14.04.2025 A: Sozialrecht Posch: Beitrag A3-2025

Österreich und Art. 27 UN-BRK – Ein Überblick des Status Quo – Teil II: Probleme der geschützten Beschäftigung

Die Autorin Denise Posch (Johannes Kepler Universität Linz) beschäftigt sich in diesem zweiteiligen Beitrag mit Hindernissen für die Umsetzung von Art. 27 UN-BRK (Recht auf Arbeit) in Österreich. Im vorliegenden zweiten Teil befasst sich der Beitrag mit geschützter Beschäftigung in Sonderarbeitswelten. Ähnlich wie in Deutschland gibt es in Österreich ein System von Werkstätten von Menschen mit Behinderungen, in dem aufgrund der fehlenden Arbeitnehmer-Eigenschaft der Beschäftigten kein Mindestlohn gezahlt wird. Das geht in Österreich mit einem fehlenden Sozialversicherungsschutz einher, der faktisch dazu führt, dass Werkstattbeschäftigte beispielsweise für den Krankenversicherungsschutz von ihren Eltern abhängig bleiben und auch keine Ansprüche auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung erwerben können. Der Beitrag schließt mit einem Fazit.

(Zitiervorschlag: Posch: Österreich und Art. 27 UN-BRK – Ein Überblick des Status Quo – Teil II: Probleme der geschützten Beschäftigung; Beitrag A2-2025 unter www.reha-recht.de; 10.04.2025)

III. Einleitung

In den 2023 vom UN-Fachausschuss veröffentlichten „concluding observations“ für
Österreich[1] wurden vor allem die ausgrenzende Wirkung der Etikettierung als „arbeitsunfähig“ und die Segregation von Menschen mit Behinderungen vom offenen Arbeitsmarkt durch die Beschäftigung in sog. „geschützten Werkstätten“ hervorgehoben. Nachdem in Teil I dieses Beitrags das Konzept der „Arbeitsunfähigkeit“ und damit einhergehende Probleme beschrieben wurden, befasst sich dieser zweite Teil mit geschützter Beschäftigung in Österreich und damit verbundenen Problemen für Menschen mit Behinderungen. Der Beitrag schließt mit einer Conclusio.

II. Menschen mit Behinderungen am österreichischen Arbeitsmarkt – „Geschützte Beschäftigung“

Die folgenden Ausführungen haben die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen am geschützten (auch genannt: „dritten“) Arbeitsmarkt zum Thema. An dieser Stelle darf daran erinnert werden, dass es sich hierbei um Beschäftigungsverhältnisse für Menschen handelt, die keine „wirtschaftlich verwertbare Mindestleistungsfähigkeit“ i. S. d. § 11 Abs 1 letzter Satz BEinstG aufweisen und denen eine negative Wiedereingliederungsprognose in den allgemeinen Arbeitsmarkt erteilt wurde. Diese Personen fallen in den Regelungsbereich der Bundesländer, die unter dem Schlagwort „Behindertenhilfe“ eigene Beschäftigungsmodelle für Menschen mit Behinderungen organisieren. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese Beschäftigungsformen oftmals als „geschützte Werkstätten“, „Beschäftigungstherapie“[2] oder „Tagesstrukturen“ bezeichnet. Für mehr als 28.000 Menschen mit Behinderungen in Österreich und damit 2,8 % der Gesamtbevölkerung findet die Arbeitsrealität in diesen Werkstätten statt, wie die Studie „Lohn statt Taschengeld" gezeigt hat.[3]

1. Problemfeld I: Sonderarbeitswelten – Rechtlicher und faktischer Rahmen

Als in Österreich wohnhafter Mensch mit Behinderungen ist man mit einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsquellen konfrontiert, die sich je nach konkretem Wohnort auch noch stark unterscheiden. Kompetenzrechtlich teilen sich der Bund und die einzelnen Bundesländer die gesetzgeberische Aktivität, da dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ein eigener Kompetenztatbestand in den Belangen von Menschen mit Behinderungen fremd ist. Vielmehr stellen die Angelegenheiten sog. Annexmaterien bzw. Querschnittsmaterien dar: Wer zuständig ist, in einer bestimmten Angelegenheit Regelungen betreffend Menschen mit Behinderungen zu erlassen, richtet sich nach den Sachgebieten, die damit in Zusammenhang stehen. Obliegt dem Bund also bspw. die Gesetzgebung und Vollziehung im Arbeitsrecht oder Sozialversicherungswesen (Art. 10 Abs 1 Z 11 B-VG), ist es ebenfalls seine Aufgabe, die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen zu regeln. Fehlt ein derartiger Anknüpfungspunkt zu einer in den Artt. 10–14 B-VG genannten Materien, kommt es gemäß der Generalklausel des Art 15 B-VG zur Zuständigkeit der Länder. Während dies einerseits durchaus begrüßenswert erscheint, weil dadurch in sämtlichen Materien automatisch der Personenkreis der Menschen mit Behinderungen mitbedacht und einbezogen wird (Stichwort: „Mainstreaming“), führt es unweigerlich zu einer Zersplitterung der Rechtsgrundlagen im Bereich der sog. „Behindertenhilfe“.

Dementsprechend unterschiedlich fallen die konkreten rechtlichen Grundlagen aus. Selbst für Juristinnen und Juristen erweist es sich beim Einstieg in das Thema als durchaus anspruchsvoll, die verschiedenen Terminologien der Konzepte geschützter Beschäftigung richtig einzuordnen. Die einzelnen landesgesetzlichen Bestimmungen sind teilweise kaum miteinander vergleichbar und vermengen oftmals einzelne Modelle der Beschäftigungsförderung (geschützte Werkstätte – Lohnzuschüsse – geschützte Arbeitsplätze mit dem Ziel, konkurrenzfähige Arbeitsleistung zu fördern). Einfache Internetrecherchen sind ebenfalls nicht immer ergiebig und selbst bei vorhandenen, online zugänglichen Informationen der einzelnen Bundesländer oder des Bundes ist nicht immer eine Option in einfacher Sprache vorhanden. Insgesamt erweist sich also bereits die Informationsbeschaffung im Bereich Beschäftigungsmodelle für Menschen mit Behinderungen sowohl für Betroffene als auch deren Angehörige als Hürde.[4]

Im Folgenden soll der Begriff „geschützte Beschäftigung“ als Synonym für alle Terminologien verwendet werden bzw. der konkrete Arbeitsplatz im Rahmen dieser Beschäftigung als „geschützte Werkstätte“ bezeichnet werden.[5]

Geschützte Beschäftigung wird von Trägerorganisationen im Auftrag der bzw. in Zusammenarbeit mit den Ländern erbracht.[6] Die einzelnen Trägerorganisationen treten zumeist in Form von gemeinnütziger GmbH[7] oder Vereinen[8] auf. Die jeweiligen Länder stellen den Unternehmen bzw. Vereinen finanzielle Mittel zur Verfügung, mit denen die Trägerorganisationen die in den Landesgesetzen vorgesehenen Beschäftigungsmodelle realisieren. Dementsprechend gelten die Leistungen dieser Trägerorganisationen als Leistungen des jeweiligen Bundeslandes.[9] Den Ländern obliegt die Kontrolle dieser Einrichtungen.[10]

Dadurch ergeben sich aber selbsterklärend wiederum große Unterschiede innerhalb Österreichs, was konkrete Beschäftigungsangebote angeht. Hofer[11] bringt es auf den Punkt, wenn er feststellt, dass es massiv davon abhängt, ob ein Bundesland sowohl die verfügbaren Mittel für diese Form der „Behindertenhilfe“ aufbringen kann, aber auch, ob es diese Mittel aufbringen will – insofern wird die Beschäftigungsrealität von Menschen mit Behinderungen, denen voraussichtlich dauerhaft kein Zugang am allgemeinen Arbeitsmarkt offensteht, von den an ihrem Wohnsitz vorherrschenden politischen und ökonomischen Faktoren bestimmt. Mit anderen Worten bedeutet dies ein undurchsichtiges System aus Normen und Modellen, das stark vom Wohlwollen der jeweiligen Bundesländer und den dort vertretenen Trägerorganisationen abhängt, und eben gerade keinen Schutz und keine Förderung durch österreichweit regulierte und standardisierte Bedingungen.

 

2. Problemfeld II: „Taschengeld“ statt Lohn – fehlende Arbeitnehmer-Eigenschaft

Unmittelbare Konsequenz daraus ist der vorgezeichnete berufliche Weg vieler Menschen mit Behinderungen: Von der „Sonderschule“ in die „Sonderarbeitswelt“ – denn ist man erst einmal „arbeitsunfähig“, fällt man in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer, welche die Beschäftigung am geschützten Arbeitsmarkt (also hauptsächlich: geschützte Werkstätten) regeln. Derzeit hängt es stark von den vorherrschenden politischen und ökonomischen Faktoren innerhalb der einzelnen Bundesländer sowie dem Engagement der einzelnen Trägerorganisationen ab, ob und wie der Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt danach möglich ist.

Für die konkrete Tätigkeit in der geschützten Werkstätte erhalten die Menschen mit Behinderungen lediglich ein „Taschengeld“. Die bereits erwähnte Studie "Lohn statt Taschengeld", durchgeführt von der WU Wien, kommt zu dem Ergebnis, dass dieses „Taschengeld“ österreichweit durchschnittlich € 66 pro Monat beträgt.[12] Es bedarf hierzu keiner weiteren Ausführungen, um zu erkennen, dass diese Praxis in keiner Weise den Postulaten des Art. 27 UN-BRK gerecht wird, noch mit den in Österreich durch Art. 7
B-VG verbrieften Werten in Einklang zu bringen ist. Es ist jedenfalls unmöglich, mit diesem „Einkommen“ eine unabhängige Lebensführung zu betreiben. Der Ausschuss ist in seinen Abschließenden Bemerkungen zu Recht besorgt darüber, dass – neben der stark ausgrenzenden Wirkung dieser segregierten Beschäftigungsplätze – den in geschützten Werkstätten arbeitenden Menschen mit Behinderungen in Österreich lediglich ein „Taschengeld“ statt eines angemessenen Lohns gezahlt wird.[13]

 

3. Problemfeld III: Fehlender Sozialversicherungsschutz

Die fehlende adäquate Entlohnung von in geschützten Werkstätten beschäftigten Menschen birgt eine weitere prekäre Dimension: Im Rahmen ihrer Tätigkeit besteht für sie keine Sozialversicherungspflicht im Sinne des § 4 ASVG, da sie mangels Dienstnehmendeneigenschaft – was infolge der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig logische Konsequenz ist[14] – keinen Anknüpfungspunkt für eine Pflichtversicherung in der österreichischen Sozialversicherung vorweisen.[15] In den Schutz dieser Versicherung gelangt man im Regelfall nämlich durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Dienstnehmerin bzw. Dienstnehmer, worunter die geschützte Beschäftigung gerade nicht fällt.

Das hat drastische Auswirkungen: Menschen mit Behinderungen in geschützter Beschäftigung verfügen über keine eigene Krankenversicherung – Leistungen aus diesem Versicherungszweig können sie nur über eine etwaige Angehörigeneigenschaft erhalten. Rechtlich gesehen bleiben diese Personen ihr Leben lang „Kind“.[16] Auch die Möglichkeit, bei Austritt aus der geschützten Beschäftigungsstruktur eine Alterspension beziehen zu können, wird durch die mangelnde Einbeziehung in die Sozialversicherung praktisch zunichte gemacht.[17] Durch die festgestellte Arbeitsunfähigkeit entfallen für diese Personen auch sämtliche Leistungen der Arbeitslosenversicherung.[18]

Ein absolutes Mindestschutzniveau wurde immerhin mit dem 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz von 2010[19] eingeführt: Personen, die in geschützten Werkstätten beschäftigt sind, unterliegen seit 1. November 2011 gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit m. ASVG einer Teilversicherung in der Unfallversicherung.[20] Die Beiträge sind gemäß § 74 Abs 3 Z 6 ASVG vom jeweiligen Träger der Einrichtung zur Gänze zu tragen.

Die Zuerkennung der Arbeitnehmendeneigenschaft für Menschen, die Dienstleistungen im Rahmen des geschützten Arbeitsmarktes erbringen, ist also nicht nur aus monetärer Sicht geboten, sondern würde ein Sicherheitsnetz um diese Personengruppe spannen – sowohl aus arbeitsrechtlicher[21] als auch sozialversicherungsrechtlicher Sicht.[22] Nur so kann den Anforderungen des Art 27 UN-BRK entsprochen werden und den Menschen mit Behinderungen, die in diesen Werkstätten oftmals wichtige Produktionsaufträge und wettbewerbsfähige Dienstleistungen vollbringen,[23] die nötige Wertschätzung und Sichtbarkeit ihrer Arbeit entgegengebracht werden.[24]

4. Ausblick – „Lohn statt Taschengeld“, gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung

Unter der Forderung „Lohn statt Taschengeld“ wird bereits seit vielen Jahren von zahlreichen Institutionen[25] gefordert, was auch Teil des Regierungsprogramms 2020–2024 war[26] und des Nationalen Aktionsplans Behinderung[27] ist. Im kürzlich veröffentlichten Regierungsprogramm 2025–2029 der neuen Bundesregierung findet man diesbezüglich folgende Punkte: Bestehende Pilotprojekte sollen einer Evaluierung unterzogen und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Menschen mit Behinderungen forciert werden, ebenso wie die Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Ebenfalls soll geprüft werden, ob ein Modell der Teilerwerbsfähigkeit möglichen Einzug in das österreichische Arbeits- bzw. Sozialrecht finden könnte (vgl. hierzu nochmals Beitragsteil I, IV.).[28]

Positiv hervorzuheben ist, dass die österreichische Regierung im Frühjahr 2024 verlautbart hat, eine Summe von 36 Millionen € bereitzustellen, um entsprechende Pilotprojekte, die eine faire Entlohnung auch außerhalb des ersten und zweiten Arbeitsmarktes vorsehen, zu fördern.[29] Im Zuge dessen wurde vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) eine Studie in Auftrag gegeben, um die Kosten einer sozialversicherungspflichtigen Entlohnung von Menschen mit Behinderungen in geschützten Werkstätten berechnen und analysieren zu lassen. Der Endbericht dieser Studie wurde im März 2024 veröffentlicht und veranschaulicht auf detaillierte Weise, welche finanziellen Effekte die Einführung eines Alternativ-Modells (nämlich weg von dem Taschengeldsystem, hin zur sozialversicherungspflichtigen Entlohnung) auf Österreich hätte. Konkret wurde ein Modell angedacht, das statt „Taschengeld“ eine Entlohnung in Höhe von 1.180 €, 14-mal jährlich vorsieht – dieser Wert orientiert sich an der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes des Jahres 2020. Außerdem würden damit sonstige Leistungen (z. B. erhöhte Familienbeihilfe oder gewisse Zuverdienste bei Bezug von Waisenpension) nicht wegfallen. Ein Bezug von Alterspension wäre damit nach 15 Versicherungsjahren ebenfalls möglich.[30]

Die Studie kommt zu positiven Ergebnissen, welche in diesem Rahmen freilich nur rudimentär dargestellt werden können: Die Umstellung auf eine sozialversicherungspflichtige Entlohnung führt zu einem Einkommenszuwachs für Menschen mit Behinderungen, der die erhöhten Ausgaben (= Zahlung eines Lohns) übersteigt. Die Sozialversicherung würde am meisten durch höhere Beitragseinnahmen und reduzierte Ausgaben für Pensionen profitieren. Der Bund würde wiederum leichte Gewinne durch höhere Lohnsteuereinnahmen und niedrigere Ausgaben für Familienbeihilfe erzielen. Die Länder würden die Hauptlast der erhöhten Kosten tragen, könnten jedoch durch den Finanzausgleich teilweise entlastet werden. Insgesamt ergibt sich eine Mehrbelastung für die öffentliche Hand, die jedoch durch positive finanzielle Rückflüsse teilweise kompensiert wird.[31]

An dieser Stelle soll außerdem nicht unerwähnt bleiben, dass es sehr wohl best-practice-Beispiele gibt, die bereits in den aktuellen rechtlichen Gegebenheiten Wege gefunden haben, Menschen mit Behinderungen den Weg aus dem „Ersatzarbeitsmarkt“ hin zu fairer Entlohnung, Sozialversicherung und vor allem faktischer Inklusion am allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Das funktioniert bspw. mit gemeinnütziger Arbeitskräfteüberlassung.[32] Dabei werden Menschen, die eigentlich vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen wären, im Zuge von befristeten Dienstverhältnissen „an den ersten Arbeitsmarkt“ überlassen. Als best-practice-Beispiel kann auf ein konkretes Beschäftigungsmodell des Kärntner Unternehmens autArK[33] hingewiesen werden. Im Rahmen der Beschäftigungsmodelle werden Menschen mit Behinderungen, die nachweislich keine Anstellungsaussichten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben (somit „arbeitsunfähig“ sind), im Rahmen der gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung angestellt und an verschiedene Unternehmen vermittelt. Eine Arbeitsassistenz steht allen Beteiligten als Ansprechpartnerin bzw. Ansprechpartner zur Verfügung. Das heißt, dass Personen, die sich eigentlich dauerhaft in geschützter Beschäftigung am „Ersatzarbeitsmarkt“ befinden würden, durch einen Arbeitsvertrag mit autArK im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung Dienstleistungen am allgemeinen Arbeitsmarkt erbringen können. Als sog. Transitmitarbeitende i. S. d. § 29a SWÖ-KollV haben sie dadurch Anspruch auf ein Entgelt in Höhe von mindestens 1.860,70 € sowie Arbeitnehmendenstatus und alle damit einhergehenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Rechte und Pflichten.

Mit anderen Worten kann man sagen, dass dadurch der dritte/geschützte Arbeitsmarkt im ersten Arbeitsmarkt organisiert wird.

III. Conclusio

Wie dargelegt, erschwert die derzeitige Rechtslage in Österreich die Realisation eines Arbeitsmarktes, der für Menschen mit Behinderungen offen und inklusiv gestaltet ist; viele Menschen mit Behinderungen werden immer noch in geschützten Werkstätten „geparkt“, ohne ernsthafte Möglichkeiten, den allgemeinen Arbeitsmarkt jemals erreichen zu können. Ein großer Teil dieser Probleme lässt sich auf die Qualifizierung als „arbeitsunfähig“ zurückführen. Aus der föderalen Organisation Österreichs ergeben sich für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen schwer durchschaubare Regelwerke – nicht zuletzt bestätigen dies auch zahlreiche Erhebungen und Beiträge.[34]

Positiv fällt hingegen auf, dass die Menge an Studien, die sich mit verschiedensten Aspekten der Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen in Österreich befassen, in den letzten Jahren beachtlich gestiegen ist.[35] Insgesamt deutet dies m. E. auf ein bestehendes Problembewusstsein hin. Nicht zu verkennen ist weiters die Tatsache, dass der Nationale Aktionsplan Behinderung unter Einbindung aller Bundesländer und der Zivilgesellschaft für den Zeitraum bis 2030 abgeschlossen wurde und dementsprechend erwartet werden darf, dass dieses Strategiepapier als beständiger Wegweiser dienen wird.

Nichtsdestotrotz darf nicht verkannt werden, dass sich Österreich mit der Ratifizierung der UN-BRK der völkerrechtlichen Verpflichtung unterworfen hat, die Ziele und Forderungen des Übereinkommens umzusetzen und einzuhalten. Es überrascht nicht, dass die in diesem Beitrag skizzierte Situation nicht mit den Postulaten von Art 27 UN-BRK in Einklang zu bringen ist, wenn dieser einen offenen und inklusiven Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen vorsieht, wo Arbeit frei gewählt und angemessen entlohnt wird. Spätestens mit der Unterzeichnung des Übereinkommens steht es außer Frage, dass es einen Paradigmenwechsel hinsichtlich des Verständnisses von Behinderungen braucht.[36] Eine Abkehr vom medizinischen Modell von Behinderung bedeutet ein Umdenken, das den Menschen mit seinen Fähigkeiten und Ressourcen in den Mittelpunkt stellt und Behinderung als integralen Bestandteil menschlicher Vielfalt versteht. Behinderung ist ein sozialpolitisches, großteils sozial konstruiertes Phänomen und keine medizinische Kennzahl.[37] Eine Etikettierung wie jene der Arbeitsunfähigkeit (welche auch als Stigmatisierung angesehen werden kann) lässt diese Aspekte außer Betracht und kann somit nicht in Einklang mit den Forderungen der UN-BRK gebracht werden.

Literatur

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Auer-Mayer, Behinderung und Arbeitsrecht, DRdA 2018, 183.

Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Abschließende Bemerkungen zum kombinierten zweiten und dritten periodischen Bericht Österreichs, September 2023 (CRPD/C/AUT/CO/2-3).

Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Abschließende Bemerkungen zum ersten Bericht Österreichs, September 2013 (CRPD/C/AUT/CO/1).

Anhang zum Nationalen Aktionsplan Behinderung 2022–2030.

BMSGKP, Studie „Arbeits(un)fähig?“ (2022).

BMSGPK, Nationaler Aktionsplan Behinderung 2022–2030 (2022).

BMSGPK, Studie „Integrative Betriebe 2020+“ (2020).

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Committee on the Rights of Persons with Disabilities, General Comment No 8 on the right of persons with disabilites to work and employment (2022) (CRPD/C/GC/8 Rz).

Degener, Die UN-Behindertenrechtskonvention – ein neues Verständnis von Behinderung, in Degener/Diehl (Hrsg): Handbuch der Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe (2015) 55.

Dimmel, Inklusive Arbeit für alle, in FS Pfeil (2022) 363.

Dimmel/Pimpel, 2-Säulen-Modell, Einkommen und Existenzsicherung von Menschen mit Behinderungen, Vorstudie der Lebenshilfe Österreich (2020).

Födermayr, Menschen mit Behinderung im Sozialrecht in Reissner/Mair (Hrsg), Menschen mit Behinderung im Arbeits- und Sozialrecht2 (2021) 131.

Gloning, Lohn statt Taschengeld, Arbeit&Wirtschaft 2024/3, 6.

Hofer, Förderung arbeitender Menschen mit Behinderung in Reissner/Mair (Hrsg), Menschen mit Behinderung im Arbeits- und Sozialrecht2 (2021) 107.

Klaushofer, Lohn statt Taschengeld, in FS Pfeil (2022) 451.

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Mayer S., Behinderung und Arbeitsrecht (2010).

Regierungsprogramm 2020–2024, abrufbar unter https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html, zuletzt abgerufen am 09.04.2025.

Reissner, Die Integration von Menschen mit Behinderung ins Arbeitsleben – arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen, in Reissner/Mair (Hrsg), Menschen mit Behinderung im Arbeits- und Sozialrecht2 (2021) 1.

Schrattbauer/Pfeil, Rechtsfragen der gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung, DRdA 2014, 3.

Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz (18. Lfg 2021) § 8 AlVG.

Volksanwaltschaft, Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung, Sonderbericht (2019).

Widy in Widy (Hrsg) Behinderteneinstellungsgesetz9 (2022) § 11.

Online-Quellen:

https://www.behindertenrat.at/2024/03/behindertenrat-begruesst-startschuss-fuer-lohn-statt-taschengeld-projekte/, zuletzt abgerufen am 10.03.2025.

https://www.bmaw.gv.at/newsletter/Newsletter-04-2024/Lohn-statt-Taschengeld.html, zuletzt abgerufen am 10.03.2025.

https://www.derstandard.at/story/3000000198507/werkstaetten-fuer-menschen-mit-behinderung-sind-nicht-mehr-zeitgemaess, zuletzt abgerufen am 10.03.2025.

https://www.derstandard.at/story/3000000211438/regierung-will-36-millionen-euro-in-inklusive-beschaeftigung-investieren, zuletzt abgerufen am 10.03.2025.

Beitrag von Denise Posch, Johannes Kepler Universität Linz

Fußnoten

[1] CRPD/C/AUT/CO/2-3.

[2] So der Wortlaut auf der Website von oesterreich.gv.at! Vgl. https://www.oesterreich.gv.at/themen/menschen_mit_behinderungen/arbeit_und_behinderung/Seite.1241100.html, zuletzt abgerufen am 10.03.2025.

[3] BMSGPK (Hrsg), Studie "Lohn statt Taschengeld" (2024) 24.

[4] In diesem Sinne auch Hofer in Reissner/Mair 107 (122).

[5] Vgl. allg. zu den Terminologien nochmals BMSGPK (Hrsg), Studie "Lohn statt Taschengeld" (2024) 6.

[6] BMSGPK (Hrsg), Studie "Lohn statt Taschengeld" (2024) 6; vgl bspw §§ 4, 45 Ktn ChG und §§ 6, 26 Abs 2 Oö ChG.

[7] Beispielhaft für Oberösterreich kann an dieser Stelle die Diakonie gemeinnützige GmbH oder Miteinander – Gesellschaft zur Integration von Menschen mit besonderen Bedürfnissen mbH, für Kärnten autArK Soziale Dienstleistungs-GmbH genannt werden.

[8] Bspw. die lebenshilfe Oberösterreich.

[9] Vgl. bspw. die Erklärung der lebenshilfe Oberösterreich https://ooe.lebenshilfe.org/ueber-uns/lebenshilfe-ooe, zuletzt abgerufen am 10.03.2025.

[10] Vgl. bspw. § 46 Abs 2 Ktn ChG und § 29 Oö ChG.

[11] Hofer in Reissner/Mair 107 (122).

[12] BMSGPK (Hrsg), Studie „Lohn statt Taschengeld" (2024) 6.

[13] CRPD/C/AUT/CO/2-3 Rz 63 lit c.

[14] Aber ihre Begründung auch in der heftig kritisierten Rsp. des OGH findet, der die Dienstnehmendeneigenschaft – verkürzt gesagt – daran scheitern lässt, dass die Beschäftigung in derlei geschützten Werkstätten (auch) dem Eigeninteresse des Menschen mit Behinderungen dient; hierzu ausführlich statt vieler Reissner in Reissner/Mair 1 (7 ff).

[15] Dimmel in FS Pfeil 363 (371); Reissner in Reissner/Mair 1 (37).

[16] Födermayr in Reissner/Mair 131 (137).

[17] BMSGPK (Hrsg), Studie „Lohn statt Taschengeld" (2024) 7; Volksanwaltschaft, Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung, Sonderbericht (2019) 8, 11.

[18] Klaushofer in FS Pfeil 451 (452); Födermayr in Reissner/Mair 131 (144).

[19] BGBl I 2010/102.

[20] Födermayr in Reissner/Mair 131 (137).

[21] Wie eingangs festgestellt, kommen nur AN in den Genuss weitrechender Rechte wie bezahlten Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall etc, Klaushofer in FS Pfeil 451 (452).

[22] CRPD/C/AUT/CO/2-3 Rz 64 lit b, c.

[23] So wurden während der Covid-19-Pandemie rund 75.000 Testpakete von Menschen im Rahmen geschützter Beschäftigung verpackt, die dafür lediglich ein Taschengeld erhielten, vgl. https://www.derstandard.at/story/3000000198507/werkstaetten-fuer-menschen-mit-behinderung-sind-nicht-mehr-zeitgemaess, zuletzt abgerufen am 10.03.2025; auch das Kuvertieren von Briefen, Verpacken von Informationsmaterial, Sortieren von Lebensmitteln und der Verkauf und die Herstellung eigener Produkte fällt maßgeblich darunter, vgl. Gloning, Lohn statt Taschengeld, Arbeit&Wirtschaft 2024/3, 6 (7).

[24] Volksanwaltschaft, Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung, Sonderbericht (2019) 8; Regierungsprogramm 2020–2024, 279.

[25] Lebenshilfe, Gehalt statt Taschengeld! (2019); Volksanwaltschaft, Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung, Sonderbericht (2019).

[26] Regierungsprogramm 2020–2024, 279.

[27] BMSGPK, Nationaler Aktionsplan Behinderung 2022–2030 (2022) 108.

[28] Regierungsprogramm 2025–2029, 102.

[29] Vgl. BMSGPK und BMAW, Vortrag an den Ministerrat von 12.03.2024, 91/9; https://www.bmaw.gv.at/newsletter/Newsletter-04-2024/Lohn-statt-Taschengeld.html, zuletzt abgerufen am 10.03.2025; https://www.behindertenrat.at/2024/03/behindertenrat-begruesst-startschuss-fuer-lohn-statt-taschengeld-projekte/, zuletzt abgerufen am 10.03.2025; https://www.derstandard.at/story/3000000211438/regierung-will-36-millionen-euro-in-inklusive-beschaeftigung-investieren, zuletzt abgerufen am 10.03.2025.

[30] BMSGPK (Hrsg), Studie "Lohn statt Taschengeld" (2024) 80.

[31] BMSGPK (Hrsg), Studie "Lohn statt Taschengeld" (2024) 79 ff.

[32] Vgl. allg. dazu Schrattbauer/Pfeil, Rechtsfragen der gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung, DRdA 2014, 3.

[33] https://www.autark.co.at/#, zuletzt abgerufen am 09.04.2025.

[34] Bspw. BMSGKP, Studie „Arbeits(un)fähig?“ (2022) 10 „Die rechtlichen Grundlagen, die in Österreich den Begriff „Arbeits(un)fähigkeit“ fundieren, sind – so scheint es – auch für Expert*innen kaum durchsichtig. Dementsprechend schwierig ist es, Veränderungen anzustoßen.“; Dimmel/Pimpel, 2-Säulen-Modell 363, fordern eine „transparenten Vereinfachung des Systems der Behindertenhilfe in Österreich durch Reduktion der rechtlichen Komplexität und der Verringerung der Zahl unterschiedlicher Transferflüsse sowie involvierten Behörden“; nicht zuletzt auch die Ausführungen in den Abschließenden Bemerkungen, CRPD/C/AUT/CO/2-3 Rz. 9, 10.

[35] Vgl. nur die im Zuge dieser Abhandlung häufig zitierten Studien des BMSGPK.

[36] Auer-Mayer, Behinderung und Arbeitsrecht, DRdA 2018, 183 (191).

[37] Ausführlich dazu Degener in Degener/Diehl 55.


Stichwörter:

Internationales, Österreich, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Teilzeitbeschäftigung, Geschützte Beschäftigungsverhältnisse, UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), Teilhabe am Arbeitsleben


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