Individuelle Bedarfsermittlung – Selbstbestimmt zur Teilhabe am Arbeitsleben
Interdisziplinäre Fachtagung
27. September 2023, Humboldt-Universität zu Berlin
Für die gelingende Teilhabe am Arbeitsleben benötigen Menschen mit Behinderungen individuell passende Leistungen. Ihre Mitwirkung an der Bedarfsermittlung ist unverzichtbar. Dafür braucht es eine an Selbstbestimmung orientierte Grundhaltung der Rehabilitationsträger und personzentrierte, barrierefreie Prozesse. In der Praxis stößt die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen häufig noch auf einige Hürden. Das fängt bereits bei den Informationen und Beratungen zu Leistungsansprüchen an und setzt sich fort bei der Antragstellung sowie im Bedarfsermittlungsverfahren. Vor diesem Hintergrund stellen die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) und ihre Kooperationspartnerinnen und -partner an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die individuelle Bedarfsermittlung in den Mittelpunkt einer interdisziplinären Fachtagung.
Mit dem Fokus auf die selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben beleuchten Expertinnen und Experten der Rechts-, Sozial- und Rehabilitationswissenschaften sowie aus der Selbsthilfe rechtliche Grundlagen zur Partizipation und Barrierefreiheit in der Bedarfsermittlung. Wie die Lebensverlaufsperspektive in die Ermittlung integriert werden kann, wird am Beispiel der Budgets für Arbeit und Ausbildung veranschaulicht. Dabei geht es auch um eine praxistaugliche Anwendung von Teilhabeinstrumenten. Co-Forschende mit Behinderungen berichten über Erfahrungen mit der Ermittlung individueller Ziele, u. a. für das Arbeitsleben.
In vier Workshops (siehe Programm) werden einzelne Themenschwerpunkte vertieft. Diskutiert werden soll beispielsweise: Was wünschen sich Menschen mit Behinderungen für ihre individuelle Bedarfsermittlung? Welche Grundvoraussetzungen, Vorgehensweisen und Ziele sind maßgeblich für eine personzentrierte Ermittlung individueller Bedarfslagen? Was zeichnet eine Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung auf Augenhöhe aus? Welche Barrieren können auftreten und wie lassen sie sich überwinden?
Die Veranstaltung ist Teil des Kooperationsprojekts „Zugänglichkeit – Inklusion – Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht“ Projektseite ZIP – NaTAR
Programm
Begrüßung, Einführung und Impulsvortrag
(9.00 – 10.30 Uhr)
- 8.30 Anmeldung / Ankommen der Teilnehmenden
- 9.00 Begrüßung und Einführung
- Prof. Dr. Gudrun Wansing (Humboldt-Universität zu Berlin)
- Prof. Dr. Katja Nebe (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
- 9.15 Vortrag Selbstbestimmung und Partizipation in der Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung
- Prof. Dr. Gudrun Wansing
- 9.45 Reserven in der Rechtsumsetzung
- Barbara Vieweg (Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V.)
Prof. Dr. Katja Nebe
- Barbara Vieweg (Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V.)
- 10.15 Vorstellung der Workshops
- Prof. Dr. Gudrun Wansing
- Prof. Dr. Katja Nebe
10.30 –11.00 Uhr Pause
Vertiefung verschiedener Aspekte in Workshops
(11.00 – 12.15 Uhr)
Es finden zwei Runden mit den gleichen Workshops statt. Zur Workshop-Beschreibung bitte nach unten scrollen.
- WS 1: Partizipation in der Bedarfsermittlung – erste Studienergebnisse
Lea Mattern, M.A. (Humboldt-Universität zu Berlin), Dr. Tonia Rambausek-Haß (Humboldt-Universität zu Berlin), Co-Forschende: Philipp Greite, Marco Kölln - WS 2: Lebensverlaufsbezogene Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung bei den Budgets für Arbeit und Ausbildung
Prof. Dr. Katja Nebe, Monika Labruier (ProjektRouter gGmbH); Prof. Dr. Torsten Schaumberg (Hochschule Nordhausen) - WS 3: Barrierefreiheit in der Bedarfsermittlung und -feststellung
Prof. Dr. Felix Welti (Universität Kassel), Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann (DVfR), Dr. Martin Theben (Rechtsanwalt) - WS 4: Evaluation / Erfahrungen zu Teilhabeinstrumenten (WS 4 wird nur in schwerer Sprache angeboten)
Prof. Dr. Michael Komorek (Evangelische Hochschule Berlin)
12.15 –13.15 Uhr Mittagspause
Vertiefung verschiedener Aspekte in Workshops
(13.15 – 14.30)
- WS 1: Partizipation in der Bedarfsermittlung – erste Studienergebnisse
Lea Mattern, M.A., Dr. Tonia Rambausek-Haß, Co-Forschende: Philipp Greite, Marco Kölln - WS 2: Lebensverlaufsbezogene Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung bei den Budgets für Arbeit und Ausbildung
Prof. Dr. Katja Nebe, Monika Labruier (ProjektRouter gGmbH), Prof. Dr. Torsten Schaumberg (Hochschule Nordhausen) - WS 3: Barrierefreiheit in der Bedarfsermittlung und -feststellung
Prof. Dr. Felix Welti, Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Dr. Martin Theben - WS 4: Evaluation / Erfahrungen zu Teilhabeinstrumenten (WS 4 wird nur in schwerer Sprache angeboten)
Prof. Dr. Michael Komorek
14.30 – 15.00 Uhr Pause
Abschlussplenum
(15.00 – 16.00 Uhr)
- Workshopergebnisse und Podiumsdiskussion
Moderation: Prof. Dr. Katja Nebe
Podiumsteilnehmende: Prof. Dr. Gudrun Wansing, Prof. Dr. Felix Welti, Barbara Vieweg, Monika Labruier, Prof. Dr. Torsten Schaumberg, Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Prof. Dr. Michael Komorek, Dr. Martin Teben
16.00 Ende der Veranstaltung
Das Programm als barrierefreies PDF
Das Programm steht auch in einfacher Sprache zur Verfügung: Fach-Tagung Individuelle Bedarfsermittlung
Beschreibung der Workshops
Workshop 1: Partizipation in der Bedarfsermittlung – erste Studienergebnisse
Impulse / Moderation: Lea Mattern, M.A., Dr. Tonia Rambausek-Haß, Co-Forschende: Philipp Greite, Marco Kölln
Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) dient der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. In diesem Zusammenhang wurde u. a. die Bedarfsermittlung zur Bewilligung von Teilhabeleistungen reformiert. Sie soll individueller werden und somit die Personenzentrierung von Leistungen fördern. Voraussetzung hierfür ist die Beteiligung der Leistungsberechtigten an der Bedarfsermittlung. Aber inwiefern werden Menschen mit Behinderungen tatsächlich persönlich und umfassend an ihrer eigenen Bedarfsermittlung beteiligt?
Wir haben eine Studie zu dieser Fragestellung durchgeführt, bei der Menschen mit Behinderungen direkt befragt wurden. Diesen Workshop möchten wir nutzen, um Ihnen erste Ergebnisse unserer Studie vorzustellen und diese mit Ihnen zu diskutieren.
Im Rahmen der Studie wurden auch partizipative Ansätze verfolgt, d. h. die Fragen für die Interviews wurden gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen entwickelt und die Ergebnisse mit den Co-Forschenden diskutiert. Einen Teil der Ergebnisse werden deshalb die Co-Forschenden präsentieren.
Workshop 2: Lebensverlaufsbezogene Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung bei den Budgets für Arbeit und Ausbildung
Impulse / Moderation: Prof. Dr. Katja Nebe, Monika Labruier, Prof. Dr. Torsten Schaumberg
Trotz zahlreicher Anstrengungen ist der allgemeine Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen noch nicht frei zugänglich. Mit den durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) als gesetzliche Leistungen neu eingeführten Instrumenten Budget für Arbeit (BfA) und Budget für Ausbildung sollen Fehlsteuerungen in die Eingliederungshilfe und Pfadabhängigkeiten („Einmal WfbM, immer WfbM“) vermieden werden. Beide Teilhabeinstrumente erzielen jedoch noch nicht die beabsichtigte Wirkung. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen zwar förderliche, aber auch hinderliche Faktoren bei der praktischen Umsetzung. Insbesondere die partizipative Bedarfsfeststellung ist in vielen Fällen leider noch nicht Realität.
Im Workshop stehen Fragen zum BfA und BfAusb sowie die damit verbundenen Fragen der lebensverlaufsorientierten Teilhabeplanung im Mittelpunkt:
- Welche Rahmenbedingungen unterstützen eine Inanspruchnahme?
- Wie lassen sich Bewilligungsverfahren verlässlicher gestalten?
- Wie lässt sich die Lebensverlaufsperspektive in die Bedarfsermittlung integrieren?
- Wie lassen sich die Aufnahmehemmnisse in den Betrieben und Dienststellen verringern?
- Wie lassen sich Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse nachhaltig sichern?
Schwerpunkte der Diskussion können u. a. die Anspruchsvoraussetzungen für das BfA und das Budget für Ausbildung, das Bewilligungsverfahren, die Kombination mit anderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die umfassende Absicherung in allen Zweigen der Sozialversicherung, die frühzeitige Einbindung der Betriebe und Dienststellen sowie Anleitung und Begleitung und weitere Maßnahmen zum langfristigen Erhalt des mit dem BfA bzw. Budget für Ausbildung erlangten Arbeits- bzw. Ausbildungsplatzes sein. Die Teilnehmenden haben zudem die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen mit den Leistungen einzubringen und von den Erfahrungen anderer zu profitieren.
Workshop 3: Barrierefreiheit in der Bedarfsermittlung und -feststellung
Impulse / Moderation: Prof. Dr. Felix Welti, Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Dr. Martin Theben
Die Bedarfsermittlung und -feststellung geht der Entscheidung über eine Leistung zur Teilhabe voraus (vgl. § 14 Abs. 2 SGB IX). Die Leistungsberechtigten müssen sich dazu schriftlich, telefonisch und/oder persönlich mit den Rehabilitationsträgern sowie regelmäßig mit sozialmedizinischen Gutachtern und Gutachterinnen austauschen. Damit dies gelingen kann, fordern verschiedene Gesetze barrierefreie Verwaltungsverfahren und Begutachtungen.
In diesem Workshop werden die rechtlichen Grundlagen der Barrierefreiheit in der Bedarfsermittlung und -feststellung vorgestellt und um Erfahrungen aus der sozialmedizinischen Begutachtungspraxis ergänzt.
Vor diesem Hintergrund möchten wir mit Ihnen diskutieren:
- Welche Barrieren haben Sie im Kontakt mit Rehabilitationsträgern und Begutachtenden erfahren?
- Welche Pflichten bestehen zur Schaffung einer barrierefreien Bedarfsermittlung und -feststellung?
- In welchen Bereichen und aus welchen Gründen wurden diese Pflichten zur Barrierefreiheit noch nicht umgesetzt?
- An wen kann ich mich wenden und was kann getan werden, wenn die Bedarfsermittlung und -feststellung nicht barrierefrei ist?
Workshop 4: BTHG – Hilfebedarfsfeststellungsverfahren als Schlüssel und Zugang zur Teilhabe durch Partizipation?!
(WS 4 wird nur in schwerer Sprache angeboten)
Impulse / Moderation: Prof. Dr. Michael Komorek
Im Rahmen des Workshops werden Teilergebnisse aus der Evaluationsstudie des Teilhabeinstruments Berlin (TIB) sowie aktuelle Erfahrungs- und Praxisberichte aus Brandenburg in einen Zusammenhang zu den Leitprinzipien der Eingliederungshilfe gestellt.
Nach einer kurzen Einführung zum aktuellen Sachstand der Entwicklungen in Berlin, Brandenburg sowie im Bundesgebiet werden zentrale (Gelingens- sowie Hinderungs-)Merkmale in den Zusammenhang mit dem vom BTHG formulierten Anspruch der Partizipation der Leistungsberechtigten gestellt.
Diese Fragen werden mit Ihnen im Workshop diskursiv bearbeitet und mit Ableitungen für die Praxis flankiert:
- Ist tatsächlich ein Mindestmaß von „Partizipationsfähigkeit“ nötig für den Zugang zur Eingliederungshilfe?
- Kann die Sozialverwaltung angesichts knapper, personeller Ressourcen dem Anspruch gerecht werden, dass keine Leistungsgewähr erhoben wird, ohne Beteiligung der Leistungsberechtigten?
- Wie hoch ist der Grad der Partizipation im Rahmen der Hilfebedarfsfeststellungsverfahren tatsächlich?
Organisatorische Hinweise
Termin
Mittwoch, 27. September 2023, 9.00 – 16.00 Uhr
Teilnahmegebühr
Die Teilnahmegebühr beträgt 80 Euro (Ermäßigungen auf Anfrage).
Anmeldung
Die Anzahl der Teilnehmenden an der Veranstaltung ist begrenzt. Eine Anmeldung ist nicht mehr möglich.
Barrierefreiheit
Die Tagung wird zum großen Teil barrierefrei durchgeführt. Falls Sie Unterstützung benötigen, geben Sie das bitte im Anmeldeformular an.
Bitte melden Sie Bedarf an einer Übersetzung in Schriftdolmetschung an bis zum 05.09.2023, 12 Uhr.
Bitte melden Sie Bedarf an einer Übersetzung in Gebärdensprache an bis zum 06.09.2023, 12 Uhr.
Beachten Sie bitte, dass angemeldete besondere Bedarfe nach Verstreichen der jeweiligen Frist nicht mehr gewährleistet werden können!
Veranstaltungsort
Humboldt-Universität zu Berlin
Hauptgebäude, Hörsaal 2094
Unter den Linden 6
10117 Berlin
Anreisehinweise
Bitte nutzen Sie für Ihre Anreise die Hinweise der Humboldt-Universität zu Berlin unter:
Lage/ Anfahrt Campus Mitte
Veranstalter-Kontakt
Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR)
Maaßstraße 26, 69123 Heidelberg
Tel: 06221/187 901-0, Fax: 06221/166 009
E-Mail: sekretariat@dvfr.de