Mindest-Lohn in Werkstätten

Hinweis:

In diesem Text gibt es schwere Wörter.

Sie sind grün geschrieben.

Diese Wörter werden am Ende vom Text erklärt.

 

Einleitung

In Deutschland gibt es mehr als 700 Werkstätten für behinderte Menschen.

Im Folgenden schreiben wir Werkstätten.

Damit meinen wir Werkstätten für behinderte Menschen.

 

In den Werkstätten arbeiten mehr als 320 Tausend Menschen mit Behinderungen.

Die meisten Beschäftigten verdienen in den Werkstätten 226 Euro im Monat.

Manche verdienen etwas mehr, manche verdienen etwas weniger.

Das ist viel weniger als der Mindest-Lohn.

 

Der Mindest-Lohn ist ein Geld-Betrag.

Arbeit-Nehmer müssen einen bestimmten Geld-Betrag für 1 Stunde Arbeit bekommen.

Das steht im Gesetz.

Im Juni 2024 war der Mindest-Lohn für 1 Stunde Arbeit: 12,41 Euro.

 

Bis jetzt gilt der Mindest-Lohn nicht für Beschäftigte in Werkstätten.

Aber viele Leute sagen, dass das ungerecht ist.

Viele Leute wollen, dass der Mindest-Lohn auch für Werkstätten gilt.

Auch die Politik will etwas ändern.

 

Das Mindest-Lohn-Gesetz

Seit dem 1. Januar 2015 gibt es das Mindest-Lohn-Gesetz in Deutschland.

In diesem Gesetz steht:

Arbeit-Geber müssen ihren Arbeit-Nehmern den Mindest-Lohn bezahlen.

Davon muss man aber noch Steuern zahlen.

 

Im Mindest-Lohn-Gesetz steht nicht,
dass Beschäftigte in Werkstätten keinen Anspruch auf den Mindest-Lohn haben.

Im Mindest-Lohn-Gesetz steht nichts über Beschäftigte in Werkstätten.

Deshalb könnten auch Beschäftigte in Werkstätten
ein Recht auf den Mindest-Lohn haben.

 

Haben Beschäftigte in Werkstätten ein Recht auf den Mindest-Lohn?

Das ist nicht so leicht zu beantworten.

Die Universität Kassel hat eine Untersuchung dazu gemacht.

Die Forscher haben festgestellt:

Man muss schauen, welche Rechte Beschäftigte in Werkstätten haben.

Die Rechte hängen davon ab,
in welchem Beschäftigungs-Verhältnis sie sind.

 

Sind Beschäftigte in Werkstätten Arbeit-Nehmer?

Es gibt 2 Beschäftigungs-Verhältnisse:

  • Arbeit-Nehmer-Verhältnisse
  • arbeitnehmer-ähnliche Verhältnisse

 

Für Arbeit-Nehmer gelten bestimmte Schutz-Gesetze.

Dazu gehört auch das Mindest-Lohn-Gesetz.

 

Ist ein Beschäftigter in der Werkstatt Arbeit-Nehmer,

dann hat er einen Anspruch auf den Mindest-Lohn.

Ist ein Beschäftigter in der Werkstatt in einem arbeitnehmer-ähnlichen Verhältnis,

dann bekommt er keinen Mindest-Lohn.

 

Man muss also schauen, ob jemand Arbeit-Nehmer ist.

Informationen dazu stehen im Bürgerlichen Gesetz-Buch.

Genau hier:

Paragraf 611a Bürgerliches Gesetz-Buch

Das sind die Merkmale von einem Arbeit-Nehmer-Verhältnis:

  • Die beschäftigte Person muss tun, was jemand anderes sagt.
  • Die beschäftigte Person ist Teil der Arbeits-Organisation von dem Arbeits-Geber.

 

Es ist nicht wichtig, ob die beschäftigte Person viel schafft.

Oder ob die Arbeit ein Teil von ihrer Rehabilitation ist.

Rehabilitation heißt:

Alle Menschen mit Behinderungen sollen die Hilfe bekommen,
die sie brauchen.

Zum Beispiel bei der Arbeit.

 

Sind alle Beschäftigten in Werkstätten Arbeit-Nehmer?

Folgendes spricht dafür:

  • die Behinderten-Rechts-Konvention
     
  • eine Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof

Das bedeutet, dass Beschäftigte in Werkstätten einen Anspruch auf Mindest-Lohn haben,
wenn sie Arbeit-Nehmer sind.

 

Was bedeutet arbeitnehmer-ähnliches Beschäftigungs-Verhältnis?

Arbeitnehmer-ähnliches Beschäftigungs-Verhältnis bedeutet:

Beschäftigte in Werkstätten sollen so ähnlich wie andere Arbeit-Nehmer behandelt werden.

Das bedeutet:

Sie sollen grundsätzlich den gleichen Schutz durch Arbeits-Gesetze bekommen.

 

Nur in besonderen Fällen gibt es Ausnahmen.

Und zwar in Fällen, die mit den Zielen und Gesetzen von Werkstätten zu tun haben.

 

Es muss begründet werden:

Warum ist das Mindest-Lohn-Gesetz eine Ausnahme?

Warum gilt das Mindest-Lohn-Gesetz nicht für Beschäftigte
in arbeitnehmer-ähnlichen Verhältnissen?

 

Gibt es einen Ausschluss vom Mindest-Lohn?

Das Mindest-Lohn-Gesetz schließt Beschäftigte in arbeitnehmer-ähnlichen Verhältnissen nicht aus.

Das spricht dafür, dass Beschäftigte in arbeitnehmer-ähnlichen Verhältnissen

eigentlich einen Anspruch auf den Mindest-Lohn haben.

 

Arbeits-Leistung und Rehabilitation

In arbeitnehmer-ähnlichen Verhältnissen zählen:

  • die Arbeit, die jemand macht
  • der Rehabilitations-Zweck der Arbeit

Beides ist wichtig.

Das bedeutet:

Die Arbeit zählt in jedem Fall.

Und der Anspruch auf Mindest-Lohn gilt.

Auch wenn die Arbeit Teil der Rehabilitation ist.

Der Anspruch auf Mindest-Lohn stört auch nicht den Rehabilitations-Zweck.

Der Mindest-Lohn wird pro Arbeits-Stunde bezahlt.

Und nicht für eine Leistung.

 

Der Lohn hängt nicht davon ab:

  • wie viel jemand schafft
  • wie gut jemand arbeitet

 

Vielleicht kann ein Beschäftigter nicht so gut arbeiten.

Oder er macht Fehler.

Dann wird er aber nicht sofort gekündigt.

 

Es gibt allgemeine Regeln zum Kündigungs-Schutz.

Die allgemeinen Regeln gelten für alle Beschäftigten.

 

Und es gibt besondere Regeln zum Kündigungs-Schutz für Beschäftigte in Werkstätten.

Die allgemeinen und besonderen Regeln zum Kündigungs-Schutz
stehen im Sozial-Gesetz-Buch 9.

Genau hier:

  • Paragraf 220 Absatz 1 und 2 Sozial-Gesetz-Buch 9
  • Paragraf 219 Absatz 2 Sozial-Gesetz-Buch 9
  • Paragrafen 168 und folgende Sozial-Gesetz-Buch 9

 

Das Mindest-Lohn-Gesetz soll Arbeit-Nehmer schützen.

Menschen mit Behinderungen sind genauso schutzbedürftig wie andere Beschäftigte.

 

Warum findet das Mindest-Lohn-Gesetz keine Anwendung auf Beschäftigte in Werkstätten?

Im Mindest-Lohn-Gesetz stehen allgemeine Regeln zum Lohn.

Im Sozial-Gesetz-Buch stehen besondere Regeln für die Bezahlung in Werkstätten.

Genau hier:

Paragraf 221 Abs. 2 Sozial-Gesetz-Buch 9

 

Die Bezahlung in Werkstätten wurde eingeführt,
als es das Mindest-Lohn-Gesetz noch nicht gab.

 

Wichtig ist die Frage:

Welches Gesetz entscheidet?

Das Sozial-Gesetz-Buch 9 kann entscheidender sein als das Mindest-Lohn-Gesetz,
weil es besondere Regeln für Werkstätten hat.

Und weil es jünger ist.

 

Rechts-Schutz

Beschäftigte in Werkstätten können vor dem Arbeits-Gericht klären,

ob sie Arbeit-Nehmer sind.

Als Arbeit-Nehmer haben Sie Anspruch auf den Mindest-Lohn.

Den Mindest-Lohn können sie dann vor dem Gericht einklagen.

Leider nutzen nur wenige Beschäftigte in Werkstätten diese Möglichkeit.

 

Werkstatt-Lohn in der Zukunft

Der Deutsche Bundestag will ein neues Gesetz zum Werkstatt-Lohn machen.

Dazu müssen verschiedene andere Gesetze berücksichtigt werden.

 

Die Behinderten-Rechts-Konvention

Eine wichtige Regel ist Artikel 27 der Behinderten-Rechts-Konvention.

Dieser Artikel sagt, dass jeder das gleiche Recht auf Arbeit hat.

Das heißt:

Jeder hat das Recht, durch Arbeit genug Geld zum Leben zu verdienen.

Tatsächlich ist es so:

Viele Beschäftigte in Werkstätten verdienen nur 226 Euro pro Monat.

Das ist nicht genug Geld zum Leben.

Im Artikel 27 der Behinderten-Rechts-Konvention steht auch ein Benachteiligungs-Verbot.

Das heißt:

Beschäftigte haben ein Recht auf Arbeits-Lohn, ohne benachteiligt zu werden.

Es gilt:

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit.

Tatsächlich ist es so:

Menschen mit Behinderungen werden benachteiligt.

Denn Beschäftigte mit arbeitnehmer-ähnlichen Verhältnissen
werden vom Mindest-Lohn-Gesetz ausgeschlossen.

 

Was die Europäische Union über den Mindest-Lohn sagt

Die Europäische Union hat Regeln zum Mindest-Lohn gemacht.

Diese Regeln gelten wahrscheinlich auch für Beschäftigte in Werkstätten.

 

Deutschland hat bis zum 15. November 2024 Zeit.

Dann muss Deutschland sicherstellen,

dass Beschäftigte einen Anspruch auf Mindest-Lohn haben.

Ansonsten könnten Beschäftigte in Werkstätten Deutschland anklagen.

Das ist aber nicht einfach.

 

Die Forscher von der Universität Kassel sind der Meinung:

Es muss andere Lösungen geben.

Sie haben in ihrer Untersuchung Vorschläge gemacht.

 

Was jetzt getan werden muss:

Deutschland hat versprochen, die Gesetze zu ändern.

So dass sie mit der Behinderten-Rechts-Konvention übereinstimmen.

 

Das bedeutet:

Die bisherigen Gesetze zum Arbeits-Lohn für Beschäftigte in Werkstätten müssen wegfallen

Denn durch diese Gesetze werden Beschäftigte in Werkstätten benachteiligt.

Alle Beschäftigten in Werkstätten sollen Mindest-Lohn bekommen.

 

Ergebnis

In den Werkstätten müssen die Beschäftigungs-Verhältnisse verändert werden.

Das ist eine große Herausforderung.

Aber es ist wichtig, dass die Verhältnisse schnell und nachhaltig verbessert werden.

 

Die Bundes-Regierung hat versprochen,
dass sie die Verhältnisse bis zum Jahr 2025 verbessern wird.

Das Ziel ist:

Beschäftigte in Werkstätten sollen die gleichen Bedingungen bekommen wie andere Beschäftigte.


Weitere Infos

Es gibt ein Heft in Leichter Sprache über den Mindest-Lohn.

Das Bundes-Ministerium für Arbeit und Soziales hat das Heft geschrieben.

Wollen Sie das Heft lesen?

Dann klicken Sie auf folgenden Link:

Mindest-Lohn


Behinderten-Rechts-Konvention

Fast alle Länder der Welt haben sich zusammengetan.
Fast alle Länder der Welt sind die Vereinten Nationen.
Auf Englisch heißt das: United Nations.
Das spricht man Junaited Näischens aus.
Die Abkürzung heißt: UN

Die UN beschließen Regeln.
Man sagt zu diesen Regeln: Konventionen.
Das spricht man Konwenzionen aus.
Es gibt auch die UN-Behinderten-Rechts-Konvention. 
Die Abkürung ist: UN-BRK.

In der UN-BRK steht:
Alle Menschen haben die gleichen Rechte:
beim Wohnen, beim Lernen, beim Arbeiten und auch sonst überall. 

 

Europäischer Gerichtshof

Die Europäische Union ist eine Gruppe von Ländern in Europa.
Die Abkürzung ist: EU.
Der Europäische Gerichtshof 
sorgt dafür, dass in der EU
alle Gesetze richtig angewendet werden.


Dieser Text wurde übersetzt von:

Isabella von Luxburg

Mitglied im Netzwerk Leichte Sprache e.V.

www.leichtzulesen.org


Der Text wurde geprüft vom:

Zentrum Leichte Sprache Allgäu


Die Bilder sind von:

© Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V.

Der Zeichner ist Stefan Albers, Atelier Fleetinsel, 2013.


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