30.04.2021 D: Konzepte und Politik Schachler, Schreiner: Beitrag D21-2021

Finanzierungspraktiken der Werkstattratsarbeit – Ergebnisse einer bundesweiten Fragebogenerhebung an WfbM

Im Zuge des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wurde die 2001 in Kraft getretene Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) erstmalig reformiert. U. a. wurden Mitbestimmungsrechte für Werkstatträte eingeführt und deren Arbeitsressourcen gestärkt. Die finanziellen Mittel für die Werkstattratsarbeit sind von den Werkstätten bereit zu stellen, wobei die Werkstätten dafür im Rahmen der werkstattnotwendigen Kosten einen Vergütungsanspruch gegenüber den zuständigen Rehabilitationsträgern haben.

In ihrem Beitrag widmen sich Viviane Schachler von der Hochschule Fulda und Jun. Prof. Dr. Mario Schreiner von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg der Finanzierung der Werkstattratsarbeit in einzelnen WfbM und stellen Ergebnisse ihrer im Herbst 2019 durchgeführten quantitativen Befragung vor. Während die Finanzierungsregelungen auf Bundes- und Landesebene transparent sind, gilt dies nicht für die Werkstattratsarbeit vor Ort. In den meisten Bundesländern findet sich eine pauschale Finanzierung der Werkstatträte. In rund einem Drittel der befragten WfbM wurde noch keine eigene Kostenstelle für den Werkstatt eingerichtet. Aus der Befragung geht hervor, dass die angenommenen Vergütungssätze oftmals unterschritten werden und die Finanzierung der Werkstattratsarbeit insgesamt noch nicht zufriedenstellend geregelt ist.

(Zitiervorschlag: Schachler, Schreiner: Finanzierungspraktiken der Werkstattratsarbeit – Ergebnisse einer bundesweiten Fragebogenerhebung an WfbM; Beitrag D21-2021 unter www.reha-recht.de; 30.04.2021)

I. Einführung

Im Zuge des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wurden die Rechte von Werkstatträten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) um verbindliche Mitbestimmungsrechte erweitert und deren Arbeitsressourcen gestärkt, u. a. in Form verbesserter Schulungs- und Freistellungsmöglichkeiten und erhöhter Mitgliederzahlen der Werkstatträte in großen WfbM. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 5.September 2016 zum BTHG ist eine Angabe zur Höhe der Vergütungssätze für die Arbeit von Werkstatträten enthalten. Diese sieht zukünftig eine Steigerung der Vergütung, resultierend aus wachsenden Aufgaben, vor. Die Ressourcenfrage, d. h. eine ausreichende Finanzierung der Arbeit, ist für Interessenvertretungen ein wesentlicher Faktor, der beeinflusst, inwieweit eine Aufgabenwahrnehmung gelingt und sachgerecht erfolgen kann. Der vorliegende Beitrag widmet sich der Finanzierung der Werkstattratsarbeit in den einzelnen WfbM und zeigt anhand quantitativer Befragungsergebnisse auf, dass die angenommenen Vergütungssätze oftmals unterschritten werden und die Finanzierung der Arbeit von Werkstatträten rund 20 Jahre nach Einführung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) noch nicht zufriedenstellend geregelt ist.

II. Lokale Werkstattratsarbeit: Wer trägt die Kosten?

Im Arbeitsbereich der WfbM haben die Beschäftigten mit Behinderungen (Werkstattbeschäftigte) einen arbeitnehmerähnlichen Status inne, was zu einer besonderen Form der Interessenvertretung in WfbM führt. Anstelle von Betriebsräten, einer Mitarbeitervertretung oder Personalräten werden hier Werkstatträte gewählt.[1] Die Grundlagen der Gremienarbeit und die Befugnisse der Werkstatträte sind in der WMVO geregelt, die 2001 in Kraft getreten ist. Im Zuge des BTHG erfolgte die erste Reform der WMVO. Im Sinne der Partizipation von Menschen mit Behinderungen wurden Mitbestimmungsrechte für Werkstatträte eingeführt und deren Arbeitsressourcen gestärkt. Um diese Neuerungen – wie bspw. den erhöhten Schulungsanspruch und verbesserte Freistellungsmöglichkeiten – zu finanzieren, wurde von einer künftigen Steigerung der Kostensätze der Werkstattratsarbeit ausgegangen.[2] Die im Zuge der Werkstattratsarbeit entstehenden Kosten und Sachaufwendungen trägt nach § 39 Abs. 1 WMVO die Werkstatt. Dazu gehören mindestens die Kosten zur Teilnahme der Werkstattratsmitglieder an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die Kosten für überregionale Interessenvertretungen, Räume, Sachmittel, eine Bürokraft und eine tätigkeitsunterstützende Vertrauensperson.[3] Bernzen, Dittmar, Ertl und Veit (2020) führen u. a. auch die Kosten von Beratungen, von möglichen Rechtsstreitigkeiten und Anwaltskosten auf, sofern diese für Werkstatträte erforderlich sind.[4] Die Werkstätten haben für diese Kosten wiederum einen Vergütungsanspruch gegenüber den zuständigen Rehabilitationsträgern. Sie gehören zu den werkstattnotwendigen Kosten[5] und sind bei den Vergütungsvereinbarungen für die Leistungen in WfbM zu berücksichtigen.[6] Rahmenverträge in den Ländern dienen als Grundlage für die Vereinbarungen zur Finanzierung der Werkstatträte.

In dem Gesetzentwurf wurde davon ausgegangen, dass für die „Arbeit der Werkstatträte in den Einrichtungen (…) in den Tageskostensätzen rechnerisch etwa 0,50 € je Tag/Beschäftigten enthalten“[7] sind, wobei sich diese Angabe auf die Werkstattratsarbeit ohne Berücksichtigung der Neuerungen der reformierten WMVO bezog. Nach Ansicht der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM) sind mit dieser Angabe alle drei Kostenebenen der Werkstattratsarbeit gemeint: die örtliche Ebene in den Einrichtungen, die Landes- und die Bundesebene.[8]

Für die Interessenvertretung der Werkstatträte auf Bundesebene wurde 2020 eine klare und transparente Finanzierungsregelung gefunden und in § 39 Abs. 4 WMVO ergänzt. Die Finanzierung liegt derzeit bei 1,60 € pro Jahr für jeden Werkstattbeschäftigten bzw. > 0,01 € pro Tag und Werkstattbeschäftigten und wird von den zuständigen Trägern direkt an Werkstatträte Deutschland überwiesen.

Auch die Kosten für die Landesebene der Werkstatträte fallen bei der rechnerischen Summe von 0,50 € kaum ins Gewicht. In Bayern werden die Kosten für die Vertretung auf Landesebene, für die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte bspw. mit 0,01176 € täglich bzw. 4,30 € jährlich pro Werkstattbeschäftigten beziffert.[9]

Intransparent ist hingegen die Finanzierung der Werkstattratsarbeit vor Ort. In öffentlich zugänglichen Dokumenten und der Literatur finden sich nur für einige Bundesländer klare Anhaltspunkte zu den Kostensätzen bzw. zur Finanzierung der Werkstattratsarbeit vor Ort. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Kostensätze entweder anhand festgelegter landeseinheitlicher Kostensätze[10] gezahlt oder mittels einer an der Werkstattbelegung orientierten Berechnungsgrundlage[11] errechnet werden. Darüber hinaus gibt es noch die Variante, dass Werkstätten, ausgehend vom aktuellen Bedarf, mit dem Kostenträger die notwendige Finanzierung verhandeln.[12]

Genauere Informationen sind durch die unterschiedlichen Finanzierungspraktiken in den Bundesländern, die Kommunalisierung der Eingliederungshilfe in einigen Ländern und durch die wenig transparente Informationspolitik erschwert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Finanzierung der Werkstattratsarbeit unter Verdacht steht, dass hier „gemauschelt“ oder „gesaubeutelt“ wird, wie dies Mitglieder einer Gruppendiskussion zur Werkstattratsarbeit formulierten,[13] wenn Werkstattratsmitglieder benötigte Sachkosten und Unterstützungsleistungen nicht bekommen. Insbesondere berichten Werkstattratsmitglieder, Vertrauenspersonen und Werkstattleitungen von sehr auffälligen Unterschieden in der Ausstattung der Werkstattratsarbeit zwischen einzelnen WfbM und von großen Abweichungen im Finanzvolumen zwischen den Bundesländern. So würden einige Werkstattleitungen ihren Werkstatträten recht willkürlich Kosten genehmigen oder eben nicht, die tatsächlichen Zuwendungen nicht klar ausweisen oder sie hätten es mitunter in der Vergangenheit sogar versäumt, die Vergütung der Werkstattratsarbeit bei den Rehabilitationsträgern einzufordern bzw. würden erst verspätet damit beginnen (ebd., S. 4f.). Um diesen Hinweisen nachzugehen und die Finanzierungspraktiken der örtlichen Werkstattratsarbeit zu erhellen, wurden diese im Rahmen einer bundesweiten quantitativen Fragebogenerhebung untersucht. Der vorliegende Beitrag stellt ausgewählte Ergebnisse vor.

III. Durchführung der Erhebung

Die quantitative Untersuchung zur Finanzierung der Werkstattratsarbeit in den WfbM wurde im Rahmen des Projektes „Partizipatives Monitoring der aktuellen Entwicklung des Rehabilitations- und Teilhaberechts bis 2021“ (Standort Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Gudrun Wansing) in Kooperation mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Jun.-Prof. Dr. Mario Schreiner) durchgeführt. Die Erhebung erfolgte im Zuge von bundesweiten Befragungen zur Arbeit von Werkstatträten (Dissertationsprojekt von Viviane Schachler) in den Monaten September – Oktober 2019. Angeschrieben wurden die Werkstattleitungen/Geschäftsführungen aller 733 anerkannten WfbM nach dem Werkstättenverzeichnis.[14] Erzielt wurde ein Erhebungsrücklauf von 19 % (140 Fragebögen), ein im Vergleich mit anderen Studien zur WfbM[15] niedriges Ergebnis, das im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Träger im Hinblick auf die Umsetzung des BTHG sowie darauf bezogener zeitgleicher Befragungen zu sehen ist. Die Erhebungsbeteiligung der Werkstätten ist mit Blick auf die Bundesländer unterschiedlich stark ausgeprägt, sie variiert von 7 % (Thüringen) bis zu 29 % (Bayern). Bezogen auf die Bundesländer liegen somit keine repräsentativen Daten vor. Dennoch ist mit 140 Fragebogen eine ausreichende Fallzahl gegeben, um die Finanzierungsthematik zu beleuchten. Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse vorgestellt. Der vollständige Bericht zur „Befragung von Werkstattleitungen zur Finanzierung der Arbeit der Werkstatträte in den Werkstätten sowie zur Einführung von Frauenbeauftragten im Zuge der reformierten Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO)“ kann in Kürze online eingesehen werden.[16]

IV. Empirische Ergebnisse

1. Pauschale Finanzierung der Werkstattratsarbeit

In der Untersuchung wurde gefragt, ob die Werkstatt mit dem Träger der Eingliederungshilfe feste pauschale Vergütungssätze pro Tag/Beschäftigten zur Finanzierung der Werkstattratsarbeit vereinbart hat.[17] Die Verteilung der gültigen Antworten ist in Diagramm 1 dargestellt. Etwas mehr als die Hälfte gibt an, dass eine pauschale Finanzierung vereinbart ist, womit die Kosten für den Werkstattrat abgegolten werden. Knapp ein Viertel verneint die Frage und bei rund einem weiteren Viertel der Befragten ist eine gemeinsame pauschale Finanzierung der Werkstattratsarbeit und der Frauenbeauftragten gegeben.

Diagramm 1: Pauschale Finanzierung der Werkstattratsarbeit (Angaben von 120 Werkstätten)

In Tabelle 1 ist die Finanzierungsart nach Bundesländern bzw. Ländergruppen dargestellt. Um Unterschiede in der Tabelle leichter erfassen zu können, ausreichend große Gruppen zu vergleichen und die Anonymität der Werkstätten in Bremen und Hamburg zu wahren, sind einige Bundesländer nach ihrer geografischen Lage zu Ländergruppen zusammengefasst.

Tabelle 1: Pauschale Finanzierung der Werkstattratsarbeit nach Bundesländern (Angaben von 119 Werkstätten)

 

Ja

Nein

Gemeinsamer Kostensatz

n

Baden-Württemberg

0 %

84 %

16 %

19

Bayern

73 %

0 %

27 %

30

Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-V., Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen

44 %

9 %

48 %

23

Niedersachsen/Bremen/Hamburg

46 %

46 %

8 %

13

NRW

82 %

9 %

9 %

11

Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen

71 %

14 %

14 %

14

Schleswig-Holstein

89 %

11 %

0 %

9


Mit Blick auf die Bundesländer lässt sich feststellen, dass bei den vorhandenen Angaben in Baden-Württemberg der Werkstattrat nicht mit einer eigenständigen Pauschale finanziert wird. In Bayern sind demgegenüber ausschließlich Pauschalen vereinbart. Es lässt sich festhalten, dass in den Bundesländern mehrheitlich die pauschale Finanzierung des Werkstattrates vorzufinden ist. Mit Ausnahme von Schleswig-Holstein gibt es in den Bundesländern/Ländergruppen auch Werkstätten, die für Werkstattrat und Frauenbeauftragte einen gemeinsamen Kostensatz erhalten. In der Ländergruppe Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist dieser Anteil besonders hoch.

2. Höhe des Vergütungssatzes für den Werkstattrat

Von 43 Werkstätten liegen Angaben zur genauen Höhe der pauschalen Vergütung der Kosten für den Werkstattrat pro Tag und Beschäftigten vor. Diese reichen von minimal 0,10 € bis zu maximal 1,23 €. Im Mittel werden 0,41 € erreicht.[18] Die meisten Angaben liegen zwischen 0,30 € bis 0,60 € (siehe Diagramm 2).

Diagramm 2: Höhe des Vergütungssatzes für den Werkstattrat (in € je Tag/Beschäftigten, Angaben von 43 Werkstätten)

Sowohl der Minimal- als auch der Maximalwert werden in Bayern erreicht. Dies entspricht der dort gängigen dynamischen Finanzierungslogik, die mit der Anzahl der Plätze in einer WfbM zusammenhängt. Nach der „Kostenberechnung der Vergütung für die Vertretung der Beschäftigten auf Werkstattebene“ (Werkstatträte) der Landesentgeltkommission werden dort geringe Sätze – pro werkstattbeschäftigter Person – bei Werkstätten mit einer hohen Belegungszahl und hohe Sätze bei kleinen Werkstätten, mit wenigen Plätzen erreicht.[19] Beide Angaben sind demgemäß plausibel.

Bei den genannten pauschalen Angaben ist zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung der Tagessätze unterschiedlich verfahren werden kann. Nach den Befragungsergebnissen werden die Vergütungssätze pro Tag/Beschäftigten am häufigsten mit Kalendertagen (365 Tage pro Jahr) berechnet, worauf 25 von 41 Werkstätten (61 %) verweisen. Neun WfbM (22 %) geben demgegenüber eine Abrechnung mit Betreuungstagen nach genauer Anwesenheitsdokumentation an.

3. Gemeinsame Vergütungssätze mit der Frauenbeauftragten

Für 27 Werkstätten (23 %) wurde in der Befragung eine gemeinsame pauschale Vergütung der Kosten der Werkstattratsarbeit und der Frauenbeauftragten angegeben. Hierzu liegen neun genaue Vergütungssätze vor, die von 0,19 € bis 1,08 € je Tag/Beschäftigten reichen.[20] Eine Leitung benennt, dass ab 2022 ein Kostensatz von 0,50 € geplant ist.

Der Mittelwert der Angaben zur gemeinsamen Finanzierung von Werkstattrat und Frauenbeauftragten liegt mit 0,52 € über dem Mittelwert der singulären Vergütung der Werkstattratsarbeit von 0,41 €.[21] Allerdings bleibt dieser Wert hinter den im Vorfeld des Bundesteilhabegesetzes genannten Beträgen von 0,50 € je Tag/Werkstattbeschäftigten für die Werkstattrastarbeit sowie „von 0,40 Euro je Tag/weiblichen Beschäftigten“[22] – für die Arbeit der Frauenbeauftragten – zurück.

4. Andere Finanzierungsformen der Kosten für den Werkstattrat

Die Werkstätten, in denen die Kosten des Werkstattrates nicht pauschal finanziert werden, wurden darum gebeten, die Finanzierungsform in eigenen Worten zu erklären. Hierzu liegen 24 Antworten vor. Zumeist wird auf eigene Mittel verwiesen, wobei weitgehend unklar bleibt, ob damit die von den Rehabilitationsträgern geleisteten Kostensätze der werkstattnotwendigen Kosten gemeint sind oder nicht. Vereinzelt wird klar benannt, dass die Kosten aus dem Arbeitsergebnis stammen oder salopp formuliert „rausgeschwitzt“ werden, wie es eine befragte Person formuliert. Hier stellt sich die Frage, ob Rechtswidrigkeiten vorliegen oder die Befragten mit der Finanzierungssystematik nicht so gut vertraut sind, dass sie dies frei erläutern können. Nach den Vorgaben der Werkstättenverordnung (WVO) darf das Arbeitsergebnis der Werkstatt für die Werkstattratsarbeit nicht herangezogen werden. Die Finanzierung der Arbeit der Werkstatträte aus erwirtschafteten Erlösen ist gemäß § 12 WVO nicht vorgesehen. Werkstattratsarbeit zählt zu den Leistungen in WfbM, für die Werkstätten „vom zuständigen Rehabilitationsträger angemessene Vergütungen“ (§ 58 Abs. 3 SGB IX) erhalten müssen.

5. Erhöhung der Vergütung

Unabhängig von der zuvor angegebenen Finanzierungsart des Werkstattrats folgte im Anschluss die Frage „Wurde für Ihre WfbM seit Januar 2017 die Vergütung zur Finanzierung der Arbeit des Werkstattrats durch den Träger der Eingliederungshilfe erhöht?“. Bezogen auf die gültigen Antworten (d. h. ohne „weiß nicht“ Angaben) hatte zum Erhebungszeitpunkt im Herbst 2019 in der Hälfte der WfbM eine Erhöhung der Vergütung stattgefunden (siehe Diagramm 3). Bei 9 % der Werkstätten hatten zum Zeitpunkt der Befragung Verhandlungen zur Erhöhung der Vergütung begonnen. 16 % gaben an, dass es erfolglose Verhandlungen gegeben hat.

Diagramm 3: Status der Finanzierung zum Zeitpunkt Herbst 2019 (Angaben von 102 Werkstätten)

6. Eingerichtete Kostenstelle für den Werkstattrat

Um zu erfahren, wie die Finanzierung der Werkstattratsarbeit intern ausgestaltet wird, wurde erfragt, ob in der Werkstatt eine eigene Kostenstelle für den Werkstattrat eingerichtet ist. Dies ist in mehr als der Hälfte der Werkstätten der Fall. Bei weiteren 18 % der Befragten teilen sich Werkstattrat und Frauenbeauftragte eine gemeinsame Kostenstelle. In knapp 30 % der Werkstätten hat der Werkstattrat keine eigene Kostenstelle (siehe Diagramm 4).

Diagramm 4: Eingerichtete Kostenstelle für den Werkstattrat (Angaben von 129 WfbM)

V. Fazit

Die Befragungsergebnisse liefern erste Erkenntnisse zur Finanzierung der Kosten und des Sachaufwandes des Werkstattrats sowie zur internen Kostenregelung. Ungeklärt bleibt im Rahmen der quantitativen Befragung, welche Gründe sich hinter abgelehnten Erhöhungen verbergen und wie die internen Kostenaushandlungen zwischen Werkstattrat und Werkstattleitung aus der Perspektive der Werkstattratsmitglieder verlaufen. Diese und weitere Fragen könnten mittels weiterer Studien untersucht werden. Festhalten lässt sich Folgendes:

  • Bei einem Großteil der befragten WfbM – rund drei Viertel – ist die Finanzierung der Arbeit der Werkstatträte über pauschale Kostensätze pro Tag/Beschäftigten geregelt, entweder über eine eigene Pauschale oder über eine gemeinsame Pauschale mit der Frauenbeauftragten. Eigene Pauschalen sind gängiger, wobei Unterschiede zwischen den Bundesländern vorliegen.
  • In der Höhe der Vergütungssätze für den Werkstattrat pro Tag/Werkstattbeschäftigten liegen sehr große Unterschiede vor. Lediglich in 12 von 43 WfbM (28%) beträgt diese 0,50 € je Tag/Beschäftigten oder mehr. Die angenommene rechnerische Höhe wird in vielen Werkstätten deutlich unterschritten und die angedachte Steigerung der Sätze hatte sich zum Befragungszeitpunkt noch nicht etabliert.
  • Lediglich bei knapp der Hälfte der Befragten hatte im Herbst 2019 bereits eine Erhöhung der Vergütung der Werkstattratsarbeit stattgefunden, obwohl die Neuregelungen der WMVO bereits Anfang 2017 in Kraft getreten sind.
  • In rund ein Drittel der WfbM besteht noch keine eigene Kostenstelle für den Werkstattrat.

Bereits im Jahr 2004 wurde eine noch unklare Finanzierungspraxis der Sachkosten des Werkstattrats, der Freistellungen der vorsitzenden Personen sowie der Vertrauenspersonen festgestellt.[23] Zum 20-jährigen Jubiläum der WMVO lässt sich diese Feststellung auf der Basis der dargestellten Daten erneuern. Damit flächendeckend sichergestellt ist, dass Werkstatträte ihre Aufgaben vor Ort in den WfbM und das erweiterte Aufgabenspektrum wahrnehmen können, braucht es eine kostendeckende und verbindliche Finanzierung ihrer Arbeit sowie eine klare und transparente Umsetzung der Regelungen. Sowohl die Rehabilitationsträger als auch die Werkstätten sind hierzu gefragt, entsprechende Finanzierungsstrukturen zu etablieren und diese in den werkstattnotwendigen Kosten auszuweisen sowie gegenüber den Werkstatträten transparent darzulegen. Werkstatträten ist demgegenüber zu empfehlen, in den Kostenfragen ihrer Arbeit auf eine offen kommunizierte und klare Umsetzungspraxis zu beharren und eigene Kostenstellen für ihr Amt einzufordern.

Literatur

Bernzen, C., Dittmar, A., Ertl, K. & Veit, C. (2020): Werkstättenmitwirkungsverordnung. Kommentar für die Praxis. Mit Erläuterungen in einfacher Sprache. Marburg.

Bieneck, A. & Engelmeyer, E. (2004): Werktattrat MitWirkung. Abschlussbericht des Projektes „Entwicklung einer Fortbildungskonzeption für Werkstatträte in Werkstätten für behinderte Menschen“. Marburg.

Bundesagentur für Arbeit. (2019). Verzeichnis anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen. Online verfügbar: https://con.arbeitsagentur.de/prod/apok/ct/dam/download/documents/dok_ba015706.pdf; zuletzt abgerufen am 18.01.2021.

Schachler, V. (2018): Die Umsetzung der reformierten Werkstätten-Mitwirkungsverordnung aus Sicht der Beteiligten. Ergebnisse aus Gruppendiskussionen – Teil I; Fachbeitrag B6-2018 unter www.reha-recht.de; 18.10.2018.

Schachler, V. & Schreiner, M. (2017): Mitbestimmung light? Die Reform der Werkstätten- Mitwirkungsverordnung durch das Bundesteilhabegesetz – Teil I: Mitbestimmungsrechte und Ressourcenstärkung; Fachbeitrag B2-2017 unter www.reha-recht.de; 26.04.2017.

Sommer, J., Gericke, T., Fischer, B. & Estal del, M. (2015). Rahmenbedingungen für den Übergang aus Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Untersuchung der Beschäftigungssituation in WfbM im Land Brandenburg. Online verfügbar: http://interval-berlin.de/documents/InterVal,%20Gericke_Juni%202015_Brandenburger%20WfbM-Studie.pdf, zuletzt abgerufen am 28.04.2021.

Beitrag von Jun.-Prof. Dr. Mario Schreiner, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Viviane Schachler, Hochschule Fulda

Fußnoten

[1] Zur genaueren Darstellung siehe Schachler & Schreiner, 2017, S. 1.

[2] „Die Gesamtkosten durch die Einführung von Frauenbeauftragten, die Erhöhung der Zahl der Mitglieder der Werkstatträte in WfbM mit mehr als 700 Beschäftigten, einen erweiterten Schulungsanspruch sowie durch die Finanzierung der überregionalen Interessenvertretungen der Werkstatträte betragen rund 20 Millionen Euro.“ (Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 214).

[3] § 39 Abs. 1 bis 3 WMVO.

[4] Bernzen et al. (2020), S. 209f.

[5] § 58 Abs. 2 SGB IX.

[6] Bernzen et al., 2020, S. 211.

[7] Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 214.

[8] So K. Fischer am 21.05.2019 in einer Online-Diskussion des Projekts „Partizipatives Monitoring der aktuellen Entwicklungen des Rehabilitations- und Teilhaberechts“ zum Thema „Mitbestimmung in WfbM gestalten“, nachzulesen unter: https://fma.reha-recht.de/index.php/Thread/682-Finanzierung-der-Werkstattratsarbeit-auf-verschiedenen-Ebenen/, zuletzt abgerufen am 12.02.2021.

[9] Nachzulesen unter: https://www.lagoefw.de/fileadmin/redakteure/Landesentgelt/Formblaetter/II.2_Kostenberechnung_Werkstattraete_Landesebene_2018-01-16.xlsx, zuletzt abgerufen am 12.02.2021.

[10] Beispielsweise in Westfalen-Lippe, nachzulesen unter: www.werkstattrat-nrw.de/mediapool/53/533445/data/LWL_Rotes_Papier_Verguetungssaetze_.pdf, zuletzt abgerufen am 12.02.2021.

[11] Beispielsweise in Bayern, nachzulesen unter: https://www.lagoefw.de/fileadmin/redakteure/Landesentgelt/Formblaetter/II.2_Kostenberechnung_Werkstattraete_Werkstaetten_2018-01-16.xlsx, zuletzt abgerufen am 12.02.2021.

[12] Beispielsweise in Hessen durch den Landesrahmenvertrag nach § 131 SGB IX (https://docplayer.org/186560035-Hessischer-rahmenvertrag-nach-131-sgb-ix.html, zuletzt abgerufen am 16.02.2021) in Kombination mit diversen Anlagen.

[13] Schachler, 2019, S. 4.

[14] Bundesagentur für Arbeit, 2019.

[15] Z. B. Sommer et al., 2015, S. 18.

[16] In Kürze unter Reha-Recht.de.

[17] Frageformulierung: „Die Kosten für den Werkstattrat werden in einigen WfbM mit einer Pauschale pro Tag/Beschäftigten abgegolten. Wie ist das bei Ihnen, sind für Ihre WfbM mit dem Träger der Eingliederungshilfe feste pauschale Kostensätze pro Tag/Beschäftigten zur Finanzierung der Werkstattratsarbeit vereinbart? (Gemeint sind die entstehenden Kosten nach § 39 WMVO / CWMO bzw. § 46 DWMV)“.

[18] SD = 0,19 €; Median = 0,40 €.

[19] Siehe Fußnote 12

[20] Die Antwortoption „weiß nicht“ wird bei der Frage nach der genauen Höhe des gemeinsamen Vergütungssatzes pro Tag und belegtem Werkstattplatz von 17 Personen gewählt. Mögliche Ursachen für das ausweichende Antwortverhalten können hier und an anderen Stellen der Befragung darin liegen, dass die Befragten die spezifische Frage nicht ad hoc beantworten können, das Prüfen des genauen Betrags umständlich erscheint, die Befragten mit den Finanzierungsdetails gar nicht vertraut sind oder auf die sensible Frage nach der Finanzierung keine Antwort geben möchten.

[21] SD = 0,29 €; Median = 0,44 €.

[22] Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 214.

[23] Bieneck und Engelmeyer (2004), S. 25 ff.


Stichwörter:

Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Interessenvertretung, Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO), Studie, Werkstattrat, Finanzierung, Mitbestimmung, Partizipation, Vergütung, Frauenbeauftragte


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