24.02.2015 B: Arbeitsrecht Bogner: Beitrag B2-2015

Die Geltung des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes für Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II – Vorschriften zur Barrierefreiheit –

In seinem Beitrag befasst sich der Autor mit der Geltung des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes (BGG) für Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II und sich daraus ergebenden Problemen, insbesondere bei Jobcentern in Bayern und Hessen.

Der Verfasser geht hierbei der Frage nach, ob die Vorschriften zur Herstellung von Barrierefreiheit aus §§ 8–11 BGG die Leistungsträger nach dem SGB II binden. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelungen nur für die Bundesverwaltung gelten, nicht jedoch für kommunale Träger als Teile der Landesverwaltung.

Daran anschließend prüft er die Geltung der Barrierefreiheitsgebote der Landesgleichstellungsgesetze (LGG) für kommunale Träger. Abschließend prüft er welche anderen Quellen zur Herstellung von Barrierefreiheit für die SGB II-Leistungsträger verbindlich sein könnten. Er betrachtet hierfür sowohl die UN-Behindertenrechtkonvention als auch die Sozialgesetzbücher.

(Zitiervorschlag: Bogner: Die Geltung des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes für Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II – Vorschriften zur Barrierefreiheit; Forum B, Beitrag B2-2015 unter www.reha-recht.de; 24.02.2015)

 


Die Geltung des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes für Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II – Vorschriften zur Barrierefreiheit –


Von Maximilian Bogner, Sozialwirt und Sozialjurist LL.M.


Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG) ist eine Konkretisierung von Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz (GG) mit dem Ziel, dass „behinderte Menschen sich künftig möglichst vollständig im öffentlichen Raum bewegen können“[1]. Neben einem Benachteiligungsverbot, enthält das BGG unter anderem (u. a.) Regelungen zur Barrierefreiheit. Inwieweit diese gelten wird im Folgenden geprüft.[2]


I.       Thesen des Autors

  1. Die Vorschriften zur Barrierefreiheit aus §§ 8–11 BGG gelten für die Bundesverwaltung und damit für die Bundesagentur für Arbeit, nicht jedoch für kommunale Träger als Teile der Landesverwaltung, für welche meist Vorschriften aus den Landesgleichstellungsgesetzen (LGG) maßgeblich sind. Darum bestehen innerhalb eines Jobcenters unterschiedliche Maßstäbe für Barrierefreiheit.

  2. Eine unmittelbare Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit aus Art. 9 UN-BRK besteht in diesem Fall nicht.

  3. Allerdings ist § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB II im Licht der UN-BRK auszulegen, so dass die Norm ähnliche, jedoch weniger konkrete Verpflichtungen enthält.


II.      Zuordnung von SGB II-Leistungs­trägern zur Bundes oder Landes­verwaltung

Die Frage, ob bzw. in welchem Umfang die Vorschriften zur Barrierefreiheit aus dem BGG des Bundes für Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II gelten, hängt entscheidend von deren Zuordnung zur Bundes- oder Landesverwaltung ab. Vor der Abschaffung der ehemaligen Arbeitsgemeinschaften SGB II (ARGEn) im Jahr 2011 wurden diese in Bezug auf die Dienstaufsicht sowie die Rechtsunter­worfenheit klar zum Landesrecht gezählt.[3] Die Einordnung der nun legalisierten Mischverwaltungsinstitution[4] der Jobcenter, insbesondere der Trägerversammlung, gestaltet sich problematischer. Eine solche wurde vom Gesetzgeber im SGB II nicht klar geregelt bzw. nur auf die Aufgabenwahrnehmung bezogen verankert.

„Es gilt der Grundsatz, dass die Aufsicht soweit reicht, wie die Finanzierungsverantwortung geht“[5]. Aufsicht wird im bundesdeutschen Verständnis durch eine höhere Hierarchieebene derselben Verwaltungslinie durchgeführt. Also ist die Frage, ob jeweils eine Bundes- oder Landesverwaltung vorliegt, gekoppelt an die Aufsicht (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Diese ist im Wortlaut des SGB II gemäß § 47 als Fach- und Rechtsaufsicht vorgesehen.    

Während die Bundesagentur für Arbeit (BA) vom zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beaufsichtigt wird (§ 47 Abs. 1 Satz 1 SGB II), trägt diese Pflicht bei den kommunalen Trägern die jeweils zuständige Landesbehörde (§ 47 Abs. 2 S. 1 SGB II), weswegen diese unstrittig der Bundes- bzw. Landesverwaltung zugeordnet werden können. Gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 SGB II führt die Rechtsaufsicht über die Trägerversammlung das BMAS.[6] Obgleich diese Aufsicht im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde zu erfolgen hat, liegt sie klar beim Bund. Somit sind auch die Trägerversammlungen generell der Bundesverwaltung zuzuordnen. In Optionskommunen liegt die Aufsicht gemäß § 48 Abs. 1 SGB II bei den zuständigen obersten Landesbehörden.[7]


III.    Geltung der Vorschriften zur Herstellung von Barrierefreiheit für die BA, die Trägerversammlung und kommunale Träger

Die §§ 8–11 BGG zur Barrierefreiheit in besonders relevanten Bereichen definieren jeweils ihren eigenen Adressatenkreis. Während § 8 Abs. 1 S. 1 BGG wörtlich den Bund sowie bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts benennt,[8] verweisen §§ 9–11 BGG jeweils auf Träger öffentlicher Gewalt gem. § 7 Abs. 1 S. 1 BGG. Daher gehören Träger auf Landesverwaltungsebene gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 BGG nicht zum Adressatenkreis. Der Wortlaut ist eindeutig.[9] Somit gelten die Barrierefreiheitsgebote aus den §§ 8–11 BGG nicht unmittelbar für kommunale SGB II-Leistungsträger, sondern nur für die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Trägerversammlung in ihren Aufgabenbereichen.


IV.    Verhältnis zu landesrechtlichen Vor­schriften zur Herstellung von Barrierefreiheit

Wie gezeigt, unterliegen kommunale SGB II-Leistungsträger und Optionskommunen nicht unmittelbar den Vorschriften zur Herstellung von Barrierefreiheit des BGG, im Normalfall aber den entsprechenden Vorschriften in den LGG, soweit diese kommunale Träger mit einschließen. Die meisten LGG verpflichten die Kommunen und Landkreise,[10] welche verfassungsrechtlich zu den Ländern zählen. Nur Bayern (vgl. Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayBGG) schließt diese aus dem Geltungsbereich des Gesetzes aus und Hessen überlässt ihnen die Wahl, unter wirtschaftlichen Abwägungen selbst Verpflichtungen aus dem Hessischen Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Hessisches Behinderten-Gleichstellungsgesetz – HessBGG) anzuerkennen (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 HessBGG).[11] Daher kann es vorkommen, dass innerhalb eines Jobcenters unterschiedliche Standards an Barrierefreiheit zu verwirklichen sind, je nachdem, wer gerade in seinem Zuständigkeitsbereich handelt. Während die Trägerversammlung sowie die BA direkt dem BGG unterliegen, gelten für die kommunalen SGB II-Leistungsträger die LGG. Dass innerhalb ein und derselben Behörde unterschiedliche Standards der Barrierefreiheit gelten, ist weder für die Mitarbeiter der Verwaltung, noch für die Bürger leicht verständlich oder praktikabel.


V.     Andere Quellen von Pflichten zur Barrierefreiheit für SGB II-Leistungs­träger

Nachfolgend werden weitere Quellen von Barrierefreiheitspflichten für SGB II-Leistungsträger näher untersucht. Diese könnten kommunale Leistungsträger in ähnlicher Weise zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichten, wie das BGG die Bundesverwaltung.

1.      Zugänglichkeit gemäß Art. 9 UN-BRK

„Die barrierefreie Gestaltung und Planung sind eine wesentliche Voraussetzung der Zugänglichkeit“[12]. Art. 9 Abs. 2 UN-BRK verpflichtet die Vertragsstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderung „eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen“. Explizit wird in Abs. 2 verpflichtet zur Schaffung und Überwachung von Mindeststandards, welche die Zugänglichkeit zu öffentlichen Einrichtungen und Diensten für Menschen mit Behinderung sicherstellen, sowie zur Beschilderung in öffentlichen Gebäuden in wahrnehmbarer Form. Außerdem wird der Zugang zu Informationen sowie zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien für Menschen mit Behinderungen gefordert.  

Ferner könnte diese völkerrechtliche Vorschrift für kommunale SGB II-Leistungs­träger, welche nicht unter die Vorschriften zur Herstellung der Barrierefreiheit im BGG fallen, ähnliche Rechtsfolgen ergeben. Jedoch müsste Art. 9 UN-BRK hierfür „self-executing“ sein, also tatsächlich subjektive Rechte einräumen bzw. konkrete Verpflichtungen enthalten. Trenk-Hinterberger ordnet das dort formulierte Recht auf Barrierefreiheit „eher der Kategorie der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte als der Kategorie der bürgerlichen und politischen Rechte“[13] zu. Darum bejaht er diesbezüglich die Geltung des Progressionsvorbehalts und damit die nur schrittweise Herstellung von Barrierefreiheit.[14] Dennoch seien die UN-BRK und das BGG „möglichst übereinstimmend auszulegen“[15].           

Unmittelbar einklagbare subjektive Rechte und Pflichten ergeben sich aus Art. 9 UN-BRK nur bei einer hohen, nicht aufschieb­baren menschenrechtlichen Relevanz, z. B. wenn „die Unzulänglichkeit eine Benachteiligung wäre, die auch nicht durch angemessene Vorkehrungen im Einzelfall aufgehoben werden kann“[16]. Ferner kann Art. 9 UN-BRK selbst nur i. V. m. dem Diskriminierungsverbot aus Art. 5 Abs. 2 UN-BRK unmittelbare Rechtsfolgen erwirken. Jedoch fänden diese, analog zu angemessenen Vorkehrungen (vgl. Art. 2 Satz 1 UN-BRK), ihre Grenze dann, wenn sie für die Adressaten eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen würden. Darum muss die Frage, ob Art. 9 UN-BRK Leistungsträger nach dem SGB II unmittelbar zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichtet, verneint werden.

2.      Bücher des Sozialgesetzbuches

§ 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I bezieht sich allgemein auf „die Leistungsträger“, worunter nach § 12 S. 1 i. V. m. § 19a Abs. 2 SGB I alle Arten von Grundsicherungsträgern fallen. Somit gilt § 17 SGB I für alle Träger und zwar nicht nur in Bezug auf die Sozialleistungen selbst, sondern bereits auf die Anbahnung eines Sozialrechtsverhältnisses,[17] etwa im Rahmen der Auffindbarkeit, Beratung und Antragstellung.[18] Er enthält sehr ähnliche Inhalte wie §§ 8–11 BGG und befasst sich mit der Minimierung von baulichen und Kommunikationsbarrieren. Eine Erweiterung im Vergleich zu den Vorschriften des BGG wird in § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I dadurch vorgenommen, dass sich die Norm konkret auf die Ausführung von Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen bezieht. Im Gesundheitsrecht umfasst dies die Praxen der Vertragsärzte und im SGB II die Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation sowie verschiedener Trainingsmaßnahmen, unabhängig davon, wo sie stattfinden.

Oftmals wird die Auffassung vertreten, § 17 SGB I sei durch die Formulierung „sind verpflichtet, darauf hinzuwirken“ als bloßer Handlungsappell an die Leistungsträger zu verstehen, aus welchem jedoch keine unmittelbaren subjektiven Ansprüche erwachsen könnten.[19] Seine Wirkung entfalte der Inhalt des § 17 SGB I ferner vornehmlich durch die Heranziehung bei Ermessensentscheidungen der Leistungsträger sowie bei der richterlichen Berücksichtigung, etwa bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. In Einzelfällen könne dies sogar zur Ermessensreduktion auf Null führen[20] oder sogar als Verletzung von Nebenpflichten aus dem Sozialrechtsverhältnis einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen.[21]

Eine solche Verletzung sei dann denkbar, wenn bei der Ausführung der Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten (§§ 13–15 SGB I), ggf. auch bei der sich aus § 14 SGB I im Einzelfall ergebenden Spontanberatung[22] der § 17 SGB I nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt werde.[23]

Merten bezeichnet § 17 SGB I auch als „eine Art verfahrensrechtliches Optimierungsgebot“[24], welches die Leistungsträger, unabhängig vom materiellen Recht, zu Eigeninitiative mit dem Ziel der Verwirklichung sozialer Rechte anhalten soll. Dies machte der Gesetzgeber auch in der Begründung zum Gesetzentwurf deutlich.[25] Jedoch sei diese Vorschrift „hinsichtlich von Teilaspekten der im BGG umfassender geregelten Barrierefreiheit einschlägig“[26]. Knecht kommt zu dem Schluss, dass bei grammatischer Auslegung des § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I ein klarer Auftrag an jeden Sozialleistungsträger erkennbar sei. Subjektive Ansprüche einzelner Leistungsempfänger ergeben sich bei der weiteren systematischen und teleologischen Auslegung jedoch nur dann, wenn mit einem „konkreten Sozialleistungsanspruch ein subjektives Recht des Leistungsempfängers gegeben ist“[27].

Welti räumt § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I hingegen einen höheren Stellenwert ein und erkennt darin die konkrete Verpflichtung aller Sozialleistungsträger, insbesondere auch bei Bestandsbauten sowie im Vertragsrecht mit den Leistungserbringern, nicht nur bauliche, sondern auch kommunikative Barrierefreiheit zu gewährleisten.[28] Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGG anerkannten Verbänden bei Verstößen gegen § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I ein Verbandsklagerecht einräumt.

Ohne eine konkrete Verpflichtung würde ein Klagerecht ins Leere laufen. Die Pflicht, Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren zu halten, bezieht sich auf Grund der Formulierung auch auf nicht eigene angemietete Liegenschaften. So ist auch gegenüber Grundstücks- und Gebäudeeignern Barrierefreiheit als Bestandteil von Mietverträgen bzw. Bedingung für deren Unterzeichnung, einzufordern. Jedoch wird von entscheidenden Gerichten, insbesondere wegen der normativen Aspekte des Begriffs der Barrierefreiheit jeweils im Einzelfall auszulegen sein, welche konkreten Pflichten oder unter Umständen auch individuelle Rechte sich aus § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB II jeweils für wen ergeben. Zumindest ist die Nichtberücksichtigung von Barrierefreiheit im Rahmen behördlicher Entscheidungen als Ermessensfehler zu werten.[29]        

Weit konkreter sind die in § 17 Abs. 2 SGB II formulierten besonderen Rechte zur Herstellung von Barrierefreiheit für hörbehinderte und stark sprachbehinderte Menschen, welche zusammen mit § 19 Abs. 2 S. 4 SGB X sowie § 57 SGB IX im Bereich aller Sozialleistungsträger das Recht auf die Verwendung von Gebärdensprache und anderer (personeller) Kommunikationshilfen im Sozialverwaltungsverfahren einräumen. Somit sind deren Rechte, unabhängig vom BGG oder den LGG bei allen Arten von SGB II-Leistungsträgern berücksichtigt. Sie sind ferner auch als subjektive und damit einklagbare Rechte des Einzelnen aufzufassen.[30]

Der Begriff der Hörbehinderung ist im Sozialgesetzbuch nicht definiert, weswegen hier die Legaldefinition aus § 6 BGG (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) herangezogen werden muss. Während nach § 57 SGB IX im Bereich der Hörbeeinträchtigung der Grad der benötigten Hilfe keine Rolle spielt, ist bei Menschen mit Sprachbehinderung ein so hohes Niveau vorauszusetzen, dass ohne Hilfe anderer eine Verständigung nicht möglich wäre, auch wenn sich um Verständigung bemüht wird. Er richtet sich also nur an behinderte Menschen, die unbedingt eines Dolmetschers oder Kommunikationshelfers bedürfen und umfasst keine technischen Kommunikationshilfen, ist also weniger umfangreich als § 9 BGG.


VI.    Fazit

Zusammenfassend kann hier die Ansicht vertreten werden, dass für Gemeinsame Einrichtungen im Bereich der Trägerversammlung und der BA die §§ 7 bis 11 BGG unmittelbar gelten. Für die kommunalen Träger ist lediglich das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 2 S. 1 BGG direkt maßgeblich. Ansonsten sind für sie andere Vorschriften zur Herstellung von Barrierefreiheit, insbesondere in den LGG (außer in Bayern und Hessen) sowie den Bauordnungen der Länder maßgeblich. § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I verlangt von allen Sozialleistungsträgern – unabhängig von ihrer Zuordnung zur Bundes- oder Landesverwaltung – barrierefreie Zugänglichkeit als Voraussetzung des Sozialrechtsverhältnisses. Die Vorschrift gilt damit auch für kommunale SGB II-Leistungsträger in Bayern und Hessen. § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I beinhaltet dabei eine konkrete Verpflichtung aller Sozialleistungsträger, was ausdrücklich durch das in § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGG geregelte Verbandsklagerecht bestätigt wird. Nach diesem können anerkannte Verbände bei Verstößen gegen § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I Klage erheben.

 

Fußnoten:

[1] Braun, MDR 2002, S. 863.

[2] Der vorliegende Beitrag beruht auf der Masterarbeit des Autors, die wiederum im Zusammenhang mit der Evaluation des BGG entstand. Der Forschungsbericht der Evaluation ist abrufbar unter: www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/fb-445.pdf.

[3] Einschlägig war § 44b Abs. 3 S. 4 SGB II [a. F.] Laut Mempel konnte diese Landesaufsicht nur als eine Rechtsaufsicht verstanden werden, vgl. Mempel, Hartz-IV-Organisation auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, 2007, S. 56.

[4] Als Mischverwaltung werden Verwaltungs­tätigkeiten bezeichnet, die sowohl auf Landes­ebene, als auch auf Bundesebene durchgeführt werden.

[5] Spellbrink/Münder/Luik, Verfassungsrechtliche Probleme im SGB II, 2011, S. 69.

[6] Spellbrink sieht hierin ein Zugeständnis von mehr Handlungsspielraum, vertiefend siehe ebd., S. 70.

[7] Als lediglich klarstellend kommentiert mit Blick auf Art. 83 ff. GG: Thie, § 48, in: Münder (Hrsg.), Sozialgesetzbuch II, Rn. 2; Harich, § 48, in: Eicher (Hrsg.), SGB II – Grundsicherung für Arbeitssuchende, Rn. 2.

[8] Dies wir auch in den Gesetzgebungsmaterialien deutlich, siehe hierzu BT-Drs. 14/8043, S. 17.

[9] Siehe auch: Ritz, § 9 BGG, in: Jung/ Cramer/ Fuchs u. a. (Hrsg.), SGB IX – Kommentar zum Recht schwerbehinderter Menschen und Erläuterungen zum AGG und BGG, Rn. 2.

[10] Vgl. Grüber, Zusammen leben ohne Barrieren, 2010, S. 13.

[11] Diese Klausel könnte als eine Umgehung des Konnexitätsprinzips angesehen werden, wodurch die Kommunen vom Land die Erstattung derjenigen Kosten verlangen können, welche ihnen durch Landesgesetze entstehen, sofern diese selbst keine Kostenregelung treffen.

[12] Welti, in: Tervooren/Weber (Hrsg.), Wege zur Kultur, 2012, S. 84.

[13] Kreutz/Lachwitz/Trenk-Hinterberger, Die UN-Behindertenrechtskonvention in der Praxis, 2013, S. 132, Rn. 3.

[14] Ebd., S. 132, Rn. 3; vgl. hierzu auch BT-Drs. 16/10808 (Denkschrift zur UN-BRK).

[15] Welti, in: Welti (Hrsg.), Rechtliche Instrumente zur Durchsetzung von Barrierefreiheit, 2013, S. 24.

[16] Welti, in: Welke (Hrsg.), UN-Behinderten­rechtskonvention mit rechtlichen Erläuterungen, 2012, S. 128, Rn. 4.

[17] Denn gem. § 8 SGB X ist bereits das Tätigwerden der Behörde zur Vorbereitung eines Verwaltungsaktes Teil des Verwaltungs­verfahrens.

[18] Merten, § 17 SGB I, in: Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm u. a. (Hrsg.), Beck´scher Online Kommentar Sozialrecht, Rn. 12.

[19] Vgl. Ebd., Rn. 2.

[20] Vgl. LSG Hessen v. 09.09.2011, AZ L 7 SO 190/11 B ER; Von einer Ermessenreduktion auf Null spricht man, wenn der Ermessensspielraum der Verwaltung so weit verringert ist, dass nur noch eine Entscheidung rechtsfehlerfrei möglich ist.

[21] Vgl. Merten, § 17 SGB I, in: Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm u. a. (Hrsg.), Beck´scher Online Kommentar Sozialrecht, Rn. 10; Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch wurde vom Bundessozialgericht entwickelt und dient dazu, einen Schaden, der Leistungsberechtigten durch eine Fehlberatung entstanden ist, zu kompensieren bzw. zu begrenzen.

[22] Eine Beratung von Amts wegen, welche oft auch als Spontaninformation benannt wird; vertiefend: Knecht, § 14, in: Becker/Hauck/Haines u. a. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch SGB I, Rn. 15.

[23] Vgl. Neumann, § 17, in: Krahmer/Berlit (Hrsg.), Sozialgesetzbuch I, allgemeiner Teil, RN 10; 15.

[24] Merten, § 17 SGB I, in: Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm u. a. (Hrsg.), Beck´scher Online Kommentar Sozialrecht, RN 1.

[25] Vgl. BT-Drs. 7/868, S. 26.

[26] Ritz, Einl.BGG, in: Jung/Cramer/Fuchs u. a. (Hrsg.), SGB IX – Kommentar zum Recht schwerbehinderter Menschen und Erläuterungen zum AGG und BGG, Rn. 5.

[27] Ebd., Rn. 6.

[28] Vgl. Welti, in: Welke (Hrsg.), UN-Behinderten­rechtskonvention mit rechtlichen Erläuterungen, 2012, S. 131, Rn. 17.

[29] Vgl. Welti, in: Welti (Hrsg.), Rechtliche Instrumente zur Durchsetzung von Barrierefreiheit, 2013, S. 29, der sich hier auf ein Urteil über die Standvergabe auf einem Weihnachtsmarkt bezieht (vgl. OVG Lüneburg v. 16.05.2012, AZ 7 LB 52/11).

[30] Vgl. Knecht, § 17, in: Becker/Hauck/Haines u. a. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch SGB I, Rn. 6, ebenso Seewald, § 17 SGB I, in: Leitherer/ Niesel/ Funk (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Rn. 11.


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