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Eva Nachtschatt und Diana Ramm befassen sich in diesem Beitrag mit der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23. September 2016 und der Gegenäußerung des Bundestages vom 12. Oktober 2016 bezüglich den im Entwurf vorgesehenen Leistungen zur Teilhabe an Bildung.
Zunächst geben die Autorinnen einen kurzen Überblick über die Hintergründe eines inklusiven Bildungssystems sowie über die geplanten Neuerungen im BTHG-Entwurf, der Leistungen zur Teilhabe an Bildung als neue Leistungsgruppe vorsieht.
Anschließend erfolgt eine Gegenüberstellung der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerungen der Bundesregierung. Der Bundesrat fordert demnach u. a. eine Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit sowie der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung als Träger der Leistungen für Teilhabe an Bildung sowie die Einführung eines „Budgets für Ausbildung“. Zudem solle zur Sicherstellung der freien Schul- oder Hochschulwahl Satz 3 des § 112 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX-E gestrichen werden, und die Teilhabeleistungen auch auf freiwillige Praktika und Auslandsaufenthalte ausgeweitet werden.
(Zitiervorschlag: Nachtschatt/Ramm: Die Leistungen zur Teilhabe an Bildung im Bundesteilhabegesetz: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung; Beitrag D52-2016 unter www.reha-recht.de; 24.11.2016.)
Mit einer frühzeitigen, inklusiven Ausbildung könnten mehr Menschen mit Beeinträchtigung in den ersten Arbeitsmarkt eingebunden werden.[1] In einer Studie des High Commissioner of Human Rights (Thematic Study of the Rights of Persons with Disabilities to Education[2]), wird geschlussfolgert (Schlussfolgerung Nr. 68), dass zum Erreichen der Universalität des Rechts auf Bildung für Menschen mit Behinderungen, die inklusive Bildung von größter Bedeutung ist. Lediglich inklusive Ausbildungssysteme hielten hochwertige Bildungs- und soziale Entwicklungschancen für Menschen mit Beeinträchtigung bereit. Die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen in Regelschulklassen bedeute für diese ein wertschätzendes und ein sie respektierendes Umfeld. Eine inklusive Bildung beruht auf Werten, welche die Fähigkeiten einer Person verbessern, eigene Ziele zu erreichen. Eine gleichberechtigte Teilhabe am Bildungsangebot erfordert für Schülerinnen und Schüler und Studierende mit Beeinträchtigungen entsprechende und angemessene Unterstützung.[3]
Artikel 24 der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention; UN-BRK) gibt den Vertragsstaaten auf, das Recht auf Bildung für die betroffenen Menschen durch ein inklusives Bildungssystem zu realisieren. Dieser Bogen spannt sich von der Vorschule, über die schulische Grundausbildung zu einer möglichen Hochschulbildung oder Berufsausbildung bis hin zu außerlehrplanmäßigen Aktivitäten, dem Erlernen von sozialen Kompetenzen und lebenslanges Lernen.
Um eine inklusive Bildung zu ermöglichen, müssen in einem ersten Schritt bestehende Barrieren benannt und abgebaut werden. Das umfassende Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderung bedeutet Veränderungen in allen formellen und informellen Ausbildungen, um den unterschiedlichen Individuen und deren Anforderungen gerecht zu werden.[4] Die sozialrechtliche Unterstützung der inklusiven Bildung ist Gegenstand vieler Streitigkeiten in Politik und Rechtsauslegung in den vergangenen Jahren gewesen.[5]
In diesem Beitrag soll dargestellt werden, wie sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen[6] (Bundesteilhabegesetz; BTHG) vom 23. September 2016 zu den Leistungen zur Teilhabe an Bildung positioniert. Im Weiteren soll auf die entsprechenden Gegenäußerungen der Bundesregierung[7] vom 12. Oktober 2016 eingegangen werden.
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird als Ziel, im Lichte der UN-BRK, benannt, die Leistungen zur Teilhabe an Bildung insbesondere im Hinblick auf studierende Menschen mit Behinderungen zu verbessern.[8]
Die Haushaltsausgaben zur Verbesserung bei den Leistungen zur Teilhabe an Bildung in der Eingliederungshilfe werden im Regierungsentwurf für Länder und Gemeinden im Jahr 2020 auf drei Millionen Euro taxiert.[9]
Das Rehabilitations- und Teilhaberecht nennt in § 5 Sozialgesetzbuch (SGB) IX bisher vier Leistungsgruppen zur Teilhabe: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen sowie Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. In der Neufassung des § 5 SGB IX-E sollen laut Entwurf mit Nr. 4 als neue Leistungsgruppe die Leistungen zur Teilhabe an Bildung eingefügt werden. Als Nr. 5 folgen dann die Leistungen zur sozialen Teilhabe. Nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX-E umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe auch Leistungen zur Teilhabe an Bildung.
Gemäß § 75 Abs. 1 SGB IX-E[10] werden unterstützende Leistungen zur Teilhabe an Bildung erbracht, die erforderlich sind, damit Menschen mit Behinderungen Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können. Die Leistungen umfassen insbesondere: Hilfen zur Schulbildung, insbesondere im Rahmen der Schulpflicht einschließlich der Vorbereitung hierzu, Hilfen zur schulischen Berufsausbildung, Hilfen zur Hochschulbildung und Hilfen zur schulischen und hochschulischen beruflichen Weiterbildung (§ 75 Abs. 2 SGB IX-E).
Als Aufgabe der Eingliederungshilfe wird in diesem Zusammenhang herausgestellt, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung sowie schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen (§ 90 Abs. 4 SGB IX-E).
Der Entwurf sieht in der Eingliederungshilfe in § 112 SGB IX-E folgende Leistungen zur Teilhabe an Bildung vor:
(1) Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen
Die Hilfen nach Satz 1 Nummer 1 schließen Leistungen zur Unterstützung schulischer Ganztagsangebote in der offenen Form ein, die im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule stehen und unter deren Aufsicht und Verantwortung ausgeführt werden, an den stundenplanmäßigen Unterricht anknüpfen und in der Regel in den Räumlichkeiten der Schule oder in deren Umfeld durchgeführt werden. Hilfen nach Satz 1 werden geleistet, wenn zu erwarten ist, dass der Leistungsberechtigte das Teilhabeziel nach der Gesamtplanung erreicht.
(2) Hilfen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 werden erbracht für eine schulische oder hochschulische berufliche Weiterbildung, die
Hilfen für ein Masterstudium werden abweichend von Satz 1 Nummer 2 auch erbracht, wenn das Masterstudium auf ein zuvor abgeschlossenes Bachelorstudium aufbaut und dieses interdisziplinär ergänzt, ohne in dieselbe Fachrichtung weiterzuführen.
(3) Hilfen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 schließen folgende Hilfen ein:
(4) Die in der Schule oder Hochschule wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung können an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden, soweit dies nach § 104 für die Leistungsberechtigten zumutbar ist und mit Leistungserbringern entsprechende Vereinbarungen bestehen. Die Leistungen nach Satz 1 sind auf Wunsch der Leistungsberechtigten gemeinsam zu erbringen.
Fußnoten:
[1] So auch Danner, BAG Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/kw46_pa_arbeit/337832, 17.10.2016).
[2] Vgl. Human Rights Council, Thematic Study of the Rights of Persons with Disabilities to Education (2013), A/HRC/25/29 (https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G13/190/24/PDF/G1319024.pdf?OpenElement, 17.10.2016).
[3] Vgl. Human Rights Council, Thematic Study oft he Rights of Persons with Disabilities to Education (2013), A/HRC/25/29) Nr. 68.
[4] Vgl. Commitee on the Rights of Persons with disabilities, General Comment No. 4 (2016) CRPD/C/CG/4 para 8 f.
[5] Vgl. Zücker, Tagungsbericht vom 4. Deutschen Schulrechtstag am 30. Juni 2016 in Berlin, Fachbeitrag D46-2016, www.reha-recht.de, 09.11.2016; Giese, Tagungsbericht Fachveranstaltung „Inklusive Bildung“ im Rahmen der Inklusionstage 2014, Fachbeitrag D3-2015, www.reha-recht.de 06.02.2015; Welti, Verantwortlichkeit von Schule und Sozialleistungsträgern für angemessene Vorkehrungen und für Zugänglichkeit für behinderte Schülerinnen und Schüler, Beitrag D20-2014, www.reha-recht.de, 10.09.2014; Hechler/Plischke, Keine Eingliederungshilfe für schulische Maßnahmen der Inklusion, die den Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule berühren – Anmerkung zu LSG Schleswig-Holstein, B. v. 17.02.2014, L 9 SO 222713 B ER.
[6] BR-Drs. 428/16 (Beschluss) vom 23. September 2016.
[7] Abrufbar unter http://www.gemeinsam-einfach-machen.de/SharedDocs/Downloads/DE/AS/BTHG/Gegenaeusserung_Bundesregierung_Stellungnahme_Bundesrat_BTHG.pdf?__blob=publicationFile&v=2.
[8] Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drs. 18/9522, S. 3.
[9] Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drs. 18/9522, S. 7.
[10] Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drs. 18/9522, S. 62.
[11] Vgl. BR-Drs. 428/16 (Beschluss) vom 23. September 2016, S. 7.
[12] Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates vom 23. September 2016, S. 4.
[13] Vgl. BR-Drs. 428/16 (Beschluss) vom 23. September 2016, S. 8 f.
[14] Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates vom 23. September 2016, S. 4 f.
[15] Vgl. BR-Drs. 428/16 (Beschluss) vom 23. September 2016, S. 20 f.
[16] Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates vom 23. September 2016, S. 11.
[17] Vgl. Ramm et al., Zur Übernahme der Kosten eines Gebärdensprachdolmetschers zum Besuch einer allgemein bildenden Schule, Anmerkung zu Hessisches LSG, B. v. 14.3.2011, L 7 SO 209/10 B ER, Diskussionsbeitrag A21-2014, www.reha-recht.de, 02.10.2014.
[18] Vgl. BR-Drs. 428/1/16 (Empfehlungen) vom 13. September 2016, S. 47
[19] Vgl. BR-Drs428/16 (Beschluss) vom 23. September 2016, S. 49.
[20] Vgl. BR-Drs. 428/16 (Beschluss) vom 23. September 2016, S. 42 f.
[21] Vgl. BR-Drs. 428/16 (Beschluss) vom 23. September 2016, S. 3.
[22] Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates vom 23. September 2016, S. 1.
Bundesteilhabegesetz (BTHG), Leistungen zur Teilhabe, Eingliederungshilfe, Inklusive Bildung, Leistungen zur Teilhabe an Bildung
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