03.07.2020 D: Konzepte und Politik Gast-Schimank: Beitrag D18-2020

Zur Kombination eines Budgets für Arbeit mit weiteren Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, speziell einer Arbeitsassistenz

Die Autorin untersucht, ob ein Budget für Arbeit mit einer Arbeitsassistenz kombiniert werden kann. Zu den Leistungsbestandteilen des Budgets für Arbeit zählen gem. § 61 SGB IX neben dem Lohnkostenzuschuss die Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz. Diese wird in einigen Bundesländern durch einen Pauschalbetrag abgegolten. Fraglich ist, inwieweit weitere Sozialleistungen einbezogen werden können, wenn ein solcher Pauschalbetrag den benötigten Unterstützungsbedarf im Einzelfall nicht decken kann. Die Autorin hält die Kombination mit weiteren Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere auch mit einer Arbeitsassistenz, für zulässig. Alternativ komme eine Erhöhung des Pauschalbetrags durch das Integrationsamt in Betracht.

(Zitiervorschlag: Gast-Schimank: Zur Kombination eines Budgets für Arbeit mit weiteren Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, speziell einer Arbeitsassistenz; Beitrag D18-2020 unter www.reha-recht.de; 03.07.2020)

I. Thesen der Autorin

  1. Das Budget für Arbeit muss notwendigerweise mit weiteren Leistungen abgestimmt werden, um wirksam zu sein.
  2. Es fehlt an einer ausdrücklichen Regelung zur Abstimmung mit anderen Leistungen zur Teilhabe und deren Integration in ein „Budget für Arbeit“ in Gestalt einer Leistung aus einer Hand. Gleichzeitig ist keine Regelung bekannt, die eine Kombination des Budgets für Arbeit mit weiteren Leistungen ausschließt.
  3. Eine Arbeitsassistenz kann im Zuständigkeitsbereich der Integrationsämter oder der Reha-Träger liegen. Eine Zuständigkeit der Eingliederungshilfeträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) nach § 49 SGB IX ist seit dem 01.01.2020 nicht mehr vorgesehen. Menschen, die ein Budget für Arbeit im Rahmen der Eingliederungshilfe (EGH) erhalten, können dennoch LTA durch andere Reha-Träger sowie das Integrationsamt erhalten.
  4. Eine Alternative zur Kombination des Budgets für Arbeit mit einer Arbeitsassistenz bietet § 185 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX, auf dessen Grundlage eine Erhöhung festgelegter Pauschalbeträge im Rahmen des Budgets für Arbeit denkbar ist.

II. Ausgangssituation

In der Praxis wurde mehrfach die Frage nach den Kombinationsmöglichkeiten eines Budgets für Arbeit (§ 61 SGB IX)[1] mit weiteren Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 49 SGB IX), im Besonderen mit einer Arbeitsassistenz gestellt.

In einem konkreten Fall[2] wird ein Budget für Arbeit durch den Träger der Eingliederungshilfe gewährt. Neben dem Lohnkostenzuschuss nach § 61 Abs. 2 S. 1 HS 1 SGB IX wird ein nach Landesrecht festgelegter Pauschalbetrag gezahlt für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz nach § 61 Abs. 2 S. 1 HS 2 SGB IX. Dieser beträgt im Praxisfall 250 Euro monatlich. Die Pauschale ist aus Sicht der leistungsberechtigten Person zu gering und deckt die notwendigen Unterstützungsbedarfe nicht, weswegen eine zusätzliche Arbeitsassistenz beim Integrationsamt beantragt worden ist. Nach Ansicht des Integrationsamtes decke die Pauschale alle arbeitgeberseitigen Aufwendungen ab. Hierauf basierend soll im Folgenden untersucht werden, inwieweit eine Kombination des Budgets für Arbeit mit einer Arbeitsassistenz möglich ist und welche Alternativen ggf. bestehen.

III. Arbeitsassistenz: Rechtsgrundlagen und Zuständigkeit

1. Assistenzbegriff

Der Begriff der Arbeitsassistenz ist im SGB nicht legaldefiniert. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) definiert in den BIH-Empfehlungen zur Arbeitsassistenz[3] die Tätigkeit einer Arbeitsassistenz als:

„[…] über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogene regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Menschen mit Assistenzbedarf (schwerbehinderte Menschen) durch eine persönliche Assistenzkraft (Assistenzkraft). In der Regel handelt es sich hierbei um Handreichungen, die den schwerbehinderten Menschen in die Lage versetzen, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.[4]

Eine Arbeitsassistenz ist damit ausschließlich für unterstützende Tätigkeiten zuständig, der inhaltlich prägende Kernbereich des Arbeitsvertrages und die dienstrechtlich geschuldeten Arbeitsaufgaben müssen vom Menschen mit Behinderung selbst erledigt werden.[5] Als mögliche Tätigkeiten nennen die BIH-Empfehlungen u. a. Scannen, Kopieren, Faxen, Vorlesen sowie Tätigkeiten von Gebärdensprach- oder Schriftdolmetschern.[6]

Die Empfehlungen dienen als Orientierungshilfe, haben aber keinen rechtsverbindlichen Charakter.

Abzugrenzen ist die Arbeitsassistenz von den in § 78 SGB IX vorgesehenen Assistenzleistungen, die Leistungen der Sozialen Teilhabe sind.[7]

2. Arbeitsassistenz auf Grundlage von § 49 Abs. 8 Nr. 3 SGB IX sowie § 185 Abs. 5 SGB IX i. V. m. § 17 Abs. 1a SchwbAV

Die Hilfe nach § 49 Abs. 8 Nr. 3 SGB IX wird als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes klassifiziert und ist zeitlich begrenzt.[8] Sie wird für die Dauer von bis zu drei Jahren gewährt und von den Integrationsämtern ausgeführt (§ 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX), um einen später möglichen Träger- oder Assistenzwechsel zu vermeiden.[9] Die Kosten werden vom zuständigen Rehabilitationsträger erstattet (§ 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX). Mögliche Rehabilitationsträger sind die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Unfallversicherung sowie die Träger der Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge unter den Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze (vgl. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IX).

Nach drei Jahren ist eine zeitlich unbefristete Finanzierung in der Zuständigkeit des Integrationsamtes als begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus Mitteln der Ausgleichabgabe möglich. Rechtsgrundlage ist § 185 Abs. 5 SGB IX i. V. m. § 17 Abs. 1a Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV). Die Leistung ist gegenüber denen der Rehabilitationsträger nachrangig (vgl. § 185 Abs. 6 S. 1 SGB IX).

Eine Arbeitsassistenz auf diesen Rechtsgrundlagen erhalten schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen. Die Leistung setzt zudem eine Beschäftigung in einem tariflich oder ortsüblich entlohnten Beschäftigungsverhältnis auf einem Arbeitsplatz im Sinne der §§ 156 Abs. 1 und 185 Abs. 2 S. 3 SGB IX voraus.[10] Davon, dass eine Beschäftigung mit einem Budget für Arbeit hierzu zählt, ist auszugehen. § 156 SGB IX liefert keine anderen Hinweise. Zudem spricht auch § 61 SGB IX von Arbeitsverhältnissen mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung. Die beinahe identische Formulierung spricht eindeutig dafür, dass Beschäftigte mit einem Budget für Arbeit auf Arbeitsplätzen i. S. d. § 156 SGB IX beschäftigt werden.

3. Arbeitsassistenz als sonstige Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX

Eine andere Möglichkeit ist, dass eine Arbeitsassistenz als sonstige Hilfe zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Grundlage von § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX erbracht wird.[11] Von der Rechtsprechung anerkannt wurden bspw. eine Arbeitsassistenz als ausbildungsbegleitende Hilfe[12] sowie im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)[13].

In der Regel wird hier eine Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit gegeben sein, die sich nach § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX i. V. m. § 118 SGB III richtet. Höchstrichterlich ist bestätigt, dass § 118 SGB III unvollständig und daher um die Leistungen gem. § 49 SGB IX zu ergänzen ist.[14]

IV. Zur Kombination eines Budgets für Arbeit mit einer Arbeitsassistenz

1. Grundsätzlich

Grundsätzlich ist die Kombination mehrerer LTA möglich und ausdrücklich vorgesehen. Es wird davon ausgegangen, dass die Kombination und Abstimmung einzelner Rehabilitationsleistungen im Sinne eines Gesamtpaketes am besten geeignet ist, den Rehabilitationserfolg herbeizuführen.[15] Leistungen sind auf den individuellen Bedarf abzustimmen und in einem partizipativen Verfahren zu planen. Hierfür sieht das SGB IX das Teilhabeplanverfahren nach § 19 ff. SGB IX sowie für die Eingliederungshilfe das Gesamtplanverfahren nach §§ 117 ff. SGB IX vor. Ein Ausschluss des Budgets für Arbeit von diesem Grundsatz ist nicht bekannt. Damit ist eine Kombination eines Budgets für Arbeit mit einer Arbeitsassistenz grundsätzlich denkbar.

2. Problemaufriss: Auseinanderklaffende Zuständigkeiten und Fehlgebrauch des Status „voll erwerbsgemindert“

Fehlende Zuständigkeit der Eingliederungshilfeträger für Leistungen nach § 49 SGB IX

Aufgrund des Ausschlusses der Bundesagentur für Arbeit für Leistungen des Budgets für Arbeit in § 63 Abs. 3 SGB IX wird in der überwiegenden Anzahl der Fälle die EGH zuständig sein. Gleichzeitig wurde eine Zuständigkeit des EGH-Trägers für Leistungen nach § 49 SGB IX mit der Reform der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG)[16] ausgeschlossen. Grund hierfür ist die neue Regelung in § 111 SGB IX. Seit der BTHG-Reform umfasst die Vorschrift nur noch die sog. „Leistungen zur Beschäftigung“. In § 111 SGB IX werden folgende Leistungen der EGH abschließend aufgezählt:

  • Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM und Leistungen bei anderen Anbietern und damit verbunden das Arbeitsförderungsgeld,
  • das Budget für Arbeit,
  • Gegenstände und Hilfsmittel, die zur Aufnahme und Förderung der Beschäftigung erforderlich sind.

Die Norm löst § 54 SGB XII ab, der in Abs. 1 S. 1 noch einen umfassenden Verweis auf den früheren § 33 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) enthielt. Vom Gesetzgeber ist dieser Ausschluss gewollt. So heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 111 SGB IX:

„Abweichend vom bisherigen Recht (§ 54 Absatz 1 Satz 1 SGB XII) wird in Absatz 1 nicht mehr auf Vorschriften über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Teil 1 (§ 49, vormals § 33) verwiesen, da sich diese Leistungen – außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Eingliederungshilfe – an erwerbsfähige Personen richten, für die in Bedarfsfällen in der Regel (wenn kein anderer vorrangig zuständiger Leistungsträger wie die gesetzliche Rentenversicherung in der Leistungspflicht steht) die Bundesagentur für Arbeit zuständiger Leistungsträger ist. Deren Leistungen konnten bereits nach bisherigem Recht (§ 54 Absatz 1 Satz 2 SGB XII) von der Eingliederungshilfe weder ersetzt noch ergänzt werden. Eine Ausfallbürgschaft der Eingliederungshilfe für von der Bundesagentur für Arbeit nach eigenem Recht nicht oder nicht bedarfsdeckend erbrachte Leistungen an erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen verbietet sich insoweit auch nach neuem Recht.“[17]

Für die Frage zur Kombinationsfähigkeit des Budgets für Arbeit mit einer Arbeitsassistenz ergibt sich daraus zunächst, dass die EGH nicht Träger sein kann. Allerdings schließt das weitere LTA neben einem Budget für Arbeit nicht aus, da, wie zuvor dargestellt, eine trägerübergreifende Leistungskombination dem SGB IX immanent ist (siehe Punkt IV.1.).

Volle Erwerbsminderung weder Leistungsvoraussetzung für ein Budget für Arbeit noch Ausschlusskriterium für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Für Verwirrung könnte die zuvor zitierte Passage der BTHG-Gesetzesbegründung sorgen, in der es heißt, dass sich die Leistungen nach § 49 SGB IX an erwerbsfähige Personen richten. Das Kriterium der vollen Erwerbsminderung wurde in der Fachliteratur im Zusammenhang mit den Leistungsvoraussetzungen für ein Budget für Arbeit bereits kritisch diskutiert.[18]

Diese schematische Trennung, die im Kern die Annahme beinhaltet, dass erwerbsunfähige Personen ausschließlich auf die Leistungen der Eingliederungshilfe verwiesen werden und nur erwerbsfähige Personen in den Genuss weiterer LTA nach §§ 49 ff. SGB IX kommen, lässt sich mit dem SGB nicht begründen. Zudem birgt eine solche Sicht die Gefahr, individuelle, bedarfsgerechte Leistungsarrangements zu verhindern, und würde die Ansprüche von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf erheblich beschränken.

Budget für Arbeit und volle Erwerbsminderung

In verschiedenen juristischen wie auch sozialwissenschaftlichen Beiträgen des Diskussionsforums Rehabilitations- und Teilhaberecht sowie auch in der juristischen Fachliteratur wurde bereits dargestellt, weshalb die Annahme, das Budget für Arbeit setze eine volle Erwerbsminderung voraus, systematisch nicht haltbar ist. Zu den wesentlichen Argumenten zählen:

  • § 61 SGB IX benennt als Anspruchsvoraussetzungen:
    • das Vorliegen einer Behinderung,
    • den Anspruch auf Leistungen nach § 58 SGB IX,
    • das Angebot eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses,
    • den Abschluss des Arbeitsvertrages. Eine volle Erwerbminderung wird in § 61 SGB IX nicht als Leistungsvoraussetzung genannt.
  • § 61 SGB IX verweist auf § 58 SGB IX (Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM). Die in § 58 genannten Leistungsvoraussetzungen müssen damit ebenfalls herangezogen werden. Zu diesen zählen:
    • das Vorliegen einer Behinderung,
    • Wegen Art oder schwere der Behinderung ist eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschließlich der Beschäftigung in einem Inklusionsbetrieb nicht, noch nicht oder noch nicht wieder möglich ODER eine Berufsvorbereitung, eine individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung, eine berufliche Anpassung und Weiterbildung oder eine berufliche Ausbildung ist nicht, noch nicht oder noch nicht wieder möglich,
    • es muss ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit erbracht werden. Eine volle Erwerbsminderung wird auch von § 58 SGB IX nicht verlangt.
  • Weitere spezielle Regelungen zu den WfbM finden sich im Schwerbehindertenrecht (SGB IX, Teil 3). § 219 SGB IX konkretisiert die Regelungen des § 58 SGB IX. § 219 Abs. 1 SGB IX wiederholt die Anspruchsvoraussetzungen aus § 57 SGB IX. In Abs. 2 heißt es zudem:

„Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. …“

Die Aussage, dass die WfbM allen behinderten Menschen offensteht, unabhängig von der Schwere ihrer Behinderung, widerspricht der Annahme, dass es für die Aufnahme in eine WfbM der vollen Erwerbsminderung bedürfe.

Im Ergebnis ist die volle Erwerbsminderung damit keine Voraussetzung für das Budget für Arbeit. Somit kann auch nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass alle Menschen, die mit einem Budget für Arbeit beschäftigt sind, auch voll erwerbsgemindert sind.[19]

Nichtsdestotrotz wird es Budget-Beschäftigte geben, die eine volle Erwerbminderung haben. Aus der in der Gesetzesbegründung bisweilen vertretenen Trennung zwischen der Zuständigkeit der EGH für voll erwerbsgeminderte Personen und der Zuständigkeit der weiteren Reha-Träger für erwerbsfähige Personen[20] würden erhebliche Einschränkung der Leistungsansprüche für voll erwerbsgeminderte Personen folgen. Fraglich ist daher, ob die Leistungen der anderen Reha-Träger sowie der Integrationsämter tatsächlich nur an erwerbsfähige Personen erbracht werden.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 SGB IX und volle Erwerbminderung

Für Menschen, die im Rahmen der EGH ein Budget für Arbeit erhalten, wird in den meisten Fällen die Bundesagentur für Arbeit für weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Frage kommen. Eine volle Erwerbsminderung schließt hierbei die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nicht aus. Auch die Hilfen der Integrationsämter können an voll erwerbsgeminderte Menschen erbracht werden. Die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit sowie der Integrationsämter dienen auch dazu, eine eventuell fehlende Erwerbsfähigkeit herzustellen oder wiederherzustellen (vgl. § 112 Abs. 1 SGB III). Die verschiedenen Leistungen des Integrationsamtes gem. § 185 Abs. 3 SGB IX zeigen außerdem, dass sich diese gezielt an Menschen, die z. B. bisher in der WfbM beschäftigt waren, richten, vgl. nur § 185 Abs. 3 Nr. 2 lit. e) SGB IX. Vor dem Hintergrund von Systematik und Intentionen des SGB IX ist es damit nicht haltbar Menschen, die voll erwerbsgemindert sind und Leistungen im Bereich der EGH erhalten, von weiteren LTA nach § 49 SGB IX auszuschließen.

Definition des Begriffs Arbeitsassistenz und volle Erwerbsminderung, Erhöhung einer möglichen Budget-für-Arbeit-Pauschale

Fraglich ist allerdings, inwieweit eine volle Erwerbsminderung mit Begriff und Wesen der Arbeitsassistenz harmoniert, denn Arbeitsassistenz setzt begrifflich die Fähigkeit des Menschen mit Behinderung voraus, den inhaltlich prägenden Kernbereich des Arbeitsvertrages und die dienstrechtlich geschuldeten Arbeitsaufgaben erfüllen zu können (vgl. dazu oben Punkt III.1). Auch wird im Einzelfall zu prüfen sein, inwieweit jemand, der von einer andere Person Unterstützung im Sinne einer Anleitung und Begleitung i. S. d. § 61 Abs. 2 S. 1 HS 2 SGB IX erhält, selbst eine Assistenz anleiten kann. Bei der Vielzahl denkbarer Konstellationen in der Praxis ist dies jedenfalls nicht pauschal auszuschließen.

Aber selbst wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass eine Arbeitsassistenzperson von voll erwerbsgeminderten Budget-Beschäftigten nicht in dem Sinne angeleitet werden kann, dass der Kernbereich der Arbeit von dem Menschen mit Behinderung noch selbst erfüllt wird, muss nach Möglichkeiten gesucht werden, einen zu geringen Pauschalbetrag im Rahmen des Budget für Arbeit zu erhöhen, um tatsächliche Bedarfe zu decken. Andernfalls besteht das Risiko, dass das Budget für Arbeit mangels Bedarfsdeckung ins Leere läuft.

Es ist davon auszugehen, dass von diesen Konstellationen Personen mit einem besonders hohen Unterstützungsbedarf betroffen sind. Eine Pauschale i. H. v. 250 Euro monatlich, wie sie im eingangs erwähnten Praxisfall landesweit festgelegt wurde, wäre dann deutlich zu niedrig. Hierfür sprechen auch die früheren BIH-Empfehlungen zur Arbeitsassistenz. Diese enthielten bis 2012 folgende Richtwerte für die monatlichen Budgets einer Arbeitsassistenz, gemessen am arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf:

  • bei weniger als einer Stunde = bis zu 275 Euro mtl. 
  • 1–2 Stunden = bis zu 550 Euro mtl.
  • 2–3 Stunden bis zu 825 Euro mtl.
  • mindestens 3 Stunden = bis zu 1100 Euro mtl.

Auch wenn hiervon mittlerweile abgewichen wurde, um eine individuelle Ermittlung des Bedarfs zu ermöglichen,[21] verdeutlichen diese Werte, dass eine Pauschale i. H. v. mtl. 250 Euro für die Anleitung und Begleitung sicher zu gering ist.

Eine Möglichkeit, einen zu geringen Pauschalbetrag zu erhöhen, findet sich in § 185 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX. Die Vorschrift sieht vor, dass sich die Integrationsämter im Rahmen der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben an den Kosten für ein Budget für Arbeit beteiligen können. Dafür, dass eine solche Erhöhung geboten ist, spricht auch die Gesetzesbegründung zu § 61 SGB IX. Grundsätzliche Intention des BTHG ist es, dass sich Leistungen am persönlichen Bedarf orientieren. § 61 SGB IX betreffend heißt es diesbezüglich:

„Darüber hinaus wird der Mensch mit Behinderungen eine möglicherweise dauerhafte persönliche Unterstützung benötigen, um die Tätigkeit ausüben zu können. Auch die hierfür erforderlichen finanziellen Aufwendungen, etwa für eine Arbeitsassistenz oder einen Job-Coach, gehören zu den Leistungen im Rahmen des Budgets für Arbeit. Dauer und Umfang der Leistungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls.“[22]

V. Zusammenfassende Betrachtung und Erforderlichkeit der Leistungskoordination

Die Kombination eines Budgets für Arbeit mit einer Arbeitsassistenz sowie mit weiteren LTA nach § 49 SGB IX ist grundsätzlich zulässig und kann damit auch beansprucht werden und zwar auch dann, wenn das Budget für Arbeit vom Träger der EGH geleistet wird. Auch wenn die Träger der EGH seit dem 01.01.2020 nicht mehr für Leistungen nach § 49 SGB IX zuständig sind, schließt dies Leistungen anderer Rehabilitationsträger sowie des Integrationsamtes nicht aus. Die Versagung der individuell notwendigen Teilhabeleistungen für eine Beschäftigung im Rahmen eines Budgets für Arbeit schließt Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf von der Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt aus und verstößt damit gegen Art. 27 UN-BRK.

Der Wunsch nach Systematisierung und klarer Zuordnung ist aus verwaltungspraktischer Sicht nachvollziehbar. Eine Zuordnung zu den Systemen der Teilhabeleistungen anhand der Kategorie „voll erwerbsgemindert“ und „erwerbsfähig“ erweist sich jedoch als nicht dienlich. Rehabilitationsrechtliche Unterstützungsarrangements müssen genauso vielseitig gedacht werden, wie es die Lebensrealitäten von Menschen mit Behinderungen sind.

Die Vorschriften zur Leistungskoordination, in die unter Maßgabe des § 185 Abs. 7 SGB IX auch die Integrationsämter einbezogen sind, werden hierbei helfen. Ebenfalls liefern die Regelungen zur Teilhabeplanung und Zusammenarbeit (§§ 24 ff. SGB IX, §§ 117 ff. SGB IX) wichtige Handlungsanweisungen und sind für eine bedarfsgerechte Leistungsgewährung „wie aus einer Hand“ unerlässlich.

Beitrag von Cindy Gast-Schimank, Sozialrecht LL.M.

Fußnoten

[1] Mattern: Das Budget für Arbeit – Diskussionsstand und offene Fragen – Teil I bis Teil III; Beiträge D5-2020, D6-2020, D7-2020; Schaumberg: Das Budget für Arbeit – Erste Überlegungen zur Anwendung in der Praxis; Beitrag A8-2018;; 11.04.2018; Theben: Das Budget für Arbeit oder (Irr)Wege aus der Werkstatt; Beitrag A3-2018; 22.02.2018; Nebe/Schimank: Das Budget für Arbeit im Bundesteilhabegesetz; Teil 1: Darstellung der Entwicklung und kritische Betrachtung bis zur Befassung im Bundesrat; Beitrag D47-2016; 16.11.2016 sowie Schimank: Das Budget für Arbeit im Bundesteilhabegesetz – Teil 2: Öffentliche Anhörung und abschließende Beratung im Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie 2. und 3. Lesung im Bundestag; Beitrag D60-2016; 09.12.2016; Nebe/Waldenburger: Überlegungen zu einem Budget für Arbeit (BfA); Forum D, Beitrag D26-2014; 12.12.2014 alle unter www.reha-recht.de.

[2] Dazu Interview RP Reha 2019, Heft 4, S. 29 ff.

[3] Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 185 Abs. 5 SGB IX, abrufbar unter https://www.integrationsaemter.de/bih-empfehlungen/547c236/index.html, zuletzt abgerufen 19.05.2020.

[4] Ebd., S. 2.

[5] Ebd., S. 2.; vertiefend Conrad-Giese (2019), Persönliche Assistenz für Kinder mit Behinderungen – Rechtliche Gewährleistung unter besonderer  Berücksichtigung des Teilhabe-, Sozial- und Schulrechts, S. 433 ff. unter Verweis auf BAG UB e.V. (Hrsg.) (2019), Handbuch Arbeitsassistenz, 4. Aufl., S. 12 f. und VG Halle (Saale) v. 29.11.2001 – 4 A 496/99.

[6] Ebd., S. 2.

[7] Zu den verschiedenen Modellen persönlicher Assistenzleistungen und deren Abgrenzung siehe Conrad-Giese (2019), Persönliche Assistenz für Kinder mit Behinderungen - Rechtliche Gewährleistung unter besonderer Berücksichtigung des Teilhabe-, Sozial- und Schulrechts, S. 78 ff.

[8] Busch (2020), in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.), SGB IX, 4. Aufl., Kommentierung zu § 49 SGB IX, Rn. 66.

[9] Luik (2019), in: Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., Kommentierung zu § 49 SGB IX, Rn. 247.

[10] Ebd., Rn. 252.

[11] Luik (2018), in: Deinert/Welti, Stichwortkommentar Behindertenrecht, 2. Aufl., Stichwort Arbeitsassistenz, Rn. 2.

[12] BVerwG v. 10.1.2013 – 5 C 24/11; BSG v. 4.6.2013 – B 11 AL 8/12 R; BSG v. 4.6.2013 – B 11 AL 8/12 R.

[13] LSG Sachsen-Anhalt v. 27.11.2014 – L 2 AL 41/14 B ER.

[14] BSG v. 04.06.2013 - B 11 AL 8/12 R sowie BVerwG v. 10.01.2013 - 5 C 24/11.

[15] Luik, in Deinert/Welti, Stichwortkommentar Behindertenrecht, 2. Aufl., Stichwort Teilhabe am Arbeitsleben, Rn. 8 unter Verweis auf BSG v. 23.04.1992 – 13/5 RJ 12/90.

[16] Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG), Gesetz vom 23.12.2016 – Bundesgesetzblatt Teil I 2016 Nr. 66 29.12.2016 S. 3234.  

[17] Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 283.

[18] Nebe, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.), SGB IX, 4. Aufl., Kommentierung zu § 61 SGB IX, Rn. 10 und 42; Schaumberg: Das Budget für Arbeit – Erste Überlegungen zur Anwendung in der Praxis; Beitrag A8-2018 unter www.reha-recht.de; 11.04.2018, S. 6; Mattern: Das Budget für Arbeit – Diskussionsstand und offene Fragen – Teil I: Eckpunkte, Umsetzungsstand und leistungsberechtigter Personenkreis; Beitrag D5-2020 unter www.reha-recht.de; 23.01.2020, S. 6; Gast-Schimank, Das Budget für Ausbildung im Angehörigen-Entlastungsgesetz – Teil I: Analyse des Gesetzentwurfs und der Stellungnahmen, Beitrag D18-2019 unter www.reha-recht.de; 15.10.2019, S. 4.

[19] Ebd.

[20] Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 283.

[21] Luik (2018), in: Deinert/Welti, Stichwortkommentar Behindertenrecht, 2. Aufl., Stichwort Arbeitsassistenz, Rn. 14.

[22] Bundestags-Drucksache, 18/9522, S. 2 und 256.


Stichwörter:

Budget für Arbeit, Arbeitsassistenz, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Eingliederungshilfe, Erwerbsminderung, volle dauerhafte Erwerbsminderung, Bundesagentur für Arbeit (BA), Integrationsamt, Anwendbarkeit § 14 SGB IX


Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Mit * gekennzeichnete Felder müssen ausgefüllt werden.