05.12.2011 A: Sozialrecht Ramm: Diskussionsbeitrag A29-2011

Die Kosten für den Besuch einer Schule für Hochbegabte sind steuerlich außergewöhnliche Belastungen – Bundesfinanzhof, Urteil v. 12.05.2011, VI R 37/10

(Zitiervorschlag: Ramm: Die Kosten für den Besuch einer Schule für Hochbegabte sind steuerlich außergewöhnliche Belastungen – Bundesfinanzhof, Urteil v. 12.05.2011, VI R 37/10; Forum A, Beitrag A29-2011 unter www.reha-recht.de; 05.12.2011)

Die Autorin bespricht eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011.

Umstritten war, ob die Eltern eines hochbegabten Kindes die Kosten für die Unterbringung in einem Internat für Hochbegabte als „außergewöhnliche Belastung“ steuerlich geltend machen können. Der Bundesfinanzhof verwies den Fall an das zuständige Finanzgericht zurück und wies darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Hochbegabung des Kindes mit einer seelischen Behinderung einherging und die Beschulung in dem Internat deshalb medizinisch indiziert war. Das Erfordernis einer vorherigen amtsärztlichen beziehungsweise vertrauensärztlichen Begutachtung zur Feststellung der medizinischen Notwendigkeit wurde mit Urteil vom 11. November 2010 (Az. VI R 17/09) aufgegeben.

Die Autorin nutzt die Entscheidung des BFH, um sich mit der Rechtsprechung zum Thema „Hochbegabung und deren Folgen“ auseinander zu setzen. Eine Hochbegabung gehe in den meisten Fällen mit Verhaltensauffälligkeiten des Kindes und besonderen Belastungen des Kindes und der Eltern einher. Einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe der Kinder- und Jugendhilfe nach § 35a SGB VIII löse eine Hochbegabung jedoch nur aus, wenn bei dem Kind eine seelische Behinderung infolge beziehungsweise neben der Hochbegabung festgestellt werde. Eine besondere Beschulung könne in diesen Fällen medizinisch notwendig sein, da das Regelschulsystem auf die Bedürfnisse dieser Kinder nicht eingestellt sei.


Stichwörter:

Seelische Behinderung, Kinder- und Jugendhilfe, Internatsunterbringung, Amtsärztliche Begutachtung, Außergewöhnliche Belastungen i. S. d. § 33 Abs. 2 EStG, § 35a SGB VIII, § 33 Abs. 2 EStG, Steuerrecht, Hochbegabung, Eingliederungshilfe, Schule und Bildung, Amtsarzt


Kommentare (2)

  1. Diana Ramm 11.01.2012
    In den zitierten gerichtlichen Entscheidungen wird eingehend auf die familiäre Belastungssituation und die Begleiterkrankungen der Kinder eingegangen, die durch medizinische Gutachten belegt wurden. Natürlich handelte es sich um Einzelfälle, die aber meines Erachtens ein Gesamtbild ergeben, dass durch die Studien von Fornia und Wiggins (. Fornia G, Wiggins Frame M: The Social and Emotional Needs of Gifted Children: Implications for Family Counselling. The Family Journal: Counselling and Therapy for Couples and Families 9: 384-390. (2001)) und Stiensmeier-Pelster (Stiensmeier-Pelster J, Schürmann M, Eckert C, Pelster A: Attributionsstil-Fragebogen für Kinder und Jugendliche (ASF-KJ), Hogrefe, Göttingen Bern Toronto (1994)) gestützt wird. Diese wurden im Vorfeld der Erstellung des Beitrages ausgewertet, auch wenn sie explizit im Beitrag nicht benannt wurden. Auch tritt eine Hochbegabung mitunter z.B. zusammen mit einem Asberger-Syndrom, einem ADHS oder Legasthenie auf (ein solcher Legasthenie- Fall lag z.B. dem Urteil des VG Köln vom 21.01.2010 - Az. 26 K 4295/09 zugrunde).
    Ob ein Internatsbesuch hochbegabter Kinder auch eine geeignete Maßnahme für deren Eltern ist, ist im Einzelfall zu betrachten. Das VG Köln hat jedenfalls in seinem Urteil vom 21.01.2010 (Az. 26 K 4295/09) durch die Übernahme der Kosten für ein Tagesinternat sowohl den Belangen des Kindes als auch der Mutter (bspw. Rz. 40/44) Rechnung getragen.

    Wenn Sie fragen, ob unser Regelschulsystem denn auf die Belange von anders benachteiligten Schülerinnen und Schülern (besser) eingestellt ist, dann würde ich auch hier die Prognose wagen, dass dies nicht der Fall ist. Dies relativiert meines Erachtens aber meine Aussage zu den Schwierigkeiten der Hochbegabten im Regelschulsystem nicht (die z.B. auch die Studie von Schlichte- Hiersemenzel, Zu Entwicklungsschwierigkeiten hochbegabter Kinder und Jugendlicher in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt, Bonn, Berlin 2001 klar herausstellt). Vielmehr sollte es unser Ziel sein, allen Kindern, egal ob hochbegabt oder anders benachteiligt, die bestmögliche Schulbildung zukommen zu lassen. Dabei sollte die Beschulung in Sonder- und Förderschulen immer nur als Zwischenlösung angesehen werden. Endziel muss es sein, dass alle Kinder im Regelschulsystem die Beschulung erhalten, die sie benötigen.
  2. Rolf Buschmann-Steinhage 05.12.2011
    Die Autorin schreibt: „Die vorliegenden Entscheidungen zeigen, dass eine Hochbegabung nicht selten mit schweren Belastungssituationen und Begleiterkrankungen für die Kinder und Jugendlichen und deren Eltern einhergehen.“ (S. 4) Aus meiner Sicht sind Gerichtsurteile keine gute Quelle für Aussagen über die Häufigkeit von „schweren Belastungssituationen und Begleiterkrankungen“; dazu wären Informationen aus epidemiologischen Studien notwendig. Der unbestimmte Ausdruck „nicht selten“ suggeriert hier eine Häufigkeit, die kaum zu belegen ist. Besonders fraglich ist, ob die Urteile Aussagen über „schwere Belastungssituationen und Begleiterkrankungen“ der Eltern hochbegabter Kinder erlauben, wie es die Autorin offenbar annimmt. Der Internatbesuch hochbegabter Kinder wäre ja auch kaum eine geeignete „Maßnahme der Heilbehandlung“ (S. 2) für deren Eltern.

    Wenn es tatsächlich stimmen sollte, dass „unser Regelschulsystem (…) auf die besonderen Bedürfnisse hochbegabter Schülerinnen und Schüler nicht hinreichend eingestellt“ ist (S. 1), wie ist es dann um die besonderen Bedürfnisse nicht so begabter oder anders benachteiligter Schülerinnen und Schüler bestellt? Sind darauf die Regelschulen hinreichend eingestellt? Reicht es, die Eltern und ihre Kinder auf die staatlichen Sonder-/Förderschulen zu verweisen?

Neuen Kommentar schreiben

Mit * gekennzeichnete Felder müssen ausgefüllt werden.