Die Autorin setzt sich in dem fünfteiligen Beitrag zunächst kritisch mit dem Budget für Arbeit (BfA) auseinander und untersucht im Anschluss das Verhältnis des BfA zu anderen Teilhabeleistungen. Das im Jahr 2018 in Kraft getretene BfA (§ 61 SGB IX) richtet sich an Menschen mit Behinderungen und setzt sich aus einem Lohnkostenzuschuss sowie einer Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz zusammen. Der Gesetzgeber verband mit der Verabschiedung des BfA die Erwartung einer Steigerung der Zahl der Übergänge aus der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Hierzu bedarf es nach der Auffassung der Autorin jedoch einer Nachjustierung durch den Gesetzgeber und einer regelmäßigen Kombination des BfA mit weiteren Teilhabeleistungen.
(Zitiervorschlag: Schmidt: Mit dem Budget für Arbeit zum inklusiven Arbeitsmarkt? – Teil I: Kritik an der rechtlichen Ausgestaltung des Budgets für Arbeit gemäß § 61 SGB IX; Beitrag D4-2021 unter www.reha-recht.de; 25.02.2021)
I. Einleitung
Die Einführung des Budgets für Arbeit (BfA) wird dem Grunde nach sowohl durch die Politik, die Wissenschaft, die Rehabilitationsträger als auch durch die Verbände, die sich für Menschen mit Behinderungen einsetzen, befürwortet.[1] Dennoch wurden, zum Teil bereits während des Gesetzgebungsverfahrens, hinsichtlich der Ausgestaltung des BfA im Einzelnen mehrere Kritikpunkte aufgeworfen, wovon die wesentlichen im Folgenden behandelt und untersucht werden. Leitend soll dabei die Frage sein, inwieweit auf diese Kritikpunkte zurückgeführt werden kann, dass die Zahl der Übergänge aus den Werkstäten für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erheblich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist und wie entsprechend durch den Gesetzgeber nachgebessert werden sollte.[2]
II. Leistungsumfang
1. Lohnkostenzuschuss
Zu Recht befürwortet wird die Neueinführung eines Lohnkostenzuschusses, der auf Dauer gewährt werden und somit das Beschäftigungsverhältnis auf Dauer sichern kann. Zuvor gab es einen solchen dauerhaften Lohnkostenzuschuss nicht – auch nicht außerhalb des SGB IX.[3]
Zu korrigieren sei hingegen die in zwei Richtungen ausgestaltete Begrenzung des Lohnkostenzuschusses in der Höhe gemäß § 61 Abs. 2 S. 2 SGB IX. Einerseits ist der Lohnkostenzuschuss auf höchstens 40 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV und somit auf einen absoluten Betrag begrenzt (in den alten Bundesländern auf 1.316 Euro, in den neuen Bundesländern auf 1.246 Euro). Andererseits ist der Lohnkostenzuschuss auf den relativen Betrag von 75 % des Arbeitsentgelts begrenzt. Dieses Zusammenspiel führe dazu, dass die 75 % des Arbeitsentgelts, wegen der zuvor genannten absoluten Begrenzung, nur im Falle einer Beschäftigung im Niedriglohnsektor ausgeschöpft werden könnten.[4] Damit unterstelle man einerseits Menschen mit Behinderungen eine geringe Leistungsfähigkeit und setze sie mit Niedriglohnempfängern gleich, was eine Diskriminierung der Menschen mit Behinderungen darstelle.[5] Andererseits sei Folge der Begrenzung, dass besser zahlende, insbesondere tarifgebundene, Arbeitgeber nicht in vollem Umfang auf den Höchstprozentsatz von 75 % zurückgreifen könnten.[6] Dies schwäche die Attraktivität des BfA und werde dazu führen, dass des Öfteren vom Angebot einer besser bezahlten Beschäftigung abgesehen werde.[7] Die Möglichkeit nach § 61 Abs. 2 S. 4 SGB IX durch Landesrecht von dem Prozentsatz der Bezugsgröße nach oben abzuweichen, lindere diese Problematik nur lokal.[8]
Der absolute Höchstbetrag des Lohnkostenzuschusses ist zu erhöhen. Es ist aus den genannten Gründen zu befürchten, dass qualifizierte Menschen mit Behinderungen Beschäftigungen aufnehmen, für die sie überqualifiziert sind und zu niedrig entlohnt werden[9]. Schon heute sind Menschen mit Behinderungen häufiger unterqualifiziert beschäftigt als Menschen ohne Behinderung.[10] Das BfA darf diesen Missstand nicht verstärken. Hinzu tritt, dass laut Gesetzesbegründung gerade auch Menschen mit einer seelischen Behinderung vom BfA profitieren sollen.[11] Diese sind jedoch häufig hochqualifiziert und somit bei einer Ausrichtung des BfA auf den Niedriglohnsektor benachteiligt.[12]
2. Vorbereitung der Inanspruchnahme
Das BfA ist in seinem Leistungsumfang auf den Lohnkostenzuschuss sowie die Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz begrenzt. Schon bei Erprobung des BfA in den Ländern habe sich jedoch gezeigt, dass auch vor Inanspruchnahme des BfA und insbesondere bei der Ermittlung von in Frage kommenden Beschäftigungsverhältnissen ein hoher Unterstützungsbedarf bestehe. Diese Zeitspanne der Anbahnung des BfA habe bei Ausgestaltung des § 61 SGB IX nicht genügend Berücksichtigung gefunden. Ganz im Gegenteil seien die Rehabilitationsträger sogar gemäß § 61 Abs. 5 SGB IX ausdrücklich nicht zur Ermöglichung eines Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet. Somit verbleibe als Verantwortliche nur noch die WfbM, die gemäß § 219 Abs. 1 S. 3 SGB IX auch für die Vorbereitung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verantwortlich ist. In der Erprobung des BfA auf Länderebene habe sich jedoch gezeigt, dass die Hilfe der WfbM häufig nicht ausreichend gewesen sei und zusätzliche Unterstützung notwendig war.[13] Zudem sei zu bedenken, dass vom BfA gerade auch Menschen profitieren sollen, die nicht zuvor in der WfbM beschäftigt waren. Sie seien bei der Suche nach einem Beschäftigungsverhältnis nahezu auf sich allein gestellt.[14]
Die fehlende Verantwortlichkeit für die Vorbereitung des BfA ist ein Mangel, den es zwingend zu beheben gilt. Nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen wird das BfA häufig schon im ersten Schritt scheitern.[15] Dies ist sowohl auf die fehlende Kenntnis vom BfA seitens der Menschen mit Behinderungen und der Arbeitgeber als auch auf eine mangelnde Bereitschaft der Arbeitgeber zur Einstellung von Menschen mit Behinderungen zurückzuführen.[16] Hier ist im Interesse einer breiten Aufklärung und eines Umdenkens weiterhin Informationsarbeit sowohl bei öffentlichen Stellen, den WfbM, den Menschen mit Behinderungen als auch den Arbeitgebern zu leisten.[17] Die Information an die Arbeitgeber muss auf den Abbau von Vorbehalten, aber auch auf finanzielle Aspekte gerichtet sein.[18] Daneben bedarf es jedoch eines Beteiligten, der die Inanspruchnahme in Gang setzt und die Menschen mit Behinderungen bei der Ermittlung eines geeigneten Beschäftigungsverhältnisses unterstützt.[19] Allein der allgemeine Auftrag an die WfbM, den Übergang zu fördern (§ 219 Abs. 1 S. 3 SGB IX), reicht hierzu nicht aus.[20] Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Rehabilitationsträger gemäß § 61 Abs. 5 SGB IX ausdrücklich nicht für die Anbahnung des BfA verantwortlich sind. Im Gegensatz dazu sind die Rehabilitationsträger im Rahmen des Budgets für Ausbildung gemäß § 61a Abs. 5 SGB IX ausdrücklich dazu aufgerufen, die Betroffenen bei der Suche nach einem Ausbildungsverhältnis zu unterstützen. Gleichlautend sollten auch beim BfA die Rehabilitationsträger zur Unterstützung beim Auffinden eines geeigneten Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet werden.
Ein Vorschlag, der darüber hinausgeht, sieht die Einführung eines eigenständigen Anspruchs auf Förderung eines Übergangs vor, der von der WfbM unabhängig ist.[21]
III. Zwischenfazit
Um den Menschen mit Behinderungen mittels des BfA wirksam zum Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verhelfen und so das Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben zu stärken, bedarf es einer Nachbesserung durch den Gesetzgeber. Die Verantwortlichkeit für die Vorbereitung des BfA ist ausdrücklich den Rehabilitationsträgern aufzuerlegen und der Lohnkostenzuschuss zu erhöhen.
Beitrag von Antonia Schmidt, M. mel., Rechtsreferendarin am OLG Dresden
Fußnoten
Budget für Arbeit, Alternativen zur WfbM, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Lohnkostenzuschuss, Rehabilitationsträger
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