04.02.2022 Verwaltung, Verbände, Organisationen

Forderung nach voller Kostenübernahme für Gebärdensprachdolmetschung im Arbeitsleben

Der Deutsche Gehörlosen-Bund e. V. fordert Integrations- und Inklusionsämter dazu auf, ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen und die Teilhabe gehörloser und anderer Menschen mit Hörbehinderungen zu ermöglichen. Wenn es für Gebärdensprachdolmetschungen am Arbeitsplatz keine volle Kostenübernahme gebe, seien Arbeitsplätze gefährdet.

Bei Teambesprechungen, Kundengesprächen und Telefonaten können gehörlose und andere Arbeitnehmende mit Hörbehinderungen den Gesprächen oft nicht akustisch folgen. Sie benötigen eine Gebärdensprachdolmetschung oder andere geeignete Kommunikations­hilfen (sogenannte „Arbeitsassistenz“), um in der Arbeitswelt kommunizieren und ihre volle Arbeitsleistung erbringen zu können.

Der Gehörlosen-Bund weist darauf hin, dass Bundestag und Bundesrat zum 1. Januar 2021 mit der Novellierung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) die Erhöhung der Honorare für Gebärdensprachdolmetschende beschlossen hätten, viele Integrations- und Inklusionsämter sich jedoch weigerten, diese Erhöhung mitzutragen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) hat in einer Empfehlung vom 1. Februar 2021 den Unterschied zwischen Dolmetsch­leistungen betont, die im Umgang mit Behörden (§§ 17 Abs. 2 SGB I bzw. § 19 Abs. 1 SGB X) bzw. in Verwaltungsverfahren (Kommunikationshilfeverordnung) erbracht werden, und einer Gebärdensprachdolmetschung im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben. Bei Letzterem handele es sich um eine Sozialleistung, deren Leistungshöhe sich nach den Grundsätzen der begleitenden Hilfe und nicht nach dem JVEG richte.

Während der Dolmetschstundensatz nach dem JVEG auf 85 Euro pro Stunde stieg, empfiehlt die BIH den Integrationsämtern als bundeseinheitliche Regelung einen Stundensatz von 75 Euro je volle Zeitstunde und 37,50 Euro je angefangene halbe Einsatzstunde.

Der Deutsche Gehörlosen-Bund moniert, dass die BIH ohne Rücksprache mit den Selbsthilfe­organisationen Empfehlungen bzw. Regeln aufgestellt habe, die eine gleichberechtigte Teilhabe gehörloser Menschen unmöglich machten. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die in diesen Fragen eine Zusammen­arbeit mit der Behindertenselbsthilfe verlangt (“Nicht ohne uns über uns”). In der Folge könnten gehörlose Menschen ihre Arbeitsassistenz nicht mehr bezahlen. Auch würden Integrations- und Inklusionsämter in vielen Bundesländern die Kostenübernahme für die Arbeitsassistenz häufig erschweren. Viele gehörlose Menschen hätten Widersprüche einlegen bzw. Anwält/-innen einschalten müssen.

Die Pressemitteilung 03/2022 steht als PDF-Download und mit einem Gebärdensprachvideo-Link auf der folgenden Seite zur Verfügung: Pressemitteilungen Deutscher Gehörlosen-Bund

Übersicht zu BIH-Empfehlungen

(Quelle: Deutscher Gehörlosen-Bund e. V.)


Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Mit * gekennzeichnete Felder müssen ausgefüllt werden.