Vorschläge zur Änderung des SGB VIII – für ein teilhabeorientiertes Kinder- und Jugendhilferecht
Zur rechtlichen Ausgestaltung einer zukünftigen Kinder- und Jugendhilfe gilt es aktuell, konkrete Wege zu einer inklusiven Lösung aufzuzeigen und diese gesetzlich zu verankern. In Anlehnung an eine Fachtagung zu diesem Thema haben die Juristin Christiane Möller, die Juristen Horst Frehe und Prof. Dr. Felix Welti sowie der Sozialrechtsexperte Prof. Dr. Harry Fuchs Formulierungsvorschläge vorgelegt, um eine einheitliche Praxis der Rehabilitation und Teilhabe für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und drohenden Behinderungen durch eine bedarfsgerechte Gestaltung des SGB VIII zu unterstützen.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hatte unter dem Motto „Gemeinsam zum Ziel. Wir gestalten die Inklusive Kinder- und Jugendhilfe“ zwischen Juni 2022 und Dezember 2023 einen Beteiligungsprozess durchgeführt, bei dem über die rechtliche Ausgestaltung des Leistungsrechts und der sogenannten Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle Leistungen zur sozialen Teilhabe und Teilhabe an Bildung kontrovers diskutiert wurde. Damit aus der Reform des SGB VIII für junge Menschen mit Behinderungen keine Nachteile entstehen, seien die unterschiedlichen Aufgaben und Ziele des SGB VIII (ergänzende Erziehungssorge) und SGB IX (Gewährleistung gleichberechtigter Teilhabe) zu berücksichtigen, verdeutlicht das Autorenteam in seinem Entwurfspapier „Vorschläge zur Änderung des SGB VIII für ein teilhabeorientiertes Kinder- und Jugendhilferecht“.
Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen richteten sich unmittelbar an den Menschen mit Behinderung; Hilfen zur Erziehung dagegen an Sorgeberechtigte, also an unterschiedliche Adressaten. Die Organisationen von Menschen mit Behinderungen hätten über Jahrzehnte darum gerungen, das Rehabilitations- und Teilhaberecht in einem Sozialgesetzbuch, dem SGB IX, zusammenzufassen. Die Kinder- und Jugendhilfe als Rehabilitationsträger dürfe nun nicht aus dem Kontext aller Rehabilitationsträger des SGB IX und den zwingend einzuhaltenden gemeinsamen Vorschriften im SGB IX – Teil 1 herausgelöst werden. „Kinder und Jugendliche mit Behinderungen werden auch bei einer Zusammenführung der Eingliederungshilfeleistungen im SGB VIII auf die Leistungen anderer Rehabilitationsträger und weiterer Sozialleistungsträger angewiesen sein. Mit den entstehenden Schnittstellen muss auch künftig umgegangen werden.“
Im Rahmen des Behindertenrechts zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffene Leistungsentscheidungen prägen gerade bei jungen Menschen mit Behinderungen oder drohenden Behinderungen die nachfolgenden Lebensabschnitte nachhaltig, wenn nicht das gesamte weitere Leben. Viele Kinder und Jugendliche, die künftig Eingliederungshilfe im Rahmen des SGB VIII erhalten sollen, werden auch im Erwachsenenalter auf Eingliederungshilfe nach dem SGB IX – Teil 2 – angewiesen sein, heißt es in dem Papier. Die Leistungen und das Leistungserbringungsrecht müssten daher kompatibel sein, um Brüche beim Übergang ins Erwachsenenleben und die damit verbundene Trägerzuständigkeit zu vermeiden. „Ein isoliertes Lebensabschnittsmodell im SGB VIII wäre mit Blick auf die mangelnde Anschlussfähigkeit demgegenüber nicht zielführend.“
Mit der Intention, ein trägerübergreifendes gemeinsames Recht und eine einheitliche Praxis der Rehabilitation und selbstbestimmte Teilhabe für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen bzw. drohenden Behinderungen zu sichern, stellen die Autorin und Autoren ihre Formulierungsvorschläge zur Diskussion.
Sie umfassen im Detail:
- Vorschläge zur Änderung bzw. Ergänzung des SGB VIII
- Änderungen bzw. Ergänzungen des SGB IX
- Änderung des Leistungserbringungsrechts
- Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
Die Formulierungsvorschläge wurden auf der Fachtagung „Inklusive Kinder- und Jugendhilfe: Sicherung des individuellen Anspruchs auf teilhabeorientierte Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen“ des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) am 13. Mai 2024 in Berlin veröffentlicht.
Vorschläge zur Änderung des SGB VIII für ein teilhabeorientiertes Kinder- und Jugendhilferecht
(Quelle: Christiane Möller, Horst Frehe, Harry Fuchs, Felix Welti)
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