhebungsrücklauf betrug 19% (140 Fragebögen). Bei 98% der befragten WfbM war zum Zeitpunkt der Erhebung eine Frauenbeauftragte gewählt. Eine Einbindung der Frauenbeauftragten in interne Arbeitskreise oder Gremien der Werkstatt findet bei 79% der befragten WfbM statt. An Schulungen zur Vorbereitung auf ihr Amt haben 90 % der Frauenbeauftragten teilgenommen, wobei der Schulungsumfang von 4 bis 6 Tagen bei einem Drittel der WfbM deutlich unter dem gegebenen Anspruch von 20 Tagen liegt. Hinsichtlich der Kostensätze zur Finanzierung der Aufgaben liegen für 34% der befragten WfbM genaue Angaben vor. Die Höhe des Kostensatzes dieser WfbM liegt zwischen 0,08-1,04 € und im Durchschnitt bei 0,29€ pro Tag / weiblicher WfbM-Beschäftigter. Dies liegt deutlich unter dem in der Gesetzesbegründung angenommenen Kostensatz von 0,40 €. Bei 42% der WfbM wurde eine eigene Kostenstelle für die Frauenbeauftragte eingerichtet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Etablierung der Frauenbeauftragten zwar begonnen hat, aber noch auf schwachen Füßen steht.

(Zitiervorschlag: Schachler, Schreiner: Zum Stand der Etablierung und Finanzierung der Frauenbeauftragten in Werkstätten für behinderte Menschen; Beitrag B1-2021 unter www.reha-recht.de; 12.04.2021)

I. Einführung

Als eine Neuerung des SGB IX wurden Frauenbeauftragte als gewählte Interessenvertretung der Frauen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) eingeführt (§ 222 SGB IX). Dies stellt eine Errungenschaft im Sinne des Empowerments (Herriger, 2020) von Frauen mit Behinderungen dar. Allerdings sind die formalen Befugnisse dieser Interessenvertretung schwach und deren Einführung sowie Handlungsspielräume im Einrichtungsgefüge richten sich weitestgehend nach dem örtlichen Geschehen in einer Werkstatt. Ausgehend von offenen Fragen der Praxis, greift dieser Beitrag den Prozess der Einführung und Etablierung der Frauenbeauftragen in WfbM auf und zeigt anhand von empirischen Daten einer bundesweiten Befragung von Werkstattleitungen/Geschäftsführungen, wieweit die Etablierung der Frauenbeauftragten vorangeschritten ist.

II. Novum Frauenbeauftragte

Seit 2017 wählen Frauen mit Behinderungen in jeder WfbM eine Frauenbeauftragte und eine Stellvertreterin bzw. in sehr großen Werkstätten, bei mehr als 700 wahlberechtigten Frauen, mehrere Stellvertreterinnen zu ihrer Interessenvertretung (§ 222 Abs. 5 SGB IX). Die Aufgaben und Befugnisse der Frauenbeauftragten sind in Abschnitt 4a „Frauenbeauftragte und Stellvertreterinnen“ der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) geregelt.

Demnach vertritt die Frauenbeauftragte

„die Interessen der in der Werkstatt beschäftigten behinderten Frauen gegenüber der Werkstattleitung, insbesondere in den Bereichen Gleichstellung von Frauen und Männern, Vereinbarkeit von Familie und Beschäftigung sowie Schutz vor körperlicher, sexueller und psychischer Belästigung oder Gewalt.“ (§ 39a Abs. 1 Satz 1 WMVO)

Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügt sie über ein Unterrichtungsrecht in allen Angelegenheiten (Maßnahmen) der Werkstatt, die Auswirkungen auf die genannten Bereiche haben können (§ 39a Abs. 2 WMVO). Sie bespricht sich dazu mit der Werkstattleitung i. d. R. einmal im Monat (§ 39a Abs. 1 Satz 2 WMVO). Daneben verfügt sie über ein Beteiligungs- und Rederecht an den Sitzungen des Werkstattrates und an den jährlichen Werkstattversammlungen aller Werkstattbeschäftigten (§ 39a Abs. 3 WMVO).

Die Aufnahme der Frauenbeauftragten als Interessenvertretung im SGB IX geht wesentlich auf langjährige Forderungen der Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen zurück, im Speziellen von „Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e. V.“ und „Weibernetz e. V.“, der politischen Interessenvertretung von Frauen mit Behinderungen (Schachler, 2018). Sie hängt jedoch auch damit zusammen, dass Maßnahmen zur Begegnung der mehrfachen Diskriminierung von Frauen mit Behinderungen ergriffen werden müssen, wie dies in Artikel 6 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gefordert wird. In diesem Sinne erscheint die Bezeichnung als Frauenbeauftragte (und nicht als Gleichstellungsbeauftragte) gerechtfertigt (Schachler & Schreiner, 2017). Wie eine Online-Diskussion des Partizipativen Monitorings der aktuellen Entwicklungen des Rehabilitations- und Teilhaberechts (www.reha-recht.de) zum Thema Mitbestimmung in WfbM gestalten im Jahr 2019 zeigte, sind die Einbindung der Frauenbeauftragten in die Werkstattstrukturen und die Ressourcenausstattung zur Amtsausführung keine Automatismen (Hahn, 2019). In der Diskussion wurde bspw. die Frage nach einem Budget für Frauenbeauftragte aufgeworfen, womit zwei wichtige Ressourcenthemen angesprochen werden:[1]

  • Zum einen die Frage nach der Finanzierung der Frauenbeauftragten, die Werkstätten mit den Rehabilitationsträgern vereinbaren und genauer regeln müssen, damit sie – wie vorgesehen – alle Kosten im Zuge der Amtsausführung der Frauenbeauftragten tragen können.
  • Zum anderen die Frage, wie das vorgesehene Budget innerhalb der Werkstattorganisation weitergeleitet wird und die entstehenden Kosten sowie die benötigten Ressourcen von der Frauenbeauftragten genutzt werden können.

Neben diesen Ressourcenfragen ist eine fundierte Schulung der Frauenbeauftragten ein zentrales Thema, das die Arbeitsfähigkeit von Frauenbeauftragten beeinflusst (Hahn, 2019, S. 4). Um diese Rahmenbedingungen der Arbeit von Frauenbeauftragten sowie weitere Detailaspekte zu deren Etablierung zu erhellen, wurden im Herbst 2019 bundesweite Befragungen von Werkstattleitungen/Geschäftsführungen durchgeführt. Der vorliegende Beitrag stellt ausgewählte Ergebnisse vor.

III. Durchführung der Erhebung

Die quantitative Untersuchung zur Umsetzung der Frauenbeauftragten in den WfbM wurde im Rahmen des Projektes „Partizipatives Monitoring der aktuellen Entwicklung des Rehabilitations- und Teilhaberechts bis 2021“ (Standort Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Gudrun Wansing) in Kooperation mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Jun.-Prof. Dr. Mario Schreiner) durchgeführt. Die Erhebung erfolgte im Rahmen von bundesweiten Befragungen zur Arbeit von Werkstatträten (Dissertationsprojekt von Viviane Schachler) in den Monaten September – Oktober 2019. Angeschrieben wurden die Werkstattleitungen/Geschäftsführungen aller 733 anerkannten WfbM nach dem Werkstättenverzeichnis (Bundesagentur für Arbeit, 2019). Erzielt wurde ein Erhebungsrücklauf von 19 % (140 Fragebögen), ein im Vergleich mit anderen Studien zur WfbM (z. B. Sommer et al., 2015, S. 18) niedriges Ergebnis, das im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Träger im Hinblick auf die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes sowie darauf bezogener zeitgleicher Befragungen zu sehen ist.

Die Erhebungsbeteiligung der Werkstätten ist mit Blick auf die Bundesländer unterschiedlich stark ausgeprägt, sie variiert von 7 % (Thüringen) bis zu 29 % (Bayern). Bezogen auf die Bundesländer liegen somit keine repräsentativen Daten vor. Dennoch ist mit 140 Fragebögen eine ausreichende Fallzahl gegeben, um die Einführung der Frauenbeauftragten zu beleuchten. Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse vorgestellt. Die vollständigen Ergebnisse können dem Bericht „Befragung von Werkstattleitungen zur Finanzierung der Arbeit der Werkstatträte in den Werkstätten sowie zur Einführung von Frauenbeauftragten im Zuge der reformierten Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO)“ entnommen werden.[2]

IV. Empirische Ergebnisse

1. Stand und Zeitpunkt der Einführung von Frauenbeauftragten in WfbM

Zunächst stellt sich die Frage, ob es Frauenbeauftragte mittlerweile in jeder WfbM gibt. Dies ist, bis auf wenige Ausnahmen, der Fall. Bei 98 % der befragten Werkstätten war zum Befragungszeitpunkt im Herbst 2019 eine Frauenbeauftragte gewählt worden. Lediglich in drei WfbM gab es keine. Zweimal wird dies damit begründet, dass es trotz Bemühungen nicht möglich war, eine geeignete Person zu finden. Einmal wird auf eine vermeintlich ersetzende Vertrauensstelle verwiesen.

Die erstmaligen Wahlen der Frauenbeauftragten waren für Herbst 2017 vorgesehen. Mehrheitlich, in 88 % der WfbM, gibt es die Frauenbeauftragte seit diesem Zeitpunkt. In 9 % der Werkstätten wurden Frauenbeauftragte bereits früher etabliert. Die Angaben variieren und gehen zurück bis in das Jahr 2011.

2. Einbindung der Frauenbeauftragten in Werkstattangelegenheiten

Um die Interessen der Frauen mit Behinderungen zu vertreten, muss die Frauenbeauftragte über das aktuelle Werkstattgeschehen informiert sein. Hierzu kann die Einbindung in interne Arbeitskreise oder Gremien der Werkstatt (z. B. in einen Arbeitskreis zur Gewaltprävention oder im Werkstattrat) ein wichtiges Mittel sein. Bei 79 % der befragten Werkstätten ist solch eine Einbindung der Frauenbeauftragten gegeben. Bei 15 % findet keine Einbindung in interne Arbeitskreise oder Gremien der Werkstatt statt, obwohl die Frauenbeauftragten laut § 39a Abs. 3 WMVO das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen des Werkstattrats hat und hierbei auch über ein Rederecht verfügt.

Auf die weitergehende Frage nach der Art der Einbindung der Frauenbeauftragten in Gremien und Arbeitskreise waren in der Befragung vier Angaben möglich. Nach den Ergebnissen lässt sich eine unterschiedliche Verteilung der Einbindung feststellen (siehe Diagramm 1).

Diagramm 1: Arbeitskreise und Gremien, in denen die Frauenbeauftragte vertreten ist, bei Werkstätten, die eine Einbindung bestätigten (Mehrfachnennungen möglich, Angaben von 105 Werkstätten)

Bei den Werkstätten, in denen eine Einbindung der Frauenbeauftragten in Arbeitskreisen erfolgt, ist diese am häufigsten im Werkstattrat gegeben. Seltener ist demgegenüber die Einbindung der Frauenbeauftragten in einen Arbeitskreis zur Gewaltprävention, was ungefähr in jeder vierten WfbM erfolgt. Unklar ist, in welchem Umfang Werkstätten ein solches Gremium überhaupt eingerichtet haben. Noch seltener sind Frauenbeauftragte im Arbeitsschutzausschuss der Werkstätten beteiligt. Lediglich in etwas weniger als jeder fünften Werkstatt – ohne die Werkstätten, bei denen Frauenbeauftragte nicht weiter eingebunden sind – findet eine Einbindung in dieses Gremium statt.

Weitere Einbindungen der Frauenbeauftragten in Arbeitsgruppen liegen bei 17 % der befragten Werkstätten vor. Im Rahmen der offenen Antwortmöglichkeit zur Art der Einbindung der Frauenbeauftragten werden verschiedene Beteiligungen genannt. Mehrfach erwähnt werden Besprechungstermine mit der Geschäftsführung bzw. der Werkstattleitung oder die Teilnahme in Beiräten.

3. Finanzierung der Frauenbeauftragten

Zur Einordnung der empirischen Ergebnisse sollen im Folgenden zunächst kurz einige Eckpunkte zur Finanzierung skizziert werden.

Hintergrundinformationen zur Finanzierung

Im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Frauenbeauftragten sind die Kosten durch die Werkstatt zu übernehmen (39a Abs. 5 S. 4 i. V. m. § 39 Abs. 1 S. 1 WMVO), auch anfallende Kosten für eine zusätzliche Assistenz und Unterstützungsperson (vgl. auch LVR Vorlage-Nr. 14/2913).[3] Für die entstehenden Kosten hat die Werkstatt einen Vergütungsanspruch gegenüber den Rehabilitationsträgern, bei denen es sich mehrheitlich um Träger der Eingliederungshilfe handelt. Landesrahmenverträge (§ 131 Abs. 1 SGB IX) dienen als Grundlage zur Festlegung bzw. Berechnung der Höhe von Leistungspauschalen zur Finanzierung der Frauenbeauftragten. Allerdings ist es „schwierig, Infos zu den Rahmen-Verträgen zu bekommen“ (Kluge, 2019, zitiert nach Hahn, 2019, S. 8), da detaillierte Ausführungen zur Umsetzung der Verträge schwer zugänglich sind. Darüber hinaus scheint es, dass mit Blick auf die Finanzierung der Frauenbeauftragten einzelne „Leistungsträger nicht bereit [sind], ihrer diesbezüglichen Vergütungspflicht nachzukommen“ (BAG WfbM, 2020, S. 12).

Die Regelung der Abrechnung bzw. der Umgang mit entstehenden Kosten für Frauenbeauftragte sind Bestandteil der Rahmenvereinbarungen der einzelnen Bundesländer. Die Berechnungsart und die Höhe der zugrundeliegenden Kosten sind in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet. In einigen Bundesländern wird für alle Werkstätten der gleiche Kostenschlüssel angewendet. Hier werden landesweit standortunabhängig fixe Kosten der Frauenbeauftragten angenommen. Die Belegungszahlen der einzelnen Werkstatt werden in solchen Modellen zur Berechnung von Tagessätzen herangezogen. Möglich ist es dann, die Tagessätze auf der Grundlage der Anzahl weiblicher Beschäftigter oder der Anzahl aller Beschäftigten zu berechnen. Diese Tagessätze können sich auf Kalendertage, Werktage oder Betreuungstage in der WfbM beziehen. In der Praxis bedeutet ein solches Finanzierungsmodell, dass in kleinen Werkstätten die Tagessätze höher und in großen Werkstätten mit vielen Beschäftigten die Tagessätze je belegtem (weiblichen) Werkstattplatz geringer ausfallen. Durch diese dynamische Art der Finanzierung soll einerseits sichergestellt werden, dass unabhängig von der Anzahl der Werkstattbeschäftigten eine ausreichende Finanzierung der Frauenbeauftragten gewährleistet ist. Andererseits sollen in Werkstätten mit vielen Beschäftigten nicht automatisch – basierend auf der Belegungszahl – über den Bedarf hinausgehende Vergütungssätze für die Frauenbeauftragten be- bzw. errechnet werden. Ein solches dynamisches Modell zur Berechnung der Vergütungssätze kommt beispielsweise in Bayern zum Einsatz.[4]

In anderen Rahmenverträgen – zum Beispiel in Hessen[5] und Rheinland-Pfalz[6] – wird lediglich geregelt, dass die entstehenden Kosten der Frauenbeauftragten durch die Leistungsträger finanziert werden. Dies kann durch Pauschalen oder Einzelabrechnung der Kosten erfolgen. Hierzu werden individuelle Vergütungsvereinbarungen von den einzelnen Werkstätten mit dem Kostenträger abgeschlossen.

Die Kosten der Frauenbeauftragten sind bislang noch nicht vollständig bekannt, da es sich um ein neu eingeführtes Amt in WfbM handelt. Aus diesem Grund kann „der Nachweis über die tatsächlichen Kosten […] ein Argument gegenüber dem Leistungsträger sein, einen entsprechend ausreichenden Satz zu vergüten.“ (BAG WfbM, 2020, S. 12). In der Praxis kann dies beispielsweise mit einem gewährten Budget und der Abrechnung mittels Einzelkostennachweisen erfolgen (ebd.).

Zur Abrechnung der Kosten von Frauenbeauftragten sind eigene Kostenstellen zu empfehlen, da diese zur Transparenz der benötigten finanziellen Mittel sowie zur Etablierung der Frauenbeauftragten beitragen. Aus Praxisberichten ist zudem bekannt, dass auch Kostenstellen von Werkstatträten gemeinsam mit der Frauenbeauftragten genutzt werden (siehe Abschnitt 4). Hierbei sollte es sich um eine Übergangslösung handeln, deren Entwicklung es zu beobachten gilt.

Empirische Ergebnisse zur Finanzierung

Um sich der komplizierten Finanzierungthematik der Frauenbeauftragten anzunähern, wurden in der Befragung verschiedene Detailaspekte untersucht. Festhalten lässt sich zunächst, dass in 23 % der befragten WfbM die Arbeit der Frauenbeauftragten über eine gemeinsame Pauschale mit dem Werkstattrat finanziert wird. Den verbleibenden 77 % (102 Werkstätten) wurde die Frage gestellt, wie hoch der Vergütungssatz pro Tag/weiblicher Beschäftigten in ihrer Werkstatt ist. Auf diese Frage konnten 20 % der Befragten keine Antwort geben und wählten die Ausweichoption „weiß nicht“. Weitere 43 % der Befragten verwiesen auf die Antwortoption „bisher gibt es keine Pauschalen“ (siehe Diagramm 2). Somit liegen lediglich für 34 % der befragten Werkstätten (n = 35) genaue Angaben zu den Kostensätzen in € je Tag/weiblicher Beschäftigter vor. Weitere 3 % der Angaben lassen sich nicht weiter vergleichen.[7]

Diagramm 2: Antwortverhalten auf die Frage nach dem Vergütungssatz (Angaben von 102 Werkstätten)

Anmerkung:

Die Frageformulierung lautet: Zur Finanzierung der Arbeit der Frauenbeauftragten wird angegeben, dass Werkstätten die anfallenden Kosten über Pauschalen pro Tag / weiblicher Beschäftigten erstattet bekommen.

Wie hoch ist dieser Vergütungssatz pro Tag / weiblicher Beschäftigten bei Ihnen? (Wenn Sie den Satz nicht wissen, schreiben Sie bitte „weiß nicht“ in das linke Eingabefeld).

Die Höhe des Kostensatzes der Frauenbeauftragten wird von den 35 Werkstätten, für die eine genaue Angabe vorliegt, mit einem Betrag zwischen 0,08–1,04 € pro Tag/weiblicher Werkstattbeschäftigten angegeben. Im Mittel beträgt der Betrag 0,29 € (Standardabweichung = 0,21 €, Median = 0,23 €).

In Vergütungsgruppen zusammengefasst, zeigt sich das in Diagramm 3 dargestellte Bild. Es wird ersichtlich, dass es starke Unterschiede in der Höhe der Kostensätze für die Frauenbeauftragte zwischen den einzelnen Werkstätten gibt. Die meisten Werkstätten (43 %) erhalten einen Kostensatz von 0,08–0,19 €.

Diagramm 3: Höhe der Vergütungssätze für die Frauenbeauftragte pro Tag/weiblicher Beschäftigter in Gruppen (Angaben von 35 Werkstätten)

Wie bereits erwähnt, kann die Berechnung der Pauschalen unterschiedlich erfolgen, bspw. mit Kalender- (365 Tage pro Jahr), mit Betreuungs- oder genauen Anwesenheitstagen. Nach den vorliegenden 34 gültigen Angaben, erfolgt die Berechnung am häufigsten mit Kalendertagen (365 Tage pro Jahr), was auf 20 WfbM zutrifft.

Eingerichtete Kostenstelle für die Frauenbeauftragte

Wie die Online-Diskussion bei www.reha-recht.de zeigte, ist Frauenbeauftragten teilweise unklar, wie sie ihre benötigten Gelder abrufen können.[8] Als ein Aspekt einer klaren internen Kostenregelung bzw. -ausgestaltung wurde den Werkstattverantwortlichen die Frage gestellt „Ist in Ihrer Werkstatt eine eigene Kostenstelle für die Frauenbeauftragte eingerichtet?“.

Nach den Ergebnissen aus dem Herbst 2019 ist dies für 42 % der Werkstätten der Fall. Bei weiteren 18 % ist eine gemeinsame Kostenstelle für den Werkstattrat und die Frauenbeauftragte eingerichtet und bei 40 % der Werkstätten gibt es bislang noch keine Kostenstelle für die Frauenbeauftragte (siehe Diagramm 4).

Diagramm 4: Kostenstelle für die Frauenbeauftragte (Angaben von 129 Werkstätten)

Schulung der Frauenbeauftragten

Der Frauenbeauftragten steht pro vierjährigem Amtszeitraum ein 15-tägiger Schulungsanspruch zu, bei erstmaliger Amtsaufnahme sogar 20 Tage (§ 39a Abs. 5 Satz 5 WMVO i. V. m. § 37 Abs. 4 WMVO). Zum Befragungszeitpunkt hat die Mehrzahl der Frauenbeauftragten – 90 % – nach den Erhebungsdaten bereits an Schulungen für Frauenbeauftragte teilgenommen. 8 % der Frauenbeauftragten hatten bis dato keine Schulungen besucht und für knapp 2 % liegen andere Situationen vor, bspw. eine geplante anstehende Schulung.

Die Frauenbeauftragten, die an Schulungen teilgenommen haben, besuchten am häufigsten Schulungen im Umfang von vier bis sechs Tagen (34 %, siehe Diagramm 5). Der geringste Schulungsumfang von einem Tag trifft lediglich auf 3 % der befragten Werkstätten zu. 5 % geben den höchsten Umfang von 16 bis 18 Tagen an. Unter den offenen Angaben der „Anderen Anzahl“ wird sogar ein Schulungsumfang von 25 bis 28 Tagen benannt.

Diagramm 5: Schulungsumfang der Frauenbeauftragten bei Werkstätten mit Schulungsbesuch (Angaben von 109 Werkstätten)

V. Diskussion

Die Ergebnisse der durchgeführten Befragung zeigen, dass das Amt der Frauenbeauftragten mittlerweile in nahezu allen Werkstätten eingerichtet wurde. Werkstätten, in denen dies noch nicht der Fall ist, sind Einzelfälle. Die gewählten Frauenbeauftragten sind bei vielen Werkstätten (rund 80 %) in internen Arbeitskreisen bzw. Gremien eingebunden. In der Regel ist dies der Werkstattrat (siehe hierzu auch Schönian, 2020). Seltener sind Einbindungen in weitere interne Arbeitsgruppen und Gremien. Hier ist eine Erweiterung wünschenswert, damit die Interessen der Frauen hinsichtlich unterschiedlicher Werkstattbelange eingebracht werden können.

Zu der einleitend erwähnten Diskussionsfrage nach einem „Budget für Frauenbeauftragte“ lässt sich Folgendes festhalten:

  • In 23 % der befragten WfbM wird die Arbeit der Frauenbeauftragten über eine gemeinsame Pauschale mit dem Werkstattrat finanziert.
  • Bemerkenswert viele Werkstätten hatten rund zwei Jahre nach den erstmaligen Wahlen der Frauenbeauftragten noch keine Pauschalregelung zur Finanzierung mit den Leistungsträgern gefunden.
  • Für Werkstätten, die Regelungen zur Finanzierung der Frauenbeauftragten mit einem eigenen Kostensatz getroffen haben, liegen 35 Angaben zur genauen Höhe der Kostensätze pro Tag und weiblicher Beschäftigter vor. Die Beträge reichen von 0,08 € bis zu. 1,04 €. Es zeigt sich eine große Varianz, die vermutlich im Zusammenhang mit der Werkstattgröße (Anzahl der weiblichen Beschäftigten) steht.
  • In der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 18/9522) wurde im Vorfeld der Einführung der Frauenbeauftragten von einem „Satz von 0,40 Euro je Tag/weiblichen Beschäftigten“ (S. 214, Hervorhebung d. V.) zu deren Finanzierung ausgegangen. Diese Höhe wird im Mittel (0,29 € pro Tag und weiblicher Beschäftigter) deutlich unterschritten (Standardabweichung = 0,21 €). Es zeigt sich, dass die Finanzierung der Frauenbeauftragten zum Erhebungszeitpunkt noch unzureichend umgesetzt war.
  • Auch bei der internen Kostenregelung haben noch nicht alle WfbM eine formale Struktur in Form einer Kostenstelle für die Frauenbeauftragte gefunden. Dies ist jedoch zur Dokumentation der entstehenden Ausgaben und zum klaren Ausweis der benötigten Gelder zu empfehlen (vgl. hierzu auch die „Handreichung zu den Frauenbeauftragten in Werkstätten“; BAG WfbM, 2020, S. 12, s. o.).

Die meisten Frauenbeauftragten (90 %) haben eine Schulung zur Vorbereitung auf ihr Amt besucht. In ca. einem Drittel der Fälle wurden Schulungen mit einem Umfang von 4 bis 6 Tagen besucht. Insgesamt bleibt der Schulungsumfang bezogen auf den Zweijahreszeitraum 2017–2019 unter dem gegebenen Anspruch (20 Tage bei erstmaliger Amtsausführung im Vierjahreszeitraum) zurück. Möglicherweise zeigt die unzureichende Finanzierung hier Konsequenzen. Über die Qualität der Schulungen lassen sich auf Basis der vorliegenden Daten keine Aussagen treffen, hier wären weiterführende Untersuchungen wünschenswert.

Die Erhebungsergebnisse lenken den Blick auf wenige Detailaspekte zur Einführung der Frauenbeauftragten in WfbM aus Sicht der Werkstattleitungen/Geschäftsführungen. Diese Befragungsgruppe wurde gewählt, da angenommen wurde, dass diese mit den Finanzierungsdetails sowie dem Umsetzungsstand am besten vertraut sind. Ergänzend sind weitere Studien notwendig, welche die Sichtweise der Frauenbeauftragten zu ihrer Arbeit und zu ihrer Etablierung im Werkstattalltag untersuchen und dabei auch danach fragen, wie sie ihr Amt unter den Bedingungen der Corona-Pandemie ausführen können. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die Etablierung der Frauenbeauftragten in WfbM begonnen hat, aber noch auf schwachen Füßen steht.

Literatur

Bundesagentur für Arbeit. (2019). Verzeichnis anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen. Online verfügbar: https://con.arbeitsagentur.de/prod/apok/ct/dam/download/documents/dok_ba015706.pdf, zuletzt abgerufen am 18.01.2021.

BAG WfbM. (2020). Handreichung Frauenbeauftragte in Werkstätten für behinderte Menschen. Online verfügbar: https://www.bagwfbm.de/file/1290; zuletzt abgerufen am 18.01.2021.

Hahn, N. (2019). Mitbestimmung in Werkstätten für behinderte Menschen gestalten – Zusammenfassung der Online-Diskussion im moderierten Forum Fragen – Meinungen – Antworten zum Rehabilitations- und Teilhaberecht (9. bis 29. Mai 2019); Forum D, Beitrag D14-2019 unter www.reha-recht.de; zuletzt abgerufen am 22.01.2021.

Herriger, N. (2020): Empowerment in der Sozialen Arbeit. 6. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.

Schachler, V. (2018): Frauenbeauftragte in Werkstätten für behinderte Menschen. In: RP Reha – Recht und Praxis der Rehabilitation. Schwerpunkt Rehabilitation und Gender, 2018 (2), S. 39-46. 

Schachler, V., Schreiner, M. (2017): Mitbestimmung light? Die Reform der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung durch das Bundesteilhabegesetz – Teil II: Frauenbeauftragte und kirchenrechtliche Verordnungen. Beitrag B3-2017. Online verfügbar: www.reha-recht.de, 28.04.2017; zuletzt abgerufen am 07.02.2021.

Schönian, I. (2020). Und es geht doch! Über die Zusammenarbeit von Frauenbeauftragten und Werkstatträten. In: Werkstatt:Dialog, 36(3), 22-23.

Sommer, J., Gericke, T., Fischer, B., Estal del, M. (2015). Rahmenbedingungen für den Übergang aus Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Untersuchung der Beschäftigungssituation in WfbM im Land Brandenburg. Online verfügbar http://interval-berlin.de/documents/InterVal,%20Gericke_Juni%202015_Brandenburger%20WfbM-Studie.pdf, zuletzt abgerufen am 22.01.2021.

Beitrag von Viviane Schachler, Hochschule Fulda und Jun.-Prof. Dr. Mario Schreiner, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Fußnoten

[1] Die Diskussion kann nachgelesen werden unter: https://fma.reha-recht.de/index.php/Board/140-Diskussionsverlauf-nachlesen-Mitbestimmung-in-WfbM-1-2019/

[2] Der Forschungsbericht erscheint in Kürze auf www.reha-recht.de.

[3] https://dom.lvr.de/lvis/lvr_recherchewww.nsf/0/CF0C2B7C0749746EC12582F900337A91/$file/Vorlage14_2913.pdf, zuletzt abgerufen am 08.04.2021.

[4] Siehe: https://www.lagoefw.de/fileadmin/redakteure/Landesentgelt/Formblaetter/II.2_Kostenberechnung_Frauenbeauftragte_2018-01-16.xlsx, zuletzt abgerufen am 01.02.2021.

[5] In Hessen ist derzeit der Hessische Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX in Kraft. Durch diesen erfolgen u. a. Ergänzungen und Änderungen zum hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII (https://docplayer.org/186560035-Hessischer-rahmenvertrag-nach-131-sgb-ix.html, zuletzt abgerufen am 07.02.2021).

[6] „Die Leistungspauschale enthält auch die Sach- und Personalkosten der Werkstatt für die Arbeit der Werkstatträte vor Ort sowie der Interessenvertretungen auf Landes- und Bundesebene und der Frauenbeauftragten.“ (§ 47 Vorlage 17/4169 Landesrahmenvertrag Rheinland-Pfalz).

[7] Beispielsweise wird ein Betrag von 4,60 € pro Tag genannt; unklar bleibt, ob es sich bei dem Betrag tatsächlich um den täglich gezahlten Kostensatz pro Werkstattbeschäftigter handelt. Eine weitere Person gibt an, dass es zum Befragungszeitraum eine Jahrespauschale von 7.500 € für die Arbeit der Frauenbeauftragten in der zugehörigen Werkstatt gibt; eine weitere benennt „Pauschale im Tagessatz, nicht auf Frauen beschränkt 0,093“.

[8] Siehe zum Diskussionsverlauf: https://fma.reha-recht.de/index.php/Thread/678-Budget-für-Frauenbeauftragte/?s=236cf213836c0db02bc5a108de679c737f513ecb


Stichwörter:

Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Frauenbeauftragte, Interessenvertretung, Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO), Empowerment


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