I. Einleitung
Die neue Regelung in § 78 SGB IX ist keine Anspruchsgrundlage für Assistenzleistungen, sondern definiert diese als Leistungen der Sozialen Teilhabe[1]. Vielmehr sind die Leistungsgesetze der Leistungsträger die Grundlage für einen konkreten Anspruch.
Für Kinder sind zunächst Einrichtungen des Elementarbereichs (Tageseinrichtungen für Kinder und der Kindertagespflege [Kita], Kinderkrippe, Tagesmutter oder -vater, Kindergarten, Vorschule) und später die Schule sehr relevante Lebensbereiche. Da in diesen Institutionen eine Unterstützung durch Familienmitglieder regelmäßig ausscheidet, ist oft Assistenz notwendig, um zu gewährleisten, dass ein Besuch dieser Einrichtungen möglich wird.
Dieser Beitrag beschäftigt sich daher damit, ob bzw. wo das Recht Ansprüche für diese besonderen Lebensbereiche von Kindern bereithält und ggf., welche Probleme damit verbunden sind.
II. Assistenzleistungen in Einrichtungen des Elementarbereichs
Ziele der Kita sind die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die ganzheitliche Förderung der Kindesentwicklung sowie die Überwindung von schicht-, kultur-, sprach- und milieubedingten Benachteiligungen.[2] Die spezifische Förderung von Kindern mit bestehender oder drohender Behinderung hat dabei als Prinzip ganzheitlicher Förderung besondere Bedeutung.[3] Dabei sollen Kinder mit und ohne Behinderungen in Kitas ausdrücklich gemeinsam gefördert werden, sofern es der jeweilige Hilfebedarf zulässt, § 22a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII[4]. Das Selbstverständnis und die Organisation der Einrichtungen im Elementarbereich, in denen kein großer Leistungsdruck herrscht und die individuelle Förderung fokussiert wird, entsprechen dem in der Tagesbetreuung verbreiteten Konzept der Integration.[5] Der Anteil der Kinder mit besonderem Förderbedarf, die zusammen mit Kindern ohne besonderen Förderbedarf gemeinsam in sog. integrative Kindertageseinrichtungen[6] betreut werden, ist daher mit 67 Prozent im Vergleich zur gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen relativ hoch.[7] Gleichwohl kann es an verschiedenen Stellen einen Bedarf an einer behinderungsbedingten Assistenz (z. B. bei der Nahrungsaufnahme, Mobilität o. ä.) geben.[8]
1. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe
Ein Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung bzw. -pflege bzw. die Verpflichtung, ein ausreichendes Angebot bereitzuhalten, ergibt sich den jeweiligen Altersgruppen entsprechend aus § 24 Abs. 1 bis 4 SGB VIII. Konkretisiert wird diese Vorschrift z. B. im Hinblick auf die Ausgestaltung des Anspruchs durch Landesrecht, § 26 Satz 1 SGB VIII.[9] Ein Anspruch für Kinder mit Behinderungen in einer integrativen bzw. allgemeinen Einrichtung steht laut Rechtsprechung unter dem Vorbehalt des organisatorisch, personell und sächlich Möglichen.[10] In den Landesgesetzen wird eine gemeinsame Förderung ausdrücklich als vorzugswürdig aufgeführt.[11] Für den erhöhten Personalaufwand bei der gemeinsamen Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung stellen einzelne Bundesländer zusätzliche Personal- bzw. Finanzmittel – teilweise als Ermessensleistung – zur Verfügung.[12] Dass hiermit zusätzliche Kosten für eine Assistenz finanziert werden sollen, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen.[13] Vielmehr sind derartige Assistenzkräfte – zumindest teilweise – ausdrücklich vom Personal der Kindertagesstätte ausgenommen, vgl. § 23 Abs. 3, 4 KiTaG Nds.
Vereinzelt sieht das Landesrecht auch ausdrücklich den Einsatz von Assistenzkräften vor, vgl. z.B. § 11 Abs. 3 KiföG M-V. Hierbei sind jedoch nicht Persönliche Assistenzen im Sinne des hier erläuterten Konzepts gemeint, sondern vielmehr Sozialassistenten und -assistentinnen, die bei der pädagogischen Arbeit unterstützend wirken sollen und auf Anleitung der Fachkräfte tätig werden, § 11 Abs. 3 Satz 2 KiföG M-V.
Der Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe ist somit zunächst nur zur Bereithaltung des Betreuungsangebots und der Einrichtungen und nicht zur Erbringung individueller Assistenz verpflichtet.[14]
Darüber hinaus ist die Kinder- und Jugendhilfe aber auch für die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder nach § 35a SGB VIII zuständig. Diese kann auch in Kitas erbracht werden, vgl. § 35a Abs. 2 SGB VIII. In der Praxis ist jedoch feststellbar, dass diese Leistung im Elementarbereich eher selten in Anspruch genommen wird, der Bedarf an Eingliederungshilfeleistungen aber kontinuierlich steigt.[15] Der Leistungsinhalt richtet sich gemäß § 35a Abs. 3 SGB VIII nach den nach §§ 53 Abs. 3, 4 Satz 1, 54 (,56) und 57 SGB XII möglichen Leistungen und Maßnahmen (ab 01.01.2020: §§ 90 ff. SGB IX). Die Assistenz in einer Kita kann demnach als Leistung der Sozialen Teilhabe[16] im Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht werden.[17] Regelmäßig liegt der Schwerpunkt des Kindergartenbesuchs auf der Entwicklung sozialer Kompetenzen sowie der Teilnahme an der üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger, was als allgemeines Grundbedürfnis anerkannt ist.[18] Begrenzt ist die Leistung nach § 35a SGB VIII jedoch auf seelisch behinderte Kinder.
Werden Leistungen in Form von heilpädagogischen Maßnahmen für Kinder im noch nicht schulpflichtigen Alter in Kitas erbracht, sollen integrative Einrichtungen[19] in Anspruch genommen werden, soweit es der individuelle Hilfebedarf zulässt, § 35a Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Heilpädagogische Maßnahmen sowie Leistungen der Frühförderung und Komplexleistungen (§ 46 SGB IX) können und sollen direkt in den Räumen der Kita erbracht werden.[20]
Weitere Grundlagen für die Erbringung einer Assistenz durch die Kinder- und Jugendhilfe ergeben sich nicht. Ein subjektiver Anspruch auf eine Persönlichen Assistenz besteht weder im SGB VIII noch in den konkretisierenden Landesgesetzen, obgleich diese teilweise ausdrücklich auf die individuelle Unterstützung von Kindern mit Behinderungen hinweisen oder Personalzuschläge für ergänzende pädagogische Angebote vorsehen, vgl. § 4 Abs. 4 Satz 1 KiTaG SH, § 6 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 11 KitaFöG B.[21]
Schließlich sind Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gegenüber verschiedenen anderen Leistungen oft nachrangig (vgl. § 10 SGB VIII), sodass im Einzelfall zu prüfen ist, ob vorrangige Leistungen in Betracht kommen.[22]
2. Häusliche Krankenpflege (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 SGB V)
Je nach Art des Assistenzbedarfs ist denkbar, dass die konkreten Aufgaben einer Assistenzkraft (z. B. Versorgung mit Insulin[23] oder Beatmungspflege[24]) Elemente der Behandlungssicherungspflege enthalten. Eine Grundlage für Assistenzleistung kann dann das Recht auf häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse in Form der Behandlungssicherungspflege sein, §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 SGB V. Mögliche verordnungsfähige Maßnahmen im Rahmen der Behandlungspflege nach Nr. 6 – 31 des als Anlage der HKP-RL beigefügten Leistungsverzeichnisses sind z. B. Injektionen (Nr. 18), spezielle Krankenbeobachtung (Nr. 24), die Medikamentengabe (Nr. 26), Maßnahmen zur Bewältigung von Krisensituationen (Nr. 27a) oder Verbandswechsel (Nr. 31). Grundsätzlich ist nicht erforderlich, dass Leistungen der Behandlungspflege nur von fachlich geschulten Pflegekräften erbracht werden (können).[25] Denkbar ist somit, dass im Rahmen einer Persönlichen Assistenz auch Behandlungspflege (z. B. Medikamentengabe, Injektionen, Verbandswechsel) vorgenommen wird. Die Leistungsvoraussetzungen ergeben sich aus § 37 Abs. 2 SGB V. Danach müssen die Leistungsberechtigten in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sein[26] und es muss eine Krankheit vorliegen. Grundsätzlich bedeutet das Vorliegen einer Krankheit nicht zwingend auch das Vorliegen einer Behinderung und umgekehrt.[27] Nach jüngerer Rechtsprechung sind Krankheiten einer Behinderung aber dann gleichzustellen, wenn die Krankheitsfolgen sich wie eine Behinderung auswirken, also eine Einschränkung der vollen und wirksamen Teilhabe mit sich bringen, und langfristig sind.[28] Dies ist insbesondere bei chronischen Krankheiten, wie z. B. Diabetes mellitus, chronischem Rückenleiden oder HIV, oft der Fall. Im Einzelfall bleibt daher zu prüfen, ob bei einem Kind mit Behinderung zugleich auch eine für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege erforderliche Krankheit vorliegt. Dann kommt als qualifizierter Leistungserbringungsort auch der Kindergarten in Betracht, § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Schließlich muss die häusliche Krankenpflege auch zur Sicherung des Behandlungsziels erforderlich sein und von einem Vertragsarzt verordnet werden, § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 SGB V, § 3 HKP-RL. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ist jedoch ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken bzw. die Kranke (hier: das kranke Kind mit Behinderung) in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann (§ 37 Abs. 3 SGB V). Unklar ist, ob dieser Ausschluss nur für die häusliche Krankenpflege im Haushalt oder auch im Kindergarten gilt. Nach dem Wortlaut[29] liegt dies nicht nahe. Sinn und Zweck des Ausschlusses, der Vorrang der Selbsthilfe bzw. die Entlastung der Solidargemeinschaft, sprechen aber dafür, dass dieser nicht auf den Haushalt beschränkt ist, sondern grundsätzlich auch für die weiteren möglichen Leistungsorte wie Schule oder Kindergärten gilt.[30] An diesen sonstigen geeigneten Orten wird jedoch die objektive Möglichkeit bzw. subjektive Zumutbarkeit der Pflege durch die anderen Haushaltsangehörigen meistens zu verneinen sein.[31]
3. Leistungen der Sozialhilfe – Leistungen der Eingliederungshilfe (§§ 53, 54 SGB XII; ab 01.01.2020: §§ 90 ff. SGB IX)
Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung zu den Leistungen der Eingliederungshilfe. Dass Persönliche Assistenz während des Besuchs einer Kita oder in der Kindertagespflege als solche Leistung in Betracht kommt, erscheint zunächst eher abwegig.[32] Sie wird aber denkbar, wenn der Besuch der Einrichtung unmittelbar auf die Schule bzw. deren Besuch ausgerichtet ist.[33]
Ebenso denkbar sind heilpädagogische Leistungen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit §§ 76 Abs. 1 u. 2 Nr. 3, 79 SGB IX. Hierbei handelt es sich insbesondere um Maßnahmen, die die Entwicklung des Kindes und die Entfaltung seiner Persönlichkeit mit pädagogischen Mitteln anregen, einschließlich der jeweils erforderlichen sozial- und sonderpädagogischen, psychologischen und psychosozialen Hilfen sowie Beratung der Erziehungsberechtigten, § 6 Frühförderungsverordnung (FrühVO). Bei der Persönlichen Assistenz geht es jedoch nicht darum, mit pädagogischen Mitteln erzieherische Ziele zu erreichen, sondern darum, dem Kind mit Behinderung durch Unterstützungsleistungen selbstbestimmte Teilhabe – insbesondere am Leben in der Gemeinschaft – zu ermöglichen. Als Assistenz sind die heilpädagogischen Leistungen gleichwohl als qualifizierte Assistenzleistung denkbar.
Als Persönliche Assistenz kommen Leistungen zur Sozialen Teilhabe[34] in Form der Assistenzleistungen in Betracht, §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 76 SGB IX. Sie dienen der selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags, der Gestaltung sozialer Beziehungen sowie der Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.[35] Der Besuch einer Kita o. ä., in der Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam betreut und gefördert werden, bietet genau eine solche Gelegenheit.
Die genannten Leistungen gehören zur Eingliederungshilfe. Unabhängig von ihrer konkreten Art müssen daher zunächst die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe erfüllt sein. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen diese Leistungen, bei denen eine wesentliche Behinderung vorliegt[36] und wenn und solange die Aufgaben der Eingliederungshilfe erfüllt werden können. Eine wesentliche Behinderung wird dabei dem Wortlaut nach einer wesentlichen Fähigkeitsbeeinträchtigung ohne Berücksichtigung von Kontextfaktoren gleichgesetzt.[37] Nur das Vorliegen einer wesentlichen Fähigkeitsbeeinträchtigung mit einer daraus folgenden wesentlichen Teilhabebeeinträchtigung kann somit zu einer wesentlichen Behinderung führen.[38] Folglich ist nicht jede Person, die im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert ist, auch wesentlich behindert. Weiter konkretisiert wird der Begriff in §§ 1–3 EinglVO[39], wo jeweils einzelne Funktionsbeeinträchtigungen konkret aufgeführt werden, bei denen eine wesentliche Behinderung anzunehmen ist. Mit den Neuregelungen durch das BTHG soll künftig (voraussichtlich ab 01.01.2023) das Kriterium der Wesentlichkeit durch das einer erheblichen Teilhabeeinschränkung ersetzt werden. Vorerst werden die Voraussetzungen für den leistungsberechtigten Personenkreis allerdings erhalten bleiben, § 99 SGB IX (ab 01.01.2020).
Die Aufgaben der Eingliederungshilfe ergeben sich aus § 53 Abs. 3 SGB XII, wobei diese Aufzählung jedoch nicht abschließend ist.[40] Ziel ist danach, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mindern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.
Strukturell ist das Recht der Eingliederungshilfe derzeit in der Sozialhilfe, dem „letzten Auffangnetz“ der sozialen Sicherung, verortet. Damit einher gehen bestimmte strukturelle Grundsätze, die für die Deckung von Unterstützungsbedarfen problematisch sein können. Relevant ist in diesem Zusammenhang der im Sozialhilferecht geltende Nachranggrundsatz, § 2 SGB XII. Aus diesem Grundsatz ergibt sich der vorrangige Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens sowie vorrangiger Verpflichtungen anderer (z. B. anderer Sozialleistungsträger oder Unterhaltsverpflichteter u. a. in Form sog. „elterlicher Beistandspflichten“, § 2 Abs. 2 SGB XII).[41] Die nachrangige Struktur bleibt auch künftig erhalten, wenn das Eingliederungshilferecht ab dem 01.01.2020 im Teil 2 des SGB IX geregelt ist (dann: § 91 SGB IX). Daneben gibt es aber durch das BTHG auch Änderungen, wie zum Beispiel die künftige Notwendigkeit eines Antrags (ab 01.01.2020: § 108 SGB IX) sowie eines Beitrags zur Leistung (§ 92 SGB IX).
III. Assistenzleistungen in der Schule
Im Unterschied zum Elementarbereich geht es in der Schule neben der persönlichen Entwicklung und dem Erwerb lebenspraktischer, sozialer, kognitiver und personaler Kompetenzen, um die Vermittlung von Sach- und Fachwissen, die Vorbereitung auf eine spätere berufliche Ausbildung bzw. das Berufsleben und grundsätzlich um das Leben innerhalb der Gesellschaft. Assistenzleistungen sind in der Schule für Kinder oft notwendig, um den Zugang zur (Schul-)Bildung überhaupt zu ermöglichen.
1. Leistungen aus dem Schulrecht
Grundsätzlich liegt im Bildungsbereich die Gesetzgebungskompetenz bei den Bundesländern (Art. 70 Abs. 1 GG), weshalb es dort keine bundeseinheitlichen Regelungen für Assistenzleistungen gibt. Insbesondere seit der Ratifizierung der UN-BRK wurden viele Schulgesetze geändert.[42] Art. 24 UN-BRK macht deutlich, dass (Schul-)Bildung regelhaft innerhalb des allgemeinen Bildungssystems und nicht in Sondereinrichtungen stattfinden soll.[43] In zahlreichen Schulgesetzen finden sich daher inzwischen Regelungen, die sich mit Inklusion/Integration (z. B. Art. 30b BayEUG, § 4 NSchG, § 2 Abs. 5 SchulG NRW, § 4 Abs. 13 SchulG SH) beschäftigen.[44]
Individualisierte Eingliederungsansprüche und damit konkrete Rechtsgrundlagen für die Unterstützung durch eine Persönliche Assistenz sehen die Schulgesetze jedoch (noch) nicht vor. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Schulträger gleichstellungsrechtlich zur Übernahme oder Bereitstellung von Assistenz als angemessene Vorkehrung verpflichtet sein können.
2. Leistungen der Krankenbehandlung – Häusliche Krankenpflege (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 SGB V)
Auch in der Schule kommen unter Umständen Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege in Betracht. Nach § 37 Abs. 2 SGB V dient auch die Schule als qualifizierter Leistungserbringungsort.
3. Leistungen der Sozialhilfe – Leistungen der Eingliederungshilfe (§§ 53, 54 SGB XII; ab 01.01.2020: §§ 90 ff. SGB IX)
Im Rahmen der Leistungen der Eingliederungshilfe werden auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung erbracht, §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.[45] Als Leistungsträger kommen damit die Träger der Eingliederungshilfe oder die Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Betracht. Aufgrund ihrer Nachrangigkeit kommen sie insbesondere dann infrage, wenn – wie zuvor ausgeführt – die jeweiligen Schulgesetze keine Grundlage für bedarfsdeckende Leistungen (hier: Schulassistenz) enthalten. Die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung sind inhaltlich sehr vielfältig.[46] Neben den in § 12 EinglVO aufgeführten Leistungen lässt die Formulierung „sonstige Maßnahmen“ (§ 12 Nr. 1 2. Alt. EinglVO) Raum für inhaltliche Ausgestaltungen. So sind alle notwendigen Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Schulbesuch im Rahmen der Schulpflicht, zur Ermöglichung des Schulbesuchs sowie zum Abschluss einer Schulausbildung umfasst, wenn diese nach dem Ende der Schulpflicht z. B. insbesondere durch krankheits- oder behinderungsbedingte Abwesenheitszeiten noch nicht erreicht wurde.[47] Dies gilt auch für Angebote einer offenen Ganztagsschule, die mitunter freiwillig sein können, sofern sie auf schulische Maßnahmen abgestimmt und geeignet sind, die Schulfähigkeit der betroffenen Schüler und Schülerinnen zu verbessern.[48] Eine Leistung zur Ermöglichung des Schulbesuchs kann etwa eine Unterstützungskraft (z. B. Persönliche Assistenz zur Unterstützung bei der Mobilität oder einfache Handreichungen) während des Schulunterrichts sein.[49] Dies kann auch Gebärdensprachdolmetscher als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe einschließen.[50] Darüber hinaus können auch die in § 12 EinglVO genannten Maßnahmen als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung erbracht werden, wie heilpädagogische (z. B. Petö-Therapie[51], Musiktherapie[52], systemische Bewegungstherapie[53] oder Hippotherapie[54]) oder sonstige Maßnahmen (z. B. Teilnahme an einer Klassenfahrt[55]), die die genannten Ziele ermöglichen oder deren Erreichen erleichtern, § 12 Nr. 1 EinglVO.
Schließlich ist auch die Fahrt zur Schule und zurück als Annexleistung mit umfasst, sofern dazu keine spezifischen landesrechtlichen Regelungen bestehen.[56]
Zu berücksichtigen bei diesen Leistungen ist jedoch, dass nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 SGB XII die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben. Damit sind solche Maßnahmen ausgeschlossen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind. Der pädagogische Kernbereich ist das, was dem Schulbetrieb zuzurechnen ist und unmittelbar dem Erreichen der staatlichen Lehrziele dient. Die Auslegung des Begriffs des Kernbereichs erfolgt bundeseinheitlich anhand von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII[57]. Aufgaben zur Sicherstellung der Schulbildung (einschließlich Didaktik und Pädagogik) gehören somit zum Verantwortungsbereich der Schulträger und nicht in die Zuständigkeit des Kinder- und Jugendhilfe- oder Eingliederungshilfeträgers. Diese erbringen vielmehr Hilfen im Sinne unterstützender Leistungen, die dem Ausgleich behinderungsbedingter Defizite dienen und so die Rahmenbedingungen für den Schulbesuch schaffen.[58] In einigen Fällen kommt es hier zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Doch auch wenn die Aufgaben sich geringfügig überschneiden (z.B. wenn eine Assistenz, die eigentlich die Hand eines körperlich beeinträchtigten Schülers führen soll, dabei aber auch Anweisungen der Lehrerin wiederholt), werden sie damit jedoch nicht Tätigkeiten des pädagogischen Kernbereichs. Laut Rechtsprechung liegt sogar selbst die Übernahme pädagogischer Aufgaben außerhalb des pädagogischen Kernbereichs, wenn diese nicht die grundlegende Arbeit der Lehrkräfte und die Entscheidung über Lehrinhalte betreffen.[59]
IV. Fazit[60]
Die verschiedenen möglichen Anspruchsgrundlagen machen deutlich, dass oft auch in Leistungen Assistenzleistungen stecken, die ihrem Wortlaut nach keine sind (z.B. häusliche Krankenpflege). Insbesondere die Schulassistenz ist in den letzten Jahren stark in den gesellschaftlichen Diskurs gerückt. Dies ist insbesondere im Hinblick auf Art. 24 UN-BRK eine erfreuliche, aber vor allem notwendige Entwicklung. Das aktuell noch vorherrschende separierende System von Regelschule und Sonder-/Förderschule bzw. Förderzentrum widerspricht diesem Inklusionsgedanken. Inklusion im Bildungswesen ist neben der Verpflichtung aus der UN-BRK auch aus pädagogischer, sozialer und ökonomischer Sicht mehr als sinnvoll und notwendig.[61] So kann die Poolbildung von Assistenzkräften z. B. aus finanzieller Perspektive sinnvoll sein, sofern sie im Einzelfall behinderungsbedingt möglich ist.
Von Ass. jur. Maren Conrad-Giese, Dalitz
Fußnoten
Persönliche Assistenz, Eingliederungshilfe, Kinder- und Jugendhilfe, Häusliche Krankenpflege, UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!