Nachruf Alexander Gagel

Wir trauern um den langjährigen Herausgeber und Ehrenherausgeber unseres Diskussionsforums, Alexander Gagel, der am 10. Mai 2019 im Alter von 86 Jahren in Kassel gestorben ist. Er war fast 25 Jahre als Richter am Bundessozialgericht tätig und hat dort in einer Reihe von Grundsatzentscheidungen bereits früh wichtige Eckpfeiler zum Recht der Rehabilitation markiert.

Nach der Pensionierung wandte er sich diesem Thema schwerpunktmäßig zu und war einer der ersten, die die grundlegende Bedeutung des SGB IX nicht nur für das Recht der behinderten Menschen, sondern auch für die Struktur des Sozialrechts erkannten. Das 2001 kodifizierte SGBIX hat neue Verbindungslinien zwischen Arbeits- und Sozialrecht geschaffen, die Alexander Gagel von Anfang an mit klarem Blick für die innovativen Elemente dieses Gesetzes aufgegriffen und in seinen Veröffentlichungen herausgearbeitet hat. Die Bedeutung der Rehabilitation im Betrieb (NZA 2001, 988), des betrieblichen Eingliederungsmanagements (NZA 2004, 1359) und der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (Behindertenrecht 2006, 53) zeigen die Bandbreite dieser neuen Erkenntnisse, die eine neue Facette des interdisziplinären Dialogs ermöglichten und verlangten.

Sowohl der Beitrag von Gagel/Schian zur Bedeutung der Rehabilitation bei Bearbeitung und Begutachtung im Rentenverfahren (SGb 2002, 529) als auch sein Aufsatz zur psychosomatischen Begutachtung im Sozialrecht (SGb 2003, 492) sind herausragende Texte, in denen – ebenso wie in dem von ihm mit Joachim Francke herausgegebenen Sammelband zum Sachverständigenbeweis im Sozialrecht – eine interdisziplinäre Kooperation zwischen Sozialmedizin und Sozialrecht erreicht worden ist. Mit dem Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation (IQPR) in Köln wurde ein organisatorischer Rahmen gefunden, um die notwendige Diskussion zu führen, zunächst mit dem „SGB IX Info“, ab 2006 mit dem Diskussionsforum „Prävention und Teilhabe“.

In der Arbeit beim Diskussionsforum zeigte er sich als engagierter und profilierter Inspirator für die interdisziplinäre Diskussion an den verschiedenen Schnittstellen von Sozialrecht, Arbeitsrecht und Sozialmedizin. Es ging darum, etwas Neues aufzubauen, ein Informationsforum zu einem neuen Gesetz, das sich nicht allein und nicht vorrangig an Gerichte oder auch nur an Juristinnen und Juristen wandte, sondern an alle Akteure, die auf diesem Gebiet tätig werden bzw. tätig werden können. Gerade die betrieblichen Akteure und Schwerbehindertenvertretungen waren für ihn eine wichtige Zielgruppe. Er verlangte daher auch von sich und allen anderen, dass die Beiträge für ein solches Diskussionsforum einfach und klar zu strukturieren sind und mit prägnanten Aussagen nicht nur rechtliche, sondern auch politische Diskussionen fördern können. Seit 2006 haben wir in diesem Forum intensiv zusammengearbeitet; Alexander Gagel war es wichtig, mit jungen Juristinnen und Juristen und anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu kooperieren, zu diskutieren und seine Erfahrungen weiterzugeben. Für uns war diese fachliche und persönliche Kooperation eine Bereicherung und ein Anstoß, dieses neue Feld immer weiter zu strukturieren und zu entfalten.

Ab 2010 fanden wir eine stabile Organisationsform mit dem „Diskussionsforum Rehabilitations und Teilhaberecht“ der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR), in dem Alexander Gagel zunächst als Herausgeber und dann bis 2019 als Ehrenherausgeber fungierte. Das war für uns eine Ehre, denn mit Alexander Gagel konnten wir uns auf einen Akteur stützen und verlassen, der das Recht der Rehabilitation integriert hatte in soziales Verfassungsrecht, mit dem der Arbeitsmarkt konstituiert wurde vom Recht der freien Berufswahl sowie der Wahrung und Entfaltung der Persönlichkeitsrechte behinderter Menschen, deren Eignung und Neigung zu fördern und zu realisieren ist. Er zeigte uns zugleich, dass beruflicher Erfolg und individuelles soziales und kämpferisches Engagement einander nicht ausschließen. In diesem Sinn war er Förderer und Vorbild, an das wir uns weiter gern erinnern.

Die Herausgeber des Diskussionsforums

Der Vorstand der DVfR