03.12.2019 D: Konzepte und Politik Mehrhoff/Becker: Beitrag D24-2019
Barrierefreiheit in Unternehmen der Privatwirtschaft – eine internationale Studie der DGUV
In dem vorliegenden Beitrag fassen Dr. Friedrich Mehrhoff und Marlon Becker von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) die wesentlichen Ergebnisse einer 2018 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beauftragten und bis zum 31.10.2019 durchgeführten Studie zur Barrierefreiheit in Unternehmen der Privatwirtschaft zusammen.
Ziel der Studie war es, anhand von Best-Practice-Beispielen im internationalen Raum Empfehlungen zu entwickeln, um den Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen in Deutschland nach den Vorgaben der UN-BRK zugänglicher zu gestalten. Damit mehr Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt teilhaben können, sei es unerlässlich, barrierefreie Arbeitsbedingung in Unternehmen bereits von Anfang an zu schaffen und nicht erst, wenn sie für Mitarbeitende im Einzelfall erforderlich werden. Als Faktoren für die Umsetzung werden zunächst die Bewusstseinsbildung auf Management- und Mitarbeiterebene sowie die Einbindung der Themen Barrierefreiheit und Inklusion in die übergeordneten Unternehmensstrategien beschrieben. Weiter habe das Forschungsprojekt gezeigt, dass Unternehmen bei der Herstellung von Barrierefreiheit nicht alleine gelassen werden dürfen. Daher sollten anlassunabhängige Beratungsangebote ausgebaut und es sollte zudem über die Einführung von positiven Anreizsystemen für Unternehmen nachgedacht werden.
(Zitiervorschlag: Mehrhoff/Becker: Barrierefreiheit in Unternehmen der Privatwirtschaft – Eine internationale Studie der DGUV; Beitrag D24-2019 unter www.reha-recht.de; 03.12.2019)
I. Einleitung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte im Jahr 2018 eine internationale Studie in Auftrag gegeben, die aus dem Ausgleichfonds der Arbeitgeber nach § 161 SGB IX finanziert wurde. Die Studie ist Bestandteil des Nationalen Aktionsplanes 2.0 der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)[1] und wurde von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Berlin in der Zeit vom 01. März 2018 bis 31. Oktober 2019 (20 Monate) durchgeführt. Dort ist das Sachgebiet Barrierefreiheit aller Unfallversicherungsträger angesiedelt.
Im Folgenden werden die Empfehlungen für Deutschland zusammengefasst, die in dem seit Ende 2019 vorliegenden Abschlussbericht[2] stehen, wo auch die zwölf besten gefundenen Beispiele erklärt und bewertet sind. Denn das Ziel der Studie war es nicht, ausländische Unternehmen und Systeme miteinander zu vergleichen, sondern gute Beispiele im Ausland zu identifizieren, die Barrieren in Unternehmen der Privatwirtschaft in Deutschland abbauen und dadurch den Zugang von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern.
II. Vorsorgliche Barrierefreiheit
In die Barrierefreiheit der Unternehmen der Privatwirtschaft wird in Deutschland[3], so wie in vielen anderen Ländern, in der Regel erst dann investiert, wenn ein Mensch mit Schwerbehinderung beschäftigt bzw. weiterbeschäftigt werden soll – also anlassbezogen, weil in der Regel auch erst dann die finanzielle Unterstützung, etwa der Sozialversicherungsträger oder der Integrationsämter, einsetzt. Ziel sollte jedoch ein präventiver Ansatz sein, der Barrierefreiheit, genau wie seit Jahrzehnten in Deutschland die Arbeitssicherheit und der betriebliche Gesundheitsschutz, zur Selbstverständlichkeit im betrieblichen Alltag macht. Unter vorsorglicher bzw. genereller Barrierefreiheit wird die Implementierung des „Universal Designs“ gem. Art. 2 UN-BRK verstanden,[4] indem die Planungen von Gebäuden, Dienstleistungen und Kommunikationsmitteln von Anfang an, also präventiv, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung, egal welcher Art, berücksichtigen, so dass Barrieren im Sinne des Art. 9 UN-BRK (Zugänglichkeit) erst gar nicht entstehen.
Im Laufe der Studie hat sich gezeigt, dass die Unternehmen, die sich über den konkreten Einzelfall hinaus und zudem auch noch weltweit – wie etwa Shell[5] – durch systematische Arbeitsplatzanpassungen um Barrierefreiheit bemühen, die besten Beispiele liefern. Insbesondere durch die Richtlinie der Europäischen Union, dem „European Accessibility Act“[6], wird der politische Druck in den nächsten Jahren auch in Deutschland zunehmen, Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft vorsorglich umzusetzen. Dazu bedarf es dringend einer Strategie von staatlichen Anreizen und Initiativen sowohl vom Bund als auch von den Ländern und Gemeinden. Inklusionspläne von Städten und Gemeinden vernachlässigen bisher noch zu sehr die Barrierefreiheit in der Arbeitswelt, gerade im privaten Sektor, obwohl der Bedarf an nahtlosen Übergängen von inklusiver Schule in den allgemeinen Arbeitsmarkt schon jetzt absehbar ist. Im Verlauf der Studie wurden aufschlussreiche Expertisen eingeholt, die einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft in Deutschland und in ausgewählten Ländern weltweit geben.
III. Bewusstseinsbildung
Einen Erfolgsfaktor gilt es indes unabhängig von staatlicher Unterstützung der Privatwirtschaft zu beachten: Die Überzeugung und die Unterstützung des Top-Managements in den Betrieben sind unerlässlich. Sollte das Verständnis auf Management-Ebene für eine barrierefreie Arbeitsumgebung nicht vorhanden sein, ist es nicht möglich, die erforderlichen Mittel in Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die österreichische soziale Unternehmensberatung hat z. B. die myAbility-Lounge ins Leben gerufen, die Top-Manager als Zielgruppe definiert. In einem geschützten Rahmen, in dem nur Mitglieder und eingeladene Gäste Zugang erhalten, können Sorgen und Bedenken zum Thema Inklusion platziert werden, um gegenseitig von vorhandenen Erfahrungen zu profitieren. Diese Initiative geht über die Auslobung von Inklusionspreisen hinaus. In diesem Zusammenhang sollte auch der Gedanke in der Studie aufgegriffen werden, das Thema der „vorsorglichen Barrierefreiheit“ in die Schulung von Aufsichtsräten einzubeziehen. Des Weiteren sollte aber auch der Nachwuchs bestimmter Berufsgruppen einbezogen werden, indem das Bewusstsein insbesondere bei Architekten, Ingenieuren und Informatikern für Barrierefreiheit in der Arbeitswelt geschärft wird.
Neben der Unterstützung auf Management-Ebene ist gleichermaßen das Verständnis unter den Mitarbeitenden erforderlich, um Fortschritte zu inklusiven Betriebsabläufen nicht zu gefährden. In Russland[7] wird bereits in einigen Betrieben ein interaktives Training angeboten, das durch einen externen Dienstleister durchgeführt wird, um Vorurteile, Unsicherheiten und Ängste in der Wahrnehmung von und im Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu beseitigen. An fünf verschiedenen Stationen, die auf unterschiedliche Behinderungsarten ausgerichtet sind, erhalten die Teilnehmer die Möglichkeit, in den aktiven Dialog mit betroffenen Menschen zu treten. Die Teilnehmer erhalten einen Einblick in die Alltagsgestaltung von Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen.
Capgemini[8] in Polen kooperiert in diesem Zusammenhang mit einer privaten Stiftung, um die vorhandenen Erfahrungswerte von Menschen mit Behinderungen zu nutzen. Des Weiteren werden ausgewählte Beschäftigte bei Capgemini als Multiplikatoren ausgebildet, um den Abbau von Barrieren in den Köpfen der Mitarbeitenden und Führungskräfte dauerhaft zu begleiten. Diese Peer-Ansätze, die vereinzelt bereits in Deutschland vorhanden sind, sollten flächendeckend und systematisch in der Privatwirtschaft umgesetzt werden.
IV. Ganzheitliche Strukturen
Der systematische Abbau von Barrieren in Unternehmen lässt sich nicht mithilfe einzelner Initiativen, Kampagnen oder anlassbezogener Maßnahmen verbessern. Es bedarf vielmehr ganzheitlicher Strukturen und klarer Verantwortlichkeiten, um nachhaltige Ressourcen in Unternehmen zu mobilisieren. Themen der Barrierefreiheit und Inklusion müssen in übergeordneten Unternehmensstrategien wie etwa „Diversity-Strategien“ oder „Corporate Social Responsibility (CSR)“ eingebunden werden. In der skandinavischen Hotelkette „Scandic Hotels“[9] wurde eine Stelle als „Director Accessibility“ neu geschaffen und auf Management-Ebene positioniert, um Themen der Barrierefreiheit von Anfang an in Unternehmensentscheidungen mit zu berücksichtigen. Die Implementierung dieses Ansatzes in Deutschland würde eine Weiterentwicklung der Funktionen des Inklusionsbeauftragten in Unternehmen[10] und der Schwerbehindertenvertretung im Sinne des SGB IX[11] in Deutschland bedeuten. Hintergrund solcher Maßnahmen in Unternehmen ist die wirtschaftliche Überlegung, dass gerade im Dienstleistungssektor Menschen mit Behinderungen auch Verbraucher bzw. Kunden sind. Es bedarf nur eines weiteren Anstoßes, um in den Betrieben zu erkennen, dass auch die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu den Wirtschaftsfaktoren zählt.
Ein weiterer ganzheitlicher Ansatz findet sich bei FLEX[12], einem amerikanischen Elektrohersteller, der in China entwickelt und produziert. Die unternehmensinterne Implementierung der UN-Grundsätze der „Sustainable Development Goals (SDG)“[13] wurde auch auf den Bereich Inklusion und Barrierefreiheit ausgedehnt. Auf dieser Grundlage initiiert ein ganzes Team dauerhaft verschiedene Aktivitäten und Kampagnen, um Barrieren im Unternehmen abzubauen und inklusive Beschäftigung zu fördern. Darüber hinaus wurde eine „Werkstatt für Menschen mit Behinderung“ innerhalb des Unternehmens etabliert. Nicht umsonst hat FLEX im Jahre 2019 einen von der Bertelsmann-Stiftung ausgelobten Preis in Shanghai erhalten. Um in Deutschland das Thema Barrierefreiheit als Teil solcher ganzheitlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen zu verbreiten, bedarf es kooperativer Initiativen von Akteuren, etwa der Industrie- und Handelskammern oder der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit, die durch den Ausgleichsfonds[14] finanziell unterstützt werden. Besonders bei der Nutzung der SDG als thematischer Anker der Barrierefreiheit in den Betrieben scheint es in Deutschland noch viel Unwissenheit und Nachholbedarf zu geben.
V. Nachhaltige Begleitung
In Deutschland existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Beratungsangebote für Menschen mit Behinderungen. Die wenigsten konzentrieren sich aber bei der Beratung auf die Barrierefreiheit unter Berücksichtigung der spezifischen betrieblichen Belange und dann meist nur anlassbezogen (s. o.), obwohl die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen ohne vorsorgliche Barrierefreiheit nicht entscheidend gesteigert werden kann. Nahezu gänzlich fehlen Ressourcen und finanzielle Mittel für eine flächendeckende fachliche Begleitung zur Barrierefreiheit, die über die Beratung hinausgeht. Der notwendige Ansatz einer für das Thema der Barrierefreiheit in der privaten Wirtschaft ausgerichteten kompetenten Begleitung zieht sich wie ein roter Faden durch die im Rahmen der Studie gefundenen Beispiele. Unternehmen im Ausland, die Inklusion als Bestandteil der Unternehmensziele definieren, nutzen oftmals externe Beratungsangebote, die den barrierefreien Umgestaltungsprozess nachhaltig begleiten und unterstützen. In der Studie werden Gesetzesänderungen vorgeschlagen, um die Beratungspotenziale vorhandener Stellen in Deutschland auf die Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft auszudehnen.
Hervorzuheben ist auch die Aussage in der Studie, dass sich die Zuständigkeit einer festen Ansprechperson über den Einzelfall hinaus an den Unternehmen ausrichten muss. Bei Shekulo Tov in Israel[15] werden überwiegend Menschen mit psychischen Erkrankungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt eingegliedert. Die betreuten Menschen werden während des gesamten Eingliederungsprozesses und darüber hinaus von ein und demselben Integrationsteam begleitet, das auch dem Arbeitgeber vor Ort als Ansprechkontakt zur Verfügung steht und bei Problemen zusammen mit den betrieblichen Akteuren persönlich interveniert. Diese Konstanz in der Begleitung fördert die Vertrauensbeziehung zwischen den Beschäftigten mit Behinderung und den Arbeitgebern bzw. Mitarbeitenden, so dass Besonderheiten in dem gemeinsam geplanten Vorgehen berücksichtigt werden. Durch dieses „Tandem“ stehen Unternehmen einem für sie in der Regel neuen Handlungsfeld der Inklusion und Barrierefreiheit nicht allein gegenüber, so dass neue Wege in der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen erschlossen werden. Auch diese Erkenntnis sollte in Deutschland aufgegriffen werden.
VI. Anlassunabhängige Beratung
Aus den gefundenen Beispielen in anderen Ländern lässt sich eine weitere innovative Strategie ableiten, die die Unternehmen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Dieser Ansatz wird besonders in den Niederlanden im Rahmen der „Redesign-Methode“[16] deutlich. Eine staatliche, an das Ministerium für Soziales und Beschäftigung angesiedelte Einrichtung führt in den Unternehmen eine Analyse der Arbeitsprozesse durch. Dabei können Tätigkeitsmerkmale identifiziert werden, die anderer Qualifikationen als derer der vorhandenen Beschäftigten bedürfen. Diese Tätigkeitsmerkmale werden in separaten Aufgaben zusammengefasst, wodurch neue Tätigkeitsbereiche für Menschen mit Behinderungen entstehen. Dieser Ansatz einer sozialen Unternehmensberatung, die sich in erster Linie an den Belangen und den Bedürfnissen der Betriebe orientiert, könnte die in Deutschland zumeist auf den individuellen Teilhabebedarf von Menschen mit Behinderungen ausgerichteten Unterstützungsangebote abrunden.
Dieses anlassunabhängige Zugehen auf Betriebe überwindet nicht nur Barrieren in den Köpfen, sondern schafft eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Anpassungen in den Betriebsabläufen bringen neben der Berücksichtigung der Interessen von Menschen mit Behinderungen auch den Unternehmen Vorteile, da Betriebsabläufe, etwa in Gesundheitsbetrieben, optimiert und die Effektivität gesteigert werden. Etablierte Beratungsstellen, wie z. B. Träger der sozialen Sicherung, würden mit diesem unternehmenszentrierten Ansatz nicht mehr nur als soziale „Bittsteller“, sondern als Unterstützer mit wirtschaftlicher Handlungstendenz in den Betrieben auftreten. Voraussetzung hierfür ist die auf diese Unternehmensberatung ausgerichtete Qualifizierung von Berufsgruppen, die bereits in die Beratung von Betrieben und in der Begleitung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben einbezogen sind. Ein Pilotprojekt und dessen Evaluation könnten über den Ausgleichsfonds initiiert und finanziert werden.
VII. Gestaltung von Förderansätzen
Im internationalen Raum haben sich neben der „Bestrafung“ von Unternehmen, die aufgrund der Nichterfüllung einer gesetzlich geforderten Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen eine Ausgleichsabgabe zahlen müssen, positiv wirkende Anreizsysteme entwickelt, die als ergänzende Förderprogramme auch in Deutschland eingeführt werden könnten. Belohnt werden danach Unternehmen, die die vorausschauende Barrierefreiheit (s. o.) als Bestandteil der Unternehmensstrategie einführen wollen oder bereits umsetzen. Bei der Entwicklung solcher über den Einzelfall hinausgehenden Fördermöglichkeiten könnte u. a. auch der Ausgleichsfonds der Finanzierung von Pilotprojekten dienen. Kampagnen sollten sich nicht nur an die Betriebe richten, die bisher noch keine Menschen mit Behinderungen beschäftigen, sondern auch diejenigen unterstützen, die durch präventive Maßnahmen den Nährboden für Beschäftigungserfolge liefern.
Hierbei könnte ein Index helfen, wie er bereits in den USA angewandt wird.[17] Mit einem solchen Index wird der Grad der Barrierefreiheit in Unternehmen gemessen. Ab einem bestimmten Grad, in den USA ab einem Score von 80%, werden Unternehmen als besonders barrierefrei bezeichnet. Barrierefreiheit als Qualitätskriterium könnte auch in Deutschland neue Förderansätze für Unternehmen eröffnen. Neben finanziellen Anreizen, etwa aus dem Ausgleichsfonds, könnte auch die Bereitstellung einer unternehmensspezifischen Beratung und Betreuung (s. o.) attraktiv sein. Die vorhandenen internationalen Bewertungssysteme müssten auf die deutschen Verhältnisse angepasst werden. Hierüber ließen sich auch innovative Zielvereinbarungen zur Herstellung von Barrierefreiheit zwischen Unternehmen und Verbänden von Menschen mit Behinderungen gemäß § 5 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) abschließen und damit dieser wichtigen Vorschrift neues Leben einhauchen.
VIII. Ausblick
Neben den zuvor beschriebenen Empfehlungen lassen sich aus der Studie noch einige weitere Strategien wie etwa die Nutzung technischer Innovationen zum Abbau von Barrieren in der Arbeitswelt ableiten. In der Studie wurde ein Beispiel aus Malaysia[18] aufgenommen, in dem das Arbeiten von zu Hause in den Mittelpunkt des Geschäftskonzeptes gestellt wurde. Alle Mitarbeitenden, überwiegend Menschen mit Behinderungen, arbeiten mithilfe einer virtuellen Arbeitsumgebung von zu Hause, so dass Barrieren in den Arbeitsstätten sowie beschwerliche Arbeitswege der Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten nicht im Weg stehen.
Der Abschlussbericht mit den Anlagen – wie z. B. den rechtlichen Expertisen und den Kurzbeschreibungen der Beispiele – steht voraussichtlich ab Ende 2019 unter www.rehadat.de zur Einsicht zur Verfügung. Rückfragen können auch unter
projekt-barrierefreiheit-bmas@dguv.de oder direkt beim Studienleiter Dr. Friedrich Mehrhoff (drmehrhoff@gmx.de) oder bei Marlon Becker (marlonbecker@web.de) gestellt werden.
Damit die Ergebnisse der Studie auch die vom BMAS erwünschte Wirkung entfalten, sind für die Umsetzung der vielfältigen Ergebnisse und Empfehlungen geeignete Gruppen zu nutzen oder neue Gremien zu schaffen, in denen ein strategisches und prioritäres Vorgehen unter Berücksichtigung vorhandener Ressourcen im Sinne eines Maßnahmenkatalogs zur vorsorglichen (präventiven) Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft entwickelt wird – am besten mit der Unterstützung der Politik, der Sozialpartner und der Verbände der Zivilgesellschaft. Die zur Begleitung der Studie gegründete nationale Beratungsgruppe könnte dabei eine wichtige Rolle spielen, weil die Mitglieder dieser Gruppe als Expertinnen und Experten mit dem Thema Barrierefreiheit in der Arbeitswelt in Deutschland und darüber hinaus vertraut sind.
Ungeachtet der Chance, in Anlehnung an die Ergebnisse der Studie innovative Strukturen für Deutschland anzustoßen, kann die Verbreitung des Abschlussberichts der Studie, vielleicht auch durch diesen Kurzbericht, das Bewusstsein beteiligter Personen im Arbeitsleben der Privatwirtschaft in Deutschland schärfen und gleichzeitig aufzeigen, dass Barrierefreiheit auch für Unternehmen lohnend ist und sich einfacher und preiswerter als generell angenommen realisieren lässt, wenn frühzeitig und mit sachkundigen Kräften passende Lösungen gefunden werden. Die Verantwortlichen aller in der Studie aufgenommenen Beispiele haben sich bereit erklärt, in Deutschland ihre guten Beispiele zu präsentieren, um den weltweiten Dialog zwischen Unternehmen und Gesellschaften im Sinne des Art. 32 UN-BRK zu ermöglichen. Jetzt liegt der Ball im deutschen Spielfeld!
Beitrag von Dr. Friedrich Mehrhoff und Marlon Becker (beide Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung)
Fußnoten
[1] Siehe S. 32 des Nationalen Aktionsplans 2.0, abrufbar unter https://www.gemeinsam-einfach-machen.de/SharedDocs/Downloads/DE/AS/NAP2/NAP2.pdf;jsessionid=FC3017DFEFC0051A0FC5A73DFC7D73C1.1_cid355?__blob=publicationFile&v=3, zuletzt abgerufen am 30.10.2019.
[2] Siehe Abschnitt VIII. Ausblick.
[3] Vgl. § 3a Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung. Siehe dazu: Düwell: Barrierefreie Arbeitsstätten – Änderung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV 2015); Forum B, Beitrag B3-2015 unter www.reha-recht.de; 25.03.2015 und Nebe: Anmerkung zum Diskussionsbeitrag B3-2015 „Barrierefreie Arbeitsstätten – Änderung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV 2015)“ von Franz Josef Düwell; Forum B, Beitrag B4-2015 unter www.reha-recht.de; 27.03.2015.
[4] Zum Universal Design z. B.: Fisseler: Universal Design im Kontext von Hochschule und Hochschulbildung; Forum D, Beitrag D11-2015 unter www.reha-recht.de; 15.04.2015.
[5] Vgl. https://members.businessdisabilityforum.org.uk/resource-category/resource/case-study-shell-introduces-global-workplace-accessibility-capability/, zuletzt abgerufen am 29.10.2019.
[6] Richtlinie (EU) 2019/882 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, siehe dazu: https://www.reha-recht.de/infothek/beitrag/artikel/europaeische-richtlinie-zur-barrierefreiheit-verabschiedet/, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[7] Vgl. www.fond-deystvuy.ru in Russisch, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[8] Vgl. www.moffin.eu/en/win-with-capgemini-1, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[9] Vgl. www.scandichotels.de/immer-bei-scandic/besondere-bedurfnisse, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[10] § 181 SGB IX.
[11] §§ 177 ff. SGB IX.
[12] Vgl. www.flex.com/connect/innovation-sites/zhuhai-china, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[13] „Ziele für eine nachhaltige Entwicklung“, mehr dazu unter https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/ (nicht in deutscher Sprache verfügbar), zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[14] § 161 SGB IX.
[15] Vgl. www.s-tov.org/about/the-integrative-unit-model/, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[16] Vgl. www.inclusievearbeidsorganisatie.org/ in Niederländisch, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[17] Vgl. www.disabilityin.org/what-we-do/disability-equality-index/, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
[18] Genashtim, abrufbar unter www.genashtim.com/, zuletzt abgerufen am 02.12.2019.
Stichwörter:
Barrierefreiheit, Behinderungsgerechter Arbeitsplatz, Unternehmen, Privatwirtschaft, Internationales, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Länder-Vergleichsstudie
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