Mein Alltag in der Werkstatt

Das ist ein Text von Konrad Wingert.



Wir verwenden in diesem Text nur die männliche Form.

Wir meinen aber immer

  • Frauen,
  • Männer
  • und alle anderen Geschlechter

Um was geht es?

Mein Name ist Konrad Wingert.
Dieser Name ist erfunden.
Meinen richtigen Namen
nenne ich in diesem Text nicht.
Ich arbeite schon seit vielen Jahren in einer
Werkstatt für behinderte Menschen.

Das kurze Wort für Werkstatt
für behinderte Menschen ist:
WfbM.

In diesem Text erzähle ich,
was ich schon alles in der WfbM erlebt habe.
Ich habe mich dagegen gewehrt,
dass Personen ungerecht behandelt wurden.

 

Wer bin ich?

Wie ich schon geschrieben habe,
heiße ich in diesem Text Konrad Wingert.
Ich habe eine psychische Krankheit.
Es gibt viele verschiedene psychische Krankheiten.
Ich habe oft Angst und bin oft sehr traurig.
Das macht die Arbeit nicht einfach.

In einem Berufs-Förderungs-Werk habe ich
eine Ausbildung als Industrie-Kaufmann gemacht.
In einem Berufs-Förderungs-Werk
können Menschen eine Ausbildung machen,
die keine Ausbildung auf dem ersten Arbeits-Markt machen können.
Zum Beispiel,
weil sie eine psychische Krankheit haben.

Nach meiner Ausbildung konnte ich nicht
auf dem ersten Arbeits-Markt arbeiten.
Der Stress auf dem ersten Arbeits-Markt war zu groß.
Deshalb arbeite ich seit 2010 in einer WfbM.

 

Meine WfbM

Früher war der Name von der Werkstatt für behinderte Menschen:
Behinderten-Werkstatt.
Der Name wurde geändert, weil er jetzt besser klingt.
Auch die Namen von Vereinen wurden deshalb geändert,
weil sie jetzt besser klingen.
Zum Beispiel hieß die Aktion Mensch früher Aktion Sorgenkind.
Aber alles andere ist gleich geblieben.
Zum Beispiel die Arbeit.

 

Das Eingangs-Verfahren

In der WfbM habe ich zuerst das Eingangs-Verfahren gemacht.
Im Eingangs-Verfahren prüfen die Fach-Kräfte,
was die Teilnehmer gut können.
Alle meine Kollegen im Eingangs-Verfahren
hatten eine psychische Krankheit.
Ich konnte aber ganz normal mit ihnen sprechen.
Ich hatte das Gefühl,
dass in der WfbM nicht oft etwas Neues ausprobiert wird
und das sich nichts ändert.

 

Der Berufs-Bildungs-Bereich

Nach dem Eingangs-Verfahren machte ich
mit dem Berufs-Bildungs-Bereich weiter.
Das kurze Wort für Berufs-Bildungs-Bereich ist:
BBB.
Der BBB soll die Teilnehmer
auf den ersten Arbeits-Markt vorbereiten.
Der BBB dauert 2 Jahre.
Im BBB habe ich zum Beispiel:
Verkaufs-Verpackungen gefaltet
oder Kartons zusammengeklebt.

In meinem ersten Jahr gab es keine Praktika.
Wir wurden auch nicht dabei unterstützt,
neue Dinge zu lernen.
Zum Beispiel:
Wie wir besser mit Menschen umgehen können.

In meinem 2. Jahr im BBB änderte sich langsam etwas.

Jetzt gab es:

  • eine kleine Küche mit einer Hauswirtschafts-Gruppe,
  • eine Papier-Werkstatt und
  • Unterricht zu verschiedenen Themen.
    Zum Beispiel:
    Wie man sich gut entspannen kann.
    Oder wie man gut mit anderen Menschen umgeht.

Am Ende vom BBB bekam ich die ersten Probleme.
Zum Beispiel mit den Gruppen-Leitungen.
Leider gab es dafür keine Lösung.
Ich begann damit,
mich für die Mitarbeiter einzusetzen.
Ich wollte, dass alle gerecht behandelt werden.

 

Der Arbeits-Bereich

Nach dem BBB wechselte ich in den Arbeits-Bereich.
Ich war nicht zufrieden.
Aber ich habe mich nicht mehr über alles geärgert.
Das kann für mich nämlich sehr gefährlich sein.
Weil ich schon eine psychische Krankheit habe.
Aber bei allem hat das nicht geklappt.

 

Bei welchen Problemen habe ich mich gewehrt?

Es gab immer wieder sehr schmutzige Toiletten.
Die Hauswirtschaft musste die Toiletten putzen.
Aber es wurde für die Mitarbeiter
von der Hauswirtschaft zu viel.
Deshalb mussten jetzt alle Arbeits-Gruppen
die Toiletten putzen.

An einem Tag bekamen die Toiletten-Türen Schlösser.
Jetzt mussten wir immer die Schlüssel holen,
wenn wir auf die Toilette wollten.

Das hatte die Werkstatt-Leitung
ohne den Werkstatt-Rat entschieden.
Der Werkstatt-Rat spricht für die Mitarbeiter mit Behinderung
in einer WfbM.
Durch die Schlösser war es für viele Mitarbeiter sehr schwierig,
auf die Toilette zu gehen.

Ich habe mich gegen diese Behandlung gewehrt
und der Werkstatt-Leitung meine Meinung gesagt.
Ich wollte dafür sorgen,
dass die Mitarbeiter in der WfbM
gerecht behandelt werden.

 

Das Problem mit dem Werkstatt-Rat

Die Mitarbeiter mit Behinderung in der WfbM
wählen den Werkstatt-Rat.
2017 war es wieder einmal so weit.
Die WfbM, in der ich arbeite, gibt es an 2 Orten.

So wurden auch 2 Werkstatt-Räte gewählt.
Jeder Werkstatt-Rat hatte 3 Mitglieder.
Aber die beiden Werkstatt-Räte von den
2 Orten haben nicht zusammengearbeitet.

Das war nicht gut.
Viele von uns Mitarbeitern wollten deshalb
neue Werkstatt-Räte wählen.
Aber das durften wir nicht.
Dagegen habe ich mich gewehrt.

Zum Beispiel:

  • Ich habe Menschen gesucht,
    die das Gleiche an der WfbM geärgert hat wie mich.
  • Ich habe mich beschwert.
  • Und ich habe mich beraten lassen.

Aber es mussten erst noch mehr
Mitarbeiter in der WfbM
nach Veränderungen fragen.
Außerdem haben sich auch
Menschen über die Behandlungen
in der WfbM geärgert,
die nicht in der WfbM arbeiten.

In einer Werkstatt-Versammlung
konnten wir endlich sagen,
was wir für Veränderungen wollten.
Und die Werkstatt-Leitung hörte uns dann auch zu.
So änderte sich langsam etwas.
Im Sommer 2021 konnten wir dann endlich
auch einen neuen Werkstatt-Rat wählen.
Ich bin stolz darauf,
dass ich dabei mit helfen konnte.

 

Meine Meinung

Ich finde, dass wir WfbMs brauchen.
Es gibt viele Menschen,
die nicht auf dem ersten Arbeits-Markt
arbeiten können.
Aber es muss sich viel ändern.

Das muss sich zum Beispiel ändern:

  • Die Politiker müssen dafür sorgen,
    dass Menschen aus einer WfbM besser eine Stelle
    auf dem ersten Arbeits-Markt finden können.
  • Die Mitarbeiter in der WfbM
    dürfen nicht mehr wie Menschen behandelt werden,
    die nichts können.
  • Die Fach-Kräfte müssen lernen, anders zu denken.
    Manchmal wollen sie es uns leichter machen
    und sie wollen uns die Arbeit abnehmen.
    Und manchmal bestrafen sie uns,
    weil wir zum Beispiel zu spät kommen.
  • Die Mitarbeiter in der WfbM müssen für ihre Arbeit
    ganz normal bezahlt werden.
    So wie Menschen auf dem ersten Arbeits-Markt.

 

Die Arbeit im Werkstatt-Rat

Der Werkstatt-Rat spricht für die Mitarbeiter
mit Behinderung in der WfbM.
Die Werkstatt-Räte haben die Aufgabe,
zusammen mit der Werkstatt-Leitung
Lösungen für Probleme zu finden.
Aber dafür müssen die Werkstatt-Räte mutig sein.

Außerdem muss sich bei den Werkstatt-Räten auch etwas ändern,
damit sie ihre Arbeit noch besser machen können.
Sie brauchen für ihre Arbeit mehr Unterstützung.
Zum Beispiel durch externe Vertrauens-Personen.

Das bedeutet:
Die Werkstatt-Räte können Personen vertrauen,
die nicht in der WfbM arbeiten.
Diese Vertrauens-Personen können
die Werkstatt-Räte bei ihrer Arbeit unterstützen.
Das muss auch die Werkstatt-Leitung sehen.

Auch der Kündigungs-Schutz für diese Vertrauens-Personen ist wichtig.
Kündigungs-Schutz bedeutet:
Die Vertrauens-Personen können nicht einfach so ihre Arbeit verlieren.
Es ist wichtig aufzuschreiben,
welchen Kündigungs-Schutz die Vertrauens-Personen haben.

Für ihre Arbeit brauchen die Werkstatt-Räte Geld.
Deshalb ist es wichtig,
dass alle Werkstatt-Räte in Deutschland
gleich viel Geld bekommen.

 

Was ist zum Schluss noch wichtig?

Es ist wichtig, dass sich in den WfbMs etwas ändert.
Für Veränderungen wird noch zu wenig getan.
Aber es gibt Menschen,
die Veränderungen wollen und etwas dafür tun.
Ich bin sehr froh, dass es solche Menschen gibt.
Vielen Dank dafür.


Dieser Text wurde von capito Stuttgart in Leichte Sprache übersetzt, barrierefrei gestaltet und von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Verständlichkeit geprüft.


Den Text gibt es auch in schwerer Sprache:

Wingert: Alltagserfahrungen in Werkstätten – Ein Erfahrungsbericht; Beitrag A10-2024 unter www.reha-recht.de; 27.06.2024


Die Bilder sind von der
© Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e. V.,
Illustrator ist Stefan Albers, Atelier Fleetinsel.


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