28.11.2024 Rechtsprechung
BVerfG: Krankenhausvorbehalt bei Zwangsbehandlungen aufgehoben
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat mit Urteil vom 26. November 2024 entschieden: Die ausnahmslose Vorgabe, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchzuführen, ist verfassungswidrig. Damit ermöglicht das BVerfG die Durchführung von ärztlichen Zwangsmaßnahmen auch außerhalb von Kliniken, allerdings mit strengen Auflagen (Az. 2024 - 1 BvL 1/24).
Widerspricht eine Untersuchung, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem Willen einer betreuten Person (ärztliche Zwangsmaßnahme), kann die/der Betreuende in eine ärztliche Zwangsmaßnahme einwilligen. Die Einwilligung, die der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf, setzt nach der bisherigen Regelung u. a. die Durchführung der Zwangsbehandlung im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus voraus. Die Durchführung einer Zwangsmaßnahme in Pflegeheimen, spezialisierten ambulanten Zentren oder im häuslichen Umfeld war bislang nicht zulässig.
Die Richterinnen und Richter des BVerfG entschiedenen nun, dass dieser Krankenhausvorbehalt mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 GG unvereinbar ist „soweit Betreuten aufgrund der ausnahmslosen Vorgabe, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchzuführen, erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen.“ Das gelte nur, wenn zugleich zu erwarten sei, dass diese Beeinträchtigungen in der Einrichtung, in der die Betreuten untergebracht sind und in welcher der Krankenhausstandard voraussichtlich nahezu erreicht wird, vermieden oder jedenfalls signifikant reduziert werden können. Das BVerfG hat somit Hinweise gegeben, was der Gesetzgeber bei seiner Neuregelung beachten soll.
Die Entscheidung ist mit 5 : 3 Stimmen ergangen. Verfassungsrichter Heinrich Amadeus Wolff vertrat mit zwei Kollegen eine andere Auffassung: Er warnte davor, die Voraussetzungen für Zwangsmaßnahmen abzusenken. In einem Sondervotum gab er zu bedenken, dass es durchaus möglich sei, auf den betreffenden Eingriff auch gänzlich zu verzichten, um das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zu wahren sowie aus Respekt vor dem natürlichen Willen und dem Selbstbestimmungsrecht Betroffener. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte äußerte sich kritisch zu der Entscheidung und befürchtet eine Ausweitung ärztlicher Zwangsmaßnahmen. Bei der Umsetzung des Urteils müsse der Deutsche Bundestag deshalb die Vorgaben für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen streng definieren.
Der Gesetzgeber ist zur Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 2026 verpflichtet. Bis diese geschaffen ist, gilt das bisherige Recht fort.
(Quelle: Bundesverfassungsgericht)
Weitere Entscheidungen zum Rehabilitations- und Teilhaberecht finden sich auch in der
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