16.09.2024 Rechtsprechung

Neues vom BSG zur Verfassungsmäßigkeit von § 43a SGB XI in Fällen von Selbstzahlenden

Am 5. September 2024 hat das Bundessozialgericht (BSG) über die pflegeversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche eines Leistungsberechtigten entschieden, der die Kosten des Aufenthalts in einer besonderen Wohnform selbst zahlen muss. In der Entscheidung ging es um einen Rechtsstreit über einen Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 SGB XI anstelle der Pauschale nach § 43a SGB XI. Im vorliegenden Fall wurde ein Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 SGB XI für den selbstzahlenden Kläger verneint.

In der Entscheidung wird nach dem veröffentlichten Pressetext darauf verwiesen, dass Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bei häuslicher Pflege Anspruch auf ambulante Pflegeleistungen in Form von Sach- (§ 36 Abs. 1 S.1) und Geldleistungen (§ 37 Abs. 1 S. 1 SGB XI) haben. Jedoch wird häusliche Pflege in besonderen Wohnformen (§ 71 Abs. 4 SGB XI) gesetzlich ausgeschlossen (§ 36 Abs. 4 S. 1 SGB XI). Aufgrund der unangefochtenen Feststellungen des LSG, dass der klagende Selbstzahlende in einer besonderen Wohnform lebt, wird auch vom BSG ein Anspruch des Klägers auf Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 S.1 SGB XI verneint. Dass der Kläger die Eingliederungshilfeleistungen selbst zahlt, ändere an diesem Umstand nichts, da die Definition in § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI nicht berücksichtigt, von wem die Kosten der Eingliederungshilfeleistungen zu tragen sind, sondern lediglich am Ort der Pflege anknüpft.

Keine Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit mit Blick auf Gleichbehandlungsgebot

Die pflegegradunabhängige Pauschale, die mit maximal 266 Euro im Monat als finanzieller Ausgleich für den Wegfall von anderen Pflegeversicherungsleistungen in besonderen Wohnformen dienen soll, wird vom BSG auch für Selbstzahlende als verfassungsrechtlich unbedenklich gewertet. Begründet wird dies eingangs mit der grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei sozialpolitischen Entscheidungen, „[…] die nur einer eingeschränkten verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegt.“

Es wird als Begründung für die Verneinung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 S. 1 GG) ausgeführt, dass die Differenzierung bei der Leistungsgewährung anhand des Ortes der Erbringung „[…] der Pflegeleistungen angesichts der je nach Ort unterschiedlichen Strukturen der Sicherstellung der Pflege kein unsachlicher Gesichtspunkt ist. § 43a SGB XI weicht auch nicht von den allgemeinen Regelungsstrukturen der Pflegeversicherung – insbesondere Ortsbezogenheit und keine vollständige Bedarfsdeckung auch bei pflegegradabhängigen Leistungen – ab.“

Keine Bedenken mit Blick auf Personenzentrierung und Diskriminierungsverbot

Weiterhin gebe es auch unter Berücksichtigung des Personenzentrierungsprinzips, welches seit dem 01.01.2020 für das Eingliederungshilferecht gilt, keinen Gleichheitsverstoß durch das Pflegeversicherungsrecht, da dieses weiterhin an den Ort der Pflegeleistungserbringung anknüpft. Ein strengerer Maßstab aufgrund des besonderen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 3 S.2 GG) ergebe sich nicht, da „[d]ie Abgrenzungsregelungen zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe […] schon nicht benachteiligend an eine Behinderung an[knüpfen], sondern an die Leistungs- und Finanzierungsverantwortung verschiedener Leistungsträger im Sozialleistungssystem.“

Keine Bedenken auch mit Blick auf Freiheitsgrundrechte

Die Typisierungen und Pauschalierungen durch § 36 Abs. 4 S.1, § 43a und § 71 Abs. 4 SGB XI werden vom BSG auch mit Blick auf Freiheitsgrundrechte nicht als verfassungswidrig bewertet, selbst wenn die Kosten der Eingliederungshilfe aufgrund von Einkommen und Vermögen selbst zu zahlen sind. Auch unter Einbezug des Verfassungsrechts kommt für das BSG ein Anspruch auf Pflegegeld (§ 37 SGB XI) statt auf die Pauschale (§ 43a SGB XI) für den Kläger nicht in Betracht. Ebenso gebiete das Verfassungsrecht nicht, „[…] dass die Leistung nach § 43a SGB XI für Selbstzahle[nde] von Leistungen der Eingliederungshilfe einschließlich Pflegeleistungen auf die Höhe des pflegegradabhängigen Pflegegelds angehoben werden müsste. Dennoch möglich höhere Leistungen der Pflegeversicherung für diese Personengruppe vorzusehen, kommt allein dem Gesetzgeber zu.“

Terminbericht des Bundessozialgerichts

(Quelle: Bundessozialgericht)


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