30.08.2021 E: Recht der Dienste und Einrichtungen Boysen, Steinbrück: Beitrag E4-2021

Vom European Accessibility Act zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Teil III: Marktüberwachung und Barrierefreiheitsanforderungen in anderen Rechtsakten der EU

Mit dem Europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit („European Accessibility Act“) vom 17. April 2019 haben das Europäische Parlament und der Rat eine Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen erlassen, um diesbezügliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten anzugleichen und somit das reibungslose Funktionieren des europäischen Binnenmarkts zu fördern.

Die Europäische Richtlinie wurde in Deutschland durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2021 in umgesetzt. Die Autoren Uwe Boysen und Hans-Joachim Steinbrück haben dies zum Anlass genommen, um in einem vierteiligen Beitrag den European Accessibility Act (EAA) sowie das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vorzustellen und zu besprechen. In Teil III des Beitrags stellen sie das Instrument der Marktüberwachung vor und zeigen die Barrierefreiheitsanforderungen anderer Rechtsakte der Europäischen Union auf.

(Zitiervorschlag: Boysen, Steinbrück: Vom European Accessibility Act zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Teil III: Marktüberwachung und Barrierefreiheitsanforderungen in anderen Rechtsakten der EU; Beitrag E4-2021 unter www.reha-recht.de; 30.08.2021)


In diesem mehrteiligen Beitrag werden der European Accessibility Act (EAA) und dessen Umsetzung im deutschen Recht, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), vorgestellt und besprochen.

Dieser dritte Teil befasst sich mit der Überwachung der Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen, die auf dem europäischen Binnenmarkt verfügbar sind und zeigt die Schnittstellen zu anderen Rechtsakten der EU auf, denen Barrierefreiheitsanforderungen zu entnehmen sind.

I. Marktüberwachung bei Produkten und Dienstleistungen

Zentrale Bedeutung für das Gelingen der Intention des EAA und des BFSG hat die Marktüberwachung (geregelt in Kapitel VIII und IX der Richtlinie (§§ 20–31 BFSG). Während Kapitel VIII der Richtlinie (§§ 20–27 BFSG) Bestimmungen zur Marktüberwachung und zum Schutzklauselverfahren der Union in 4 Artikeln enthält, besteht Kapitel IX, das die Konformität von Dienstleistungen regelt, lediglich aus einem Artikel (bzw. §§ 28–31,[1] wobei dort auch organisatorische Regelungen enthalten sind).

Dass eine Marktüberwachung im Hinblick auf Barrierefreiheit Neuland ist, wird indirekt in § 20 Abs. 1 und 2 BFSG konzediert, wenn § 20 Abs. 1 Satz 1 die Länder verpflichtet, sicherzustellen, dass ihre Marktüberwachungsbehörden die ihnen durch das BFSG übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen können und ihnen dazu die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen (§ 20 Abs. 1 Satz 2). Weiter stellen die Länder eine effiziente Zusammenarbeit und einen wirksamen Informations­austausch ihrer Marktüberwachungsbehörden untereinander sowie zwischen diesen und denjenigen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sicher (§ 20 Abs. 1 Satz 3). Schließlich wird von den Ländern in § 20 Abs. 2 Satz 1 verlangt, eine Marktüberwachungsstrategie für Produkte zu erstellen, wobei sie dafür auf Art. 13 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) 2019/1020 (ABl. L 169 vom 25.06.2019, S. 1 ff.) verwiesen werden (§ 20 Abs. 2 Satz 2). Eine entsprechende Verpflichtung zur Erstellung einer Marktstrategie für Dienstleistungen sieht das BFSG nicht vor.

1. Marktüberwachung bei Produkten

a) Neue Regelungen nach Inkrafttreten des EAA

Für die Marktüberwachung von Produkten wird in Art. 19 Abs. 1 zunächst auf bereits bestehende Marktüberwachungsregelungen der EU aus der VO (EG) 765/2008 verwiesen. Diese Verordnung ist allerdings mittlerweile durch die VO vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten (VO (EU) 2019/1020 – Marktüberwachungsverordnung) wesentlich geändert worden, die gem. ihrem Art. 44 ab dem 16. Juli 2021 gilt.[2] Danach gelten jetzt Art. 2 Abs. 3, Art. 11 Abs. 2, 3 und 5, Art. 14 Abs. 2, Art. 16 Abs. 3 Buchstabe g und Abs. 5 sowie die Art. 17 und 22 der Verordnung (EU) 2019/1020 entsprechend (siehe § 21 Abs. 2 BFSG).

b) Prüfaufgaben der Marktüberwachungsbehörden

Hat sich der Wirtschaftsakteur auf Art. 14 des EAA (§§ 16, 17 BFSG) berufen, haben die Marktüberwachungsbehörden sowohl bei Produkten wie bei Dienstleistungen verschiedene Prüfaufgaben (Art. 19 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 2 bzw. § 21 Abs. 3 Nrn. 1–3 und § 28 Abs. 3 Nrn. 1–3). So müssen sie:

  • feststellen, ob die in Art. 14 bzw. den §§ 16, 17 genannte Beurteilung vom Wirtschaftsakteur durchgeführt worden ist,
  • diese Beurteilung und ihre Ergebnisse einschließlich der ordnungsgemäßen Anwendung der in Anhang VI zum EAA genannten Kriterien (das BFSG verweist hier auf die noch zu erlassende Verordnung nach § 3 Abs. 2 BFSG) überprüfen und
  • prüfen, ob die geltenden Barrierefreiheitsanforderungen eingehalten werden.

Haben die Marktüberwachungsbehörden eines Mitgliedstaats einen hinreichenden Grund zur Annahme, dass ein unter den EAA fallendes Produkt die geltenden Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllt, müssen sie eine Untersuchung des betreffenden Produkts vornehmen, die alle Anforderungen des EAA umfasst (Art. 20; § 22 Abs. 1).

Nach den weiteren Regelungen des Art. 20 verlangen die nationalen Marktüberwachungsbehörden bei nicht gegebener Konformität des Produkts Korrekturmaßnahmen von dem Wirtschaftsakteur. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BFSG fordert die Marktüberwachungsbehörde den betreffenden Wirtschaftsakteur unverzüglich auf, innerhalb einer von ihr festgesetzten angemessenen Frist (nicht weniger als 10 Tage) die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Konformität herzustellen. Die Marktüberwachungsbehörde kann ein Produkt auf dem deutschen Markt untersagen, seine Bereitstellung auf ihrem nationalen Markt einstellen oder es vom Markt nehmen (§ 22 Abs. 4 Satz 1 BFSG). Die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten unverzüglich über getroffene Maßnahmen. Für Deutschland werden die Informationen der Marktüberwachungsbehörde bei fehlender Barrierefreiheit gem. § 24 Abs. 1 an die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin weitergegeben, wenn die Marktüberwachungsbehörde der Auffassung ist, dass das entsprechende Produkt auch in anderen Mitgliedstaaten der Union bereitgestellt wird. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ihrerseits leitet sodann die Informationen unverzüglich an die Europäische Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiter (§ 25 Abs. 3 Satz 2).

Erhebt weder ein Mitgliedstaat noch die Kommission innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der in Art. 20 Abs. 4 Unterabsatz 2 genannten Informationen, die an sie von den Marktüberwachungsbehörden weitergeleitet werden müssen, einen Einwand gegen eine vorläufige Maßnahme eines Mitgliedstaats, gilt diese Maßnahme gem. Art. 20 Abs. 7 als gerechtfertigt.

c) Gewährleistung von Informationen

Gem. Art. 19 Abs. 3 und 23 Abs. 2 Unterabs. 3 EAA (für die Bundesrepublik § 21 Abs. 4 und § 28 Abs. 4 BFSG) gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass den Verbrauchern die den Marktüberwachungsbehörden vorliegenden Informationen über die Einhaltung der geltenden Barrierefreiheitsanforderungen dieser Richtlinie durch die Wirtschaftsakteure und die Beurteilung nach Art. 14 auf Antrag in einem barrierefreien Format zur Verfügung gestellt werden, es sei denn, diese Informationen können aus Gründen der Vertraulichkeit nicht erteilt werden (siehe hierzu Art. 17 der Verordnung (EU) 2019/1020).

Warum hierzu ein Antrag erforderlich sein soll, ist für uns nicht ersichtlich, zumal die Marktüberwachungsbehörden ohnehin, was ihre Internetseiten und mobilen Anwendungen angeht, den Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2016/2102 über die Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen und den Umsetzungsregelungen in BGG und den Landesgleichstellungsgesetzen unterfallen. Vorzuziehen gewesen wäre daher eine allgemeine Veröffentlichungspflicht in einem barrierefreien Format.

2. Schutzklauselverfahren

Art. 21 regelt das sog. Schutzklauselverfahren der Union. In seinem Rahmen konsultiert die Kommission bei nachträglichen Einwänden gegen Maßnahmen eines Mitgliedsstaates oder dem stichhaltigen Nachweis durch die Kommission, dass die nationale Maßnahme nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, unverzüglich die Mitgliedstaaten und die betreffenden Wirtschaftsakteure und nimmt eine Beurteilung der nationalen Maßnahme vor. Anhand der Ergebnisse dieser Beurteilung entscheidet die Kommission, ob die nationale Maßnahme gerechtfertigt ist oder nicht. Hält die Kommission sie für gerechtfertigt, so ergreifen alle Mitgliedstaaten gem. Art. 21 Abs. 2 die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass das nicht konforme Produkt von ihrem Markt genommen wird, und unterrichten die Kommission darüber. Hält sie die nationale Maßnahme nicht für gerechtfertigt, so muss der betreffende Mitgliedstaat sie zurücknehmen.[3]

3. Formale Nichtkonformität

Art. 22 regelt Maßnahmen der Mitgliedstaaten bei formaler Nichtkonformität (§ 23 BFSG). Darunter sind formale Mängel zu verstehen wie beispielsweise eine fehlerhaft angebrachte oder fehlende CE-Kennzeichnung, die Nichtausstellung der EU-Konformitätserklärung, die nicht verfügbare technische Dokumentation usw. Liegt einer der in Art. 22 Abs. 1 a–g) genannten Mängel vor (§ 23 Abs. 2 Nrn. 1–5), fordert der Mitgliedstaat den betreffenden Wirtschaftsakteur dazu auf, die betreffende Nichtkonformität zu korrigieren. Besteht diese weiter, so trifft der betreffende Mitgliedstaat gem. Art. 22 Abs. 2 alle geeigneten Maßnahmen, um die Bereitstellung des Produkts auf dem Markt einzuschränken oder zu untersagen oder es vom Markt zu nehmen (§ 23 Abs. 3).

4. Marktüberwachung von Dienstleistungen

Im Vergleich zu den Regelungen zur Marktüberwachung von Produkten mit denjenigen zur Überwachung der Konformität von Dienstleistungen fällt auf, dass diese einen deutlich geringeren Umfang haben und lediglich aus einem Artikel des EAA bestehen.

Das liegt daran, dass es für Dienstleistungen bisher kein anerkanntes Verfahren zur Überprüfung der Barrierefreiheit und der Konformität gibt, sondern dieses erst noch zu entwickeln ist. Denn Art. 23 Abs. 1 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten regelmäßig geeignete Verfahren entwickeln, implementieren und aktualisieren müssen, um

  1. die Übereinstimmung der Dienstleistungen mit den Anforderungen dieser Richtlinie einschließlich der Beurteilung (von ausnahmsweisen Abweichungen) nach Art. 14, wofür Art. 19 Abs. 2 sinngemäß gilt, zu kontrollieren,
  2. Beschwerden oder Berichten über Dienstleistungen nachzugehen, die die Barrierefreiheitsanforderungen des EAA nicht erfüllen und
  3. zu kontrollieren, ob der Wirtschaftsakteur die notwendigen Korrekturmaßnahmen durchgeführt hat.

Das BFSG geht offenbar davon aus, dass eine solche Überprüfungsstrategie bereits existiert. Denn die Marktüberwachungsbehörde überprüft eine Dienstleistung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 auch ohne konkreten Anlass anhand angemessener Stichproben auf geeignete Art und Weise und in angemessenem Umfang darauf, ob und inwiefern die Dienstleistung den Barrierefreiheitsanforderungen der nach § 3 Abs. 2 zu erlassenden Rechtsverordnung an die Barrierefreiheit genügt. Bei Webseiten oder mobilen Anwendungen zieht sie gem. § 28 Abs. 2 Satz 2 die Vorgaben der Anlage 1 Nummer 1 zum BFSG heran und wählt die Stichproben der zu prüfenden Dienstleistungen gemäß den Vorgaben der Anlage 1 Nr. 2 aus.

Die Maßnahmen, die die Marktüberwachungsbehörden bei Nichtkonformität von Dienstleistungen treffen können, gleichen denen bei Produkten (für das BFSG § 29).

II. Barrierefreiheitsanforderungen in anderen Rechtsakten der Union

Gem. Art. 24 Abs. 1 stellen die Barrierefreiheitsanforderungen gem. Anhang I des EAA für die in Art. 2 des EAA genannten Produkte und Dienstleistungen verpflichtende Zugänglichkeitserfordernisse im Sinne von Art. 42 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU und Art. 60 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25/EU dar.

Mit § 121 Abs. 2 GWB ist Art. 42 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU in deutsches Recht umgesetzt worden[4]. Danach sind bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen oder die Konzeption für alle Nutzer zu berücksichtigen. Bei Liefer-, Bau- und Dienstleistungen sind demnach bereits bei der Definition des Beschaffungsbedarfs die Aspekte des „Designs für Alle“ einschließlich des Zugangs für Menschen mit Behinderungen zu beachten, um dieser Personengruppe einen gleichberechtigten Zugang oder die gleichen Nutzungsmöglichkeiten an einem öffentlichen Gebäude, einem Produkt oder einer Dienstleistung zu ermöglichen (so die Gesetzesbegründung[5]).[6]

Aus Art. 24 Abs. 1 EAA i. V. m. Art. 42 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU, der mit § 121 Abs. 2 GWB in deutsches Recht umgesetzt worden ist, folgt demnach, dass die Leistungsbeschreibung, die sich auf Produkte und/oder Dienstleistungen i. S. des Art. 2 bezieht, zwingend die Anforderungen des Anhangs I des EAA zu berücksichtigen hat.

Wenn die Merkmale, Bestandteile oder Funktionen von Produkten oder Dienstleistungen die Barrierefreiheitsanforderungen gem. Anhang I des EAA im Einklang mit dessen Abschnitt VI erfüllen, wird vermutet, dass sie die einschlägigen Verpflichtungen nach anderen Rechtsakten der Union ebenfalls berücksichtigt haben, sofern dort nichts anderes festgelegt ist (Art. 24 Abs. 2).

Art. 25 regelt das Verhältnis zu harmonisierten Normen und technischen Spezifikationen für andere Rechtsakte der Union. Hiernach wird die Einhaltung von Art. 24 vermutet, wenn die Konformität mit harmonisierten Normen und technischen Spezifikationen oder Teilen davon gegeben ist. Diese wird gem. Art. 15 angenommen, soweit diese Normen und technischen Spezifikationen oder Teile davon die Barrierefreiheitsanforderungen des EAA erfüllen.

III. Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte

Mit Art. 26 wird der EU-Kommission unter den in dieser Norm im Einzelnen geregelten Voraussetzungen die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte übertragen. Das beruht auf Art. 290 AEUV und geschieht nach dessen Abs. 1 in Gesetzgebungsakten, wenn es sich um Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes handelt. In diesen Gesetzgebungsakten müssen Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt werden. Rechtsakte, die gemäß einem Gesetzgebungsverfahren angenommen werden, sind Gesetzgebungsakte (Art. 289 Abs. 3 AEUV).[7] Ein solcher Gesetzgebungsakt ist auch der EAA.

Mit Art. 26 wird der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte

  • gem. Art. 4 Abs. 9 auf unbestimmte Zeit ab dem 27. Juni 2019 und
  • gem. Art. 12 Abs. 3 und Art. 14 Abs. 7 für einen Zeitraum von fünf Jahren ab 27. Juni 2019 übertragen.

Diese Befugnisübertragung erfolgt, um Anhang I gem. Art. 4 Abs. 9 durch weitere Präzisierung jener Barrierefreiheitsanforderungen zu ergänzen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit die beabsichtigte Wirkung nur entfalten können, wenn sie durch verbindliche Rechtsakte der Union — wie im Fall der für die Interoperabilität geltenden Vorschriften — weiter präzisiert werden.

Aufgrund der Befugnisübertragung nach Art. 12 Abs. 3 kann die Kommission den Zeitraum, innerhalb dessen die Wirtschaftsakteure i. S. der Art. 7 bis 10 Unterlagen i. S. des Art. 12 Abs. 1 vorlegen müssen, für bestimmte Produkte ändern. Dieser geänderte Zeitraum sollte mehr als fünf Jahre betragen und im Verhältnis zur wirtschaftlichen Nutzungsdauer des betreffenden Produkts stehen.

Art. 14 Abs. 7 überträgt der Kommission die Befugnis, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um den Anhang VI durch eine eingehendere Präzisierung der einschlägigen Kriterien zu ergänzen, die der Wirtschaftsakteur bei der Beurteilung gem. Art. 14 Absatz 2 zu berücksichtigen hat. Dabei bewertet die Kommission den potenziellen Nutzen nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern auch für Menschen mit funktionellen Einschränkungen.

Beitrag von Uwe Boysen (VRLG Bremen i. R. und Diplomsozialwissenschaftler) und Dr. Hans-Joachim Steinbrück (Richter am ArbG Bremen i. R. und Behindertenbeauftragter des Landes Bremen a. D.)

Fußnoten

[1] Artikel ohne weitere Richtlinienangaben beziehen sich auf den EAA). Soweit Paragrafen ohne Gesetzesangabe genannt sind, beziehen sie sich auf den Entwurf zum BFSG, wie er vom Bundestag am 20.05.2021 verabschiedet worden ist, siehe Bundestags-Drucksache 19/28653 mit den Änderungen aus Bundestags-Drucksache 19/29893.

[2] Mit ihrem Art. 39 Abs. 1 Nr. 4 wurden die Art. 15 bis 29 der VO (EG) 765/2008 aufgehoben. Welche der aufgehobenen Regelungen Bestimmungen in der neuen Marktüberwachungsverordnung entsprechen, ergibt sich aus der Entsprechungstabelle in ihrem Anhang III. Außerdem können die relevanten Regelungen der Marktüberwachungsverordnung der Begründung des BFSG-Entwurfs vom 26.03.2021 entnommen werden (BR-Drucks. 240/21 S. 41; zur Marktüberwachungsverordnung allgemein Geiß/Felz, NJW 2019, 2961 ff.; Schucht, GewArch 2020, 259 ff.).

[3] Weitere Maßnahmen der Kommission ergeben sich aus Art. 21 Abs. 3 und 4 unter den dortigen Voraussetzungen.

[4] Bundestags-Drucksache. 18/6281, S. 100.

[5] Bundestags-Drucksache. 18/6281, S. 100

[6] Zum Ausschreibungs- und Vergabeverfahren Carstens, Barrierefreiheit der digitalen Verwaltung in: Handbuch Digitale Verwaltung, hrsg. von Hans H. Lühr, Roland Jabkowski und Sabine Smentek, Wiesbaden, 1. Aufl. 2019, S. 185–211, hier S. 204.

[7] Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren der EU besteht dabei in der gemeinsamen Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses durch das Europäische Parlament und den Rat auf Vorschlag der Kommission (Art. 289 Abs. 1 AEUV); vgl. hierzu auch Magiera, In: Niedobitek, Matthias (Hrsg.): Europarecht. Grundlagen und Politiken der Union, 2. (völlig neu bearbeitete) Auflage, Berlin/ Boston 2020, S. 525–589, Rz 41; Boysen, Stichwort Europäische Union in: Brockmann/Deinert/Luik/Welti, Stichwortkommentar zum Behindertenrecht, 3. Aufl., im Erscheinen).


Stichwörter:

Barrierefreiheit, Zugänglichkeit, European Accessbility Act (EAA), Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)


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