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Das Budget für Ausbildung (BfAus) stellt eine Alternative zur Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) dar und soll sozialversicherungspflichtige Ausbildungsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und damit verbunden anerkannte Berufsabschlüsse ermöglichen. Übergänge von der Schule in den allgemeinen Arbeitsmarkt sollen im Sinne der Art. 24 und 27 UN-BRK für Menschen mit Behinderungen ebenso gesteigert werden wie Übergänge von der Werkstatt in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Leistungen im BfAus sollen Arbeitgeber motivieren, Menschen mit Behinderungen auszubilden. Im Rahmen des Projektes „Zugänglichkeit – Inklusion – Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht (ZIP – NaTAR)“ sollten u. a. folgende Fragen in einer qualitativ-explorativen Studie untersucht werden: Wie gut sind die an der Umsetzung beteiligten Akteure über das BfAus informiert? Welcher Personenkreis wird mit dem BfAus adressiert? Wie gestaltet sich der Zugang zum BfAus? Welche Erfahrungen machen Leistungsberechtigte und Budgetnehmende mit dem BfAus? Welche hemmenden und förderlichen Faktoren gibt es hinsichtlich der Inanspruchnahme des BfAus?
Der Beitrag stellt zunächst das methodische Vorgehen sowie die Stichprobe vor. Im Anschluss werden ausgewählte Ergebnisse dargestellt. Des Weiteren geht es um förderliche und hemmende Faktoren bei der Inanspruchnahme, Anschlussperspektiven nach dem BfAus und dessen allgemeine Bewertung durch die Befragten. 2023 wurden sechs Einzelinterviews und eine Fokusgruppe mit sieben Teilnehmenden durchgeführt. Einbezogen wurden sowohl Budgetnehmende als auch weitere, an der Umsetzung des BfAus beteiligte Akteure (z. B. Jobcoaches, Reha-Beratende, Arbeitgeber und pädagogische Fachkräfte).
(Zitiervorschlag: Mattern, Rambausek-Haß, Wansing et al.:„[…] weil man auch die Erfahrung machen kann, wie es ist, eine Ausbildung zu machen.“ – Ergebnisse einer qualitativen Studie zur Umsetzung des Budgets für Ausbildung; Beitrag D1-2025 unter www.reha-recht.de; 09.01.2025)
Das Budget für Ausbildung (BfAus) ist in § 61a SGB IX gesetzlich verankert und kann seit dem 1. Januar 2020 bundesweit in Anspruch genommen werden. Das BfAus stellt eine Alternative zur Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) dar und soll sozialversicherungspflichtige Ausbildungsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und damit verbunden anerkannte Berufsabschlüsse ermöglichen. Übergänge von der Schule in den allgemeinen Arbeitsmarkt sollen im Sinne der Art. 24 und 27 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) für Menschen mit Behinderungen ebenso gesteigert werden wie Übergänge von der Werkstatt in den allgemeinen Arbeitsmarkt.[1] Die Leistungen im BfAus sollen Arbeitgeber motivieren, Menschen mit Behinderungen auszubilden.[2] Anspruch auf ein BfAus haben Leistungsberechtigte für das Eingangsverfahren (EV) der WfbM, den Berufsbildungsbereich (BBB) und – mit Inkrafttreten des Art. 7 Nr. 10 des Teilhabestärkungsgesetzes am 1. Januar 2022 – auch für den Arbeitsbereich (AB) der WfbM. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Ausbildungsplatzangebotes. Eine anerkannte Schwerbehinderung oder Gleichstellung sowie das Durchlaufen der WfbM sind keine Voraussetzungen.
Als Leistung ist im BfAus zum einen die Erstattung der Ausbildungsvergütung an den Arbeitgeber vorgesehen. Ihre Höhe ist entsprechend einschlägiger tarifvertraglicher Vergütungsregelungen begrenzt bzw., wenn eine solche fehlt, an einer angemessenen Vergütung nach § 17 BBiG orientiert.[3] Das BfAus enthält zum anderen Aufwendungen für eine Anleitung und Begleitung (inkl. Arbeitsassistenz) am Ausbildungsplatz und auch in der Berufsschule. Die Höhe der Aufwendungen für die Anleitung und Begleitung ist gesetzlich nicht begrenzt, die Unterstützung kann ggf. auch in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation nach § 51 SGB IX erbracht werden. Ein weiterer Bestandteil des Leistungsumfangs ist die Übernahme von Fahrkosten zur Ausbildungsstätte gem. § 61a Abs. 2 Nr. 3 SGB IX.
Gemäß den Zuständigkeiten nach den Leistungsgesetzen in § 63 Abs. 3 SGB IX ist für Leistungsberechtigte im EV und BBB in der Regel die Bundesagentur für Arbeit zuständig, in Einzelfällen die Rentenversicherung, Unfallversicherung oder die Träger der sozialen Entschädigung.[4] Im Zuge der Erweiterung des Personenkreises auf Leistungsberechtigte für den AB der WfbM kommen auch Träger der Eingliederungshilfe als zuständige Leistungsträger[5] sowie Träger der öffentlichen Jugendhilfe hinzu. Zudem kann das Integrationsamt gem. § 185 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX an den Kosten beteiligt werden.
Nach aktuell bekannter Datenlage wird das BfAus bundesweit von knapp 100 Menschen mit Behinderungen in Anspruch genommen. 59 Budgets werden durch die Agentur für Arbeit[6] und 29 durch die Träger der Eingliederungshilfe[7] erbracht. Allerdings muss bei diesen Angaben berücksichtigt werden, dass die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit den Stand von Juni 2024 und die Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (BAGüS) den Stand von 2022 widerspiegeln. Die Anzahl der BfAus in Zuständigkeit der Eingliederungshilfe dürfte deshalb inzwischen höher liegen. Daten zur Entwicklung der über die Agentur für Arbeit geförderten BfAus weisen auf sprunghafte Anstiege jeweils zu Beginn eines Ausbildungsjahres (ab dem Monat August) hin.[8]
Abbildung 1: Entwicklung der über die Agentur für Arbeit geförderten BfAus. Quelle: Bundesagentur für Arbeit Statistik, 2024, Tabellenblatt 7.
Eine (nicht repräsentative) Umfrage des Projekts „Budgetkompetenz“[9] kommt auf ähnliche Werte der in Anspruch genommenen BfAus (n = 101).[10] An dieser Umfrage nahmen neben Leistungsträgern auch Leistungserbringer der Unterstützten Beschäftigung (Individuelle betriebliche Qualifizierung), Integrationsfachdienste, andere Leistungserbringer und WfbM teil, die von erfolgreich beendeten BfAus berichteten.[11]
Insofern es über die rein quantitativen Kennzahlen hinaus keine empirischen Daten zur Umsetzung des BfAus gibt, ist der bisherige Forschungsstand als ausgesprochen spärlich anzusehen. Im Rahmen des Projektes „Zugänglichkeit – Inklusion – Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht (ZIP – NaTAR)“[12] sollten – vor dem Hintergrund des bisherigen Diskussionsstandes[13] – u. a. folgende Fragen zur Umsetzung des BfAus in einer qualitativ-explorativen Studie untersucht werden:
Der folgende Beitrag stellt zunächst das methodische Vorgehen sowie die Stichprobe vor. Im Anschluss werden ausgewählte Ergebnisse zu folgenden Aspekten dargestellt: Information und Beratung, Anspruchsvoraussetzungen und Inanspruchnahme, unterstützende Akteure bzw. Akteurinnen beim Weg in das BfAus, Antragsverfahren sowie Ausgestaltung der Ausbildung und der Anleitung und Begleitung. Darüber hinaus geht es um weitere förderliche und hemmende Faktoren bei der Inanspruchnahme, Anschlussperspektiven nach dem BfAus und dessen allgemeine Bewertung durch die Befragten. Geschlossen wird mit einer Zusammenfassung und Diskussion sowie einem Fazit und Ausblick.
Für die empirische Untersuchung wurde ein qualitativ-exploratives Forschungsdesign gewählt, das sich durch ein erkundendes und dabei für den Forschungsgegenstand (hier BfAus) wichtige Themen identifizierendes Vorgehen auszeichnet.
Es wurden leitfadengestützte Einzelinterviews und eine Fokusgruppe durchgeführt, in denen die Interviewteilnehmenden dazu angeregt wurden, über ihre bisherigen Erfahrungen mit dem BfAus zu berichten. Die Interviewteilnehmenden wurden bundesweit über Kontakte zu Verbänden, Institutionen und Akteuren im Praxisfeld der beruflichen Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen akquiriert.[14] Die Fokusgruppe und ein Einzelinterview fanden in den Räumlichkeiten der Humboldt-Universität zu Berlin und die übrigen Einzelinterviews bei dem jeweiligen unterstützenden Leistungserbringer, Ausbildungsbetrieb oder digital statt. Aufgrund der bundesweit insgesamt geringen Zahl an umgesetzten BfAus konnte keine gezielte Fallauswahl vorgenommen werden. Es wurden alle Kontaktierten, die ihr Interesse an der Studienteilnahme bekundeten, zu den Interviews eingeladen. Die Dauer der Interviews lag bei der Fokusgruppe bei ca. 1,5 Stunden, bei den Budgetnehmenden zwischen 36 und 45 Minuten und bei den restlichen Interviews mit den Agenturen für Arbeit, den Unterstützenden sowie dem Ausbildungsbetrieb zwischen 23 Minuten und ca. 1,25 Std. Die Interviews wurden transkribiert und für die Auswertung vollständig der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz & Rädiker[15] unterzogen. Dabei entstanden sowohl deduktive (außerhalb des Materials gebildete) als auch induktive (am Material gebildete) Kategorien, die Grundlage für die Darstellung der Ergebnisse (Kapitel IV) sind.
Es werden nun die Interviewteilnehmenden mit einigen für die Forschungsfragen relevanten biografischen Eckpunkten vorgestellt, die vor der Inanspruchnahme des BfAus liegen. Zur Einordnung der Ergebnisse werden die unterschiedlichen Erfahrungen mit dem BfAus veranschaulicht. Anschließend wird ein tabellarischer Überblick (s. Tabelle 1) über die Teilnehmenden und ihre Hintergründe gegeben.
Es wurden sechs Einzelinterviews geführt, und zwar mit
Des Weiteren nahmen an einem ursprünglich als Einzelinterview angelegten Gespräch zeitweise drei Befragte (zwei Jobcoaches (WfbM) und eine budgetnehmende Person) teil (s. Kapitel VII).
Alle interviewten Budgetnehmenden wurden durch ihre ebenfalls interviewten Jobcoaches (WfbM) für die Studie vermittelt, wobei zwei Jobcoaches (WfbM) auch für die Anleitung und Begleitung der Budgetnehmenden zuständig sind.
Ergänzt wurden die Einzelinterviews durch eine Fokusgruppe mit sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmern: Ein Elternteil einer budgetnehmenden Person im BfAus, zwei Jobcoaches (WfbM), eine Führungskraft einer WfbM, eine pädagogische Leitung eines Inklusionsbetriebes und eine Vertretung eines Berufsbildungswerkes.[17]
Zur Wahrung der Anonymität werden die Bundesländer nicht genannt, aus denen die Befragten kommen.
Teilnehmende der Einzelinterviews:
Budgetnehmende:
Seit 2020 absolviert eine interviewte Person über das BfAus in Teilzeit eine Vollausbildung[18] im Einzelhandel (Verkauf) im Südwesten Deutschlands. Begleitet wird sie im BfAus von einem Jobcoach, der bei einem freien Träger tätig ist. Diesen Träger kannte die budgetnehmende Person lange vor Beginn des BfAus. Nach dem Schulabschluss (Schule mit Förderschwerpunkt) nahm die budgetnehmende Person zunächst die „Unterstützte Beschäftigung“ als Persönliches Budget in Anspruch. In diesem Rahmen konnte sie Erfahrungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sammeln und es entwickelte sich der Wunsch nach einer Ausbildung. Dank eines Praktikums in einem anderen, branchengleichen Betrieb konnte die Person eine Ausbildung mit dem BfAus beginnen.
Eine weitere Person absolviert über das BfAus eine Vollausbildung im Industriehandwerk (Kfz) im Nordwesten Deutschlands. Nach dem Schulabschluss begann die Person eine Ausbildung in einem industriellen Betrieb, die sie nach einem Jahr abbrach. Sie begann eine neue Ausbildung in der Luftfahrtbranche/Luftfahrtindustrie, die nach zwei Jahren aufgrund einer psychischen Erkrankung abgebrochen werden musste. Es folgte der Wechsel in eine WfbM und von dort in das BfAus.
Die dritte Person absolviert mit dem BfAus eine Fachpraktikerausbildung (sog. theoriereduzierte Ausbildung[19]) im Gastgewerbe im Nordwesten Deutschlands. Nach dem Abschluss an einer Schule mit Förderschwerpunkt wechselte sie in eine WfbM. Diese ist Pächterin und Managerin des Gastgewerbes, in welchem die budgetnehmende Person über den Arbeitsbereich tätig werden konnte und dort über das BfAus die Ausbildung absolviert.
Vertretung eines mittelständischen Ausbildungsbetriebes:
Es wurde eine geschäftsführende Person eines familiengeführten, mittelständischen Ausbildungsbetriebs (Lebensmittelindustrie) aus einem norddeutschen Bundesland interviewt, welche über die Jahre Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen sammeln konnte. Diese Person beschäftigt aktuell eine Person über das Budget für Arbeit (BfA) und eine über das BfAus (Fachverkauf).
Mitarbeitende der Bundesagentur für Arbeit:
Eine interviewte Person ist in einer Agentur für Arbeit in der Reha-Beratung tätig. Seit 2020 hat die Person fünf Anträge für das BfAus bewilligt.
Eine zweite interviewte Person aus dem Reha-Team der Agentur für Arbeit ist Teamleitung für den Bereich berufliche Rehabilitation und Teilhabe bzw. die Ersteingliederung von Menschen mit Behinderungen. Seit 2021 ist sie in die Beratung zum und Bewilligung eines BfAus involviert und ein weiteres BfAus war zum Interviewzeitpunkt in Planung.
Jobcoaches:
Zwei gleichzeitig interviewte Personen arbeiten gemeinsam in einer WfbM im Nordwesten Deutschlands. Die erste Person ist Teamleitung und zuständig für den BBB, die betriebsintegrierten Qualifizierungs- und Arbeitsplätze sowie für das BfA und BfAus. Die zweite Person ist im Übergangsmanagement tätig und begleitet neben den betriebsintegrierten Arbeitsplätzen eine auch im Rahmen der Studie interviewte Person im BfAus.
Tabelle 1: Merkmale der Teilnehmenden der Einzelinterviews
Teilnehmende |
Betrieb/Institution |
Funktion |
Budgetnehmende Person BfAus 1 |
Einzelhandel (Kleinst- oder Kleinunternehmen) |
In Ausbildung (Verkauf) |
Budgetnehmende Person BfAus 2 |
Automobilindustrie (Kleinst- oder Kleinunternehmen) |
In Ausbildung (Industriehandwerk. KFZ) |
Budgetnehmende Person BfAus 3 |
Gastgewerbe (Kleinunternehmen) |
In Ausbildung (Service) |
Vertretung Ausbildungsbetrieb |
Lebensmittelindustrie (Mittelständisches Unternehmen) |
Inhaber/Inhaberin |
Reha-Berater/ Beraterin 1 |
Agentur für Arbeit |
Reha-Beratung |
Reha-Berater/ Beraterin 2 |
Agentur für Arbeit |
Teamleitung für berufliche Rehabilitation und Teilhabe (Bereich Ersteingliederung) |
Jobcoach/-coachin (WfbM) 1 |
Freier Träger |
Jobcoach/-coachin |
Jobcoach/-coachin (WfbM) 2/ Bereichsleitung |
WfbM |
Teamleitung, Jobcoach/-coachin |
Jobcoach/-coachin (WfbM) 2 |
WfbM |
Jobcoach/-coachin, Anleitung und Begleitung BfAus |
Teilnehmende der Fokusgruppe:
Eine Person arbeitet als Jobcoach innerhalb einer WfbM im Osten Deutschlands und begleitet als Anleitung und Begleitung zum Zeitpunkt der Befragung drei Budgetnehmende im Rahmen des BfAus.
Eine weitere Person, die ebenfalls als Jobcoachin (WfbM) tätig ist, kommt aus dem Nordwesten Deutschlands und ist als „Fachkraft für ausgelagerte Arbeitsplätze“ angeschlossen an den BBB. Sie begleitet zum Zeitpunkt der Befragung insgesamt zwei budgetnehmende Personen im Rahmen des BfAus, eine dritte Person steht kurz vor Beginn des BfAus. Als Jobcoachin unterstützt sie mögliche Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt von Menschen mit psychischen und kognitiven Beeinträchtigungen.
Des Weiteren nahm an der Fokusgruppe eine pädagogische Leitung eines Inklusionsbetriebs und Leistungserbringers teil, welcher eine enge Zusammenarbeit mit der zum Konzern gehörenden WfbM pflegt. Seit 2020 hat sie Berührungspunkte mit dem BfAus. Der erste Wechsel aus dem BBB in das BfAus erfolgte 2021. Der Ausbildungsbetrieb übernimmt die Anleitung und Begleitung von budgetnehmenden Personen im BfAus. Die pädagogische Leitung ist zuständig für Praktikanten und Praktikantinnen und vermittelt diese in ein Ausbildungsverhältnis.
An der Fokusgruppe nahm eine Führungskraft einer WfbM mit dazugehörigem Inklusionsbetrieb aus dem Südwesten Deutschlands teil. Die Führungskraft ist zuständig für das BfAus und begleitet aktuell eine budgetnehmende Person.
Auch ein Elternteil einer budgetnehmenden Person (BfAus) nahm an der Fokusgruppe teil. Die budgetnehmende Person absolvierte nach dem Schulabschluss ein Jahr lang den Bundesfreiwilligendienst. Die Vermittlung zu dem aktuellen Ausbildungsbetrieb erfolgte über eine bekannte Person des Elternteils. Nach einem Praktikum folgte ein zweimonatiges BfA, bevor die Fachpraktikerausbildung im BfAus begonnen wurde. Darüber hinaus nahmen eine mitarbeitende Person eines Berufsbildungswerkes an der Fokusgruppe teil sowie eine Person, die im BfA als Hauswart bzw. Hauswartin tätig ist (s. dazu Hinweis in Kapitel VII).
Tabelle 2 Merkmale der Teilnehmenden der Fokusgruppe
Teilnehmende |
Betrieb / Institution |
Funktion |
Jobcoach/-coachin (WfbM 3) |
WfbM mit Inklusionsbetrieb |
Jobcoach/-coachin, Anleitung und Begleitung |
Jobcoach/-coachin (WfbM 4) |
WfbM |
Jobcoach/-coachin, mitarbeitende Person im Berufsbildungsbereich, Anleitung und Begleitung |
Führungskraft WfbM 5 |
WfbM mit Inklusionsbetrieb |
Führungskraft, Anleitung und Begleitung |
Pädagogische Leitung |
WfbM mit Inklusionsbetrieb |
Pädagogische Leitung des Inklusionsbetriebes |
Elternteil einer budgetnehmenden Person |
-- |
Elternteil |
Vertretung Berufsbildungswerk |
Berufsbildungswerk |
|
Budgetnehmende Person BfA |
-- |
Hauswart/Hauswartin |
Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der Erhebung dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigten, dass die Ergebnisse aufgrund der geringen Anzahl an Budgetnehmenden und der damit einhergehenden kleinen und nicht zufällig ausgewählten Stichprobe nicht repräsentativ und damit nicht per se übertragbar sind, da die Erfahrungen sich je nach Bundesland oder auch Kommune unterscheiden können. Gleichwohl konnten mittels des explorativen Vorgehens wichtige Themen identifiziert werden, welche sich als förderlich oder hinderlich beim Zugang zum BfAus bzw. bei der Inanspruchnahme erweisen.
Bevor auf die Ergebnisse eingegangen wird, folgen erläuternde Worte, die der Transparenz und dem Verständnis des Beitrags dienen sollen.
In diesem Kapitel geht es darum, welche Informations- und Beratungsquellen die an der Umsetzung des BfAus beteiligten Akteure bzw. Akteurinnen nutzen bzw. zur Verfügung haben und wie der Informationsstand bei jenen eingeschätzt wird.
a) Informations- und Beratungsquellen
Als Informationsquellen nennen die befragten Akteurinnen und Akteure Leistungserbringer wie WfbM sowie andere Einrichtungen und Dienste, in denen Jobcoaches tätig sind; zudem Leistungsträger, Kammern sowie die fachlichen Weisungen der Agentur für Arbeit.
Die interviewten Budgetnehmenden berichten, dass sie durch Jobcoaches der WfbM bzw. Jobcoaches eines, sie schon zuvor begleitenden Dienstes bzw. eines freien Trägers vom BfAus erfahren haben und über ihre damit verbundenen Rechte und Pflichten informiert wurden. Auch der zukünftige Ausbildungsbetrieb wurde seitens des Jobcoaches über das BfAus informiert. Einzelne Budgetnehmende wurden durch die Agentur für Arbeit informiert.
Jobcoaches scheinen innerhalb und außerhalb der WfbM eine zentrale Rolle für Information und Beratung zu spielen, die sie offenbar auch wahrnehmen. So würde das BfAus nach Angaben eines Jobcoaches WfbM neben den Gruppenleitungen und dem Sozialdienst auch von ihr selbst mit denjenigen WfbM-Beschäftigten thematisiert, „wo wir denken, für die könnte es infrage kommen“. Auch eine andere Jobcoachin WfbM schildert, dass das Informieren Aufgabe der Jobcoaches sei. Allerdings gebe es keine allgemeinen „Gruppeninformationen“ bzw. werde das BfAus nicht bei WfbM-Beschäftigten bekannt gemacht, bei denen sie den Eindruck habe, das BfAus würde nicht funktionieren. Sie begründet dies damit, dass das BfAus „auch nicht auf jeden zu[treffe]“. Damit scheint seitens der beiden Jobcoaches WfbM bezüglich der Adressierten zuvor eine Auswahl derjenigen getroffen zu werden, von denen die Angestellten annehmen, dass für sie eine Ausbildung im BfAus (erfolgreich) möglich ist. Diese Rolle schreibt ihnen auch der Teamleiter des Reha-Teams zu, indem er sagt: „die Werkstätten spielen natürlich besonders auch bei der Identifizierung von möglichen Leuten, die das machen wollen, eine Rolle“. Eine Jobcoachin einer anderen WfbM scheint jedoch keine Vorauswahl zu treffen. Sie stellt ihre Arbeit als Fachkraft für Übergänge und Begleitung und damit auch für das BfAus mehrfach im Jahr Teilnehmenden im BBB vor und sei für diese auch sichtbar und ansprechbar, wenn es z. B. um die Planung der beruflichen Zukunft oder die Vermittlung in Praktika oder Arbeit geht.
Eine weitere leistungserbringerinterne Informationsquelle stellt ein selbstgegründeter Zusammenschluss von Fachkräften von WfbM dar, der nach eigenen Angaben zum einen dem Erfahrungsaustausch und der intensiveren Auseinandersetzung mit dem BfAus und zum anderen auch der Wissensverbreitung dienen soll.
Der Agentur für Arbeit dienen ihre fachlichen Weisungen zur Umsetzung des BfAus sowie interne Aus- und Weiterbildungen und Schulungen zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) als wichtige Quellen. Auch die Vertreterin des BBW, die selbst noch kein BfAus begleitet hat, macht als mögliche Informationsquelle auf die fachlichen Weisungen der Agentur für Arbeit aufmerksam.
Einer Reha-Teamleitung zufolge wäre es auch die Aufgabe der Agentur für Arbeit, die Träger der Eingliederungshilfe (EGH) zum BfAus zu beraten, „weil es ja ein Rechtsanspruch ist“. Bezüglich der Information der Arbeitgeber wird seitens der Agentur für Arbeit geäußert, dass auch die „Werbetrommel noch stärker“ gerührt und dabei Unterstützung angeboten werden könnte, sobald es erste Abschlüsse im BfAus gebe. Auch das Bewerben bei Ausbildungsmessen wird als eine Möglichkeit gesehen. Ein Arbeitgeber wünscht sich, dass potenzielle Budgetnehmende selbst gut informiert sind, schon während des Bewerbungsprozesses von Fördermöglichkeiten wissen und diese an den Ausbildungsbetrieb weitergeben können. Eine Reha-Beraterin nimmt an, dass potenzielle Budgetnehmende über Träger sozialer Dienste, Vereine, private Netzwerke oder die Zeitung Informationen erhalten und sieht die Aufgabe der Information zum BfAus als Alternative zum BBB „aber normalerweise […] schon“ bei der Agentur für Arbeit. Gleichzeitig heißt es: „die, die jetzt natürlich schon in der Werkstatt sind und das bisher noch nicht wissen, die erfahren / Also keine Ahnung, wie die es erfahren.“ Hier deuten sich mögliche Unterschiede im Zugang zu Informationen zwischen Leistungsberechtigten vor Inanspruchnahme von WfbM-Leistungen und den Beschäftigten in der WfbM (EV, BBB) an, die darüber hinaus auch die Beratungspraxis (Kap. IV.1.c) betreffen.
b) Informationsstand der beteiligten Akteurinnen und Akteure zum BfAus
Innerhalb der Fokusgruppe und auch in den Einzelinterviews wird insgesamt ein mangelnder Bekanntheitsgrad des BfAus festgestellt.
Im Hinblick auf Budgetnehmende wird seitens der Agentur für Arbeit geäußert, dass bisher niemand von ihnen eigeninitiativ das BfAus zur Sprache gebracht habe. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Leistungsberechtigten nicht ausreichend über diese Leistungsform informiert sind. In diesem Zusammenhang ist die Einschätzung einer Budgetnehmerin interessant, die den mangelnden Bekanntheitsgrad gerade auch auf die fehlende aktive Bewerbung durch die Agentur für Arbeit zurückführt. Eine Jobcoachin geht jedoch von der Bekanntheit von Alternativen zur WfbM unter den Werkstatt-Beschäftigten „ihrer“ Werkstatt aus, da diese Leistungen Alltagsgespräch und -thema seien. Ein Mitarbeiter einer WfbM/Inklusionsbetrieb sieht Potenzial in einer besseren Beratung von Schulabgängern und Schulabgängerinnen zu den Alternativen zur WfbM durch bspw. die Agentur für Arbeit.
In der Selbsteinschätzung der Agentur für Arbeit wird der für eine Beratung zum BfAus notwendige tiefergehende und umfassende Informationsstand der Reha-Beratenden als eher gering eingeschätzt. Dies sei auch auf eine bisher geringe Inanspruchnahme und damit verbunden kaum vorhandene Praxis-Einblicke zurückzuführen. Diese Einschätzung deckt sich mit der Erfahrung mehrerer Jobcoaches (WfbM), die sich von der Agentur für Arbeit nicht gut beraten und begleitet sehen und ihren eigenen Informationsstand z.T. besser einschätzen als jenen der Reha-Beratenden. Ein Jobcoach wünscht sich seitens der Agentur für Arbeit mehr Informationen zum BfAus für die eigene Arbeit und eine weitere Jobcoachin (WfbM) kontaktiert bei Fragen aufgrund dieser Erfahrungen eher die Ausbildungsberatung der Handwerkskammer (HWK) als die zuständige Rehaberatung. Bezüglich der Informiertheit der Agentur für Arbeit gibt es jedoch auch gegenteilige Erfahrungen von einer Mitarbeiterin Inklusionsbetrieb/WfbM. So sei die Agentur für Arbeit von sich aus auf den Leistungserbringer (WfbM) zugegangen und habe informiert und sehr unterstützend begleitet:
„Bei uns ist genau umgekehrt, die Agentur für Arbeit, der Reha-Berater ist auf uns zugekommen und hat gesagt. ,Hier, hier gibt es was Neues. Wäre das nichts für euch, ihr seid doch so engagiert?‘ Hat uns wunderbar begleitet. Das ganze Reha-Team und die Arbeitsagentur Stadt A in [Bundesland] kann ich da nur rausstellen, einfach sehr engagiert sind, und wie gesagt, wo Türen zu öffnen sind, dann machen wir das. […] das gesamte Team, muss ich sagen, ist da sehr innovativ.“
Den Arbeitgebern wird aus Sicht von Leistungserbringern und auch von Angehörigen ein mangelhafter Informationsstand attestiert. Gefordert wird eine bessere Kommunikation und Bewerbung zum/des BfAus für Arbeitgeber. Als dafür zuständige Institutionen werden seitens der Agentur die Kammern genannt, die eine bewusstseinsschaffende Öffentlichkeitsarbeit betreiben müssten. Ein Angehöriger sieht die Agentur für Arbeit in der Pflicht und fordert:
„Also ich würde die Reha-Berater erst mal, ich würde denen allen das Büro wegnehmen. Weil, die haben im Büro nichts zu suchen, die Reha-Berater. Die würden ein Auto kriegen, die würden draußen rumfahren in den Betrieben und würden dort Werbung machen für zum Beispiel Budget für Arbeit, Budget für Ausbildung.“
c) Beratungspraxis
Personen, die bereits den BBB einer WfbM absolvieren, würden nach Aussage der befragten Reha-Beraterin nur anlassbezogen zu einem Beratungsgespräch eingeladen. Anlässe seien bspw. die Unterbrechung des BBBs aufgrund längerer Krankheitsphasen, der Wunsch, die WfbM zu wechseln oder generelle Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation. Dass keine Verlaufsgespräche jenseits konkreter Anlässe geführt werden, wird wie folgt begründet:
„Einfach weil wir, glaube ich, die Leute damit mehr durcheinanderbringen, als dass wir da was Gutes mit bewirken. Ja, wenn ich also in so einem Berufsbildungsbereich bin und ich kriege plötzlich eine Einladung von der Agentur für Arbeit, mache ich mir Sorgen. Ich komme vielleicht auch gar nicht alleine hin. Also wir bringen so ein gut funktionierendes System durcheinander mit einem Gespräch, was nur mal: "Hallo, wie geht es dir? Ist alles in Ordnung? Fühlst du dich wohl? Aha, danke, das ist ja schön." Also da passiert ja nichts, in so einem […] Beratungsgespräch“.
Dies deckt sich mit der Wahrnehmung einer Jobcoachin (WfbM): „Wer in einer Werkstatt ist, der ist in einer Werkstatt erst mal, da kümmern die sich da nicht so groß drum.“
Jedoch betont die Team-Leitung eines Reha-Teams der Agentur für Arbeit, dass sie in Telefonaten mit WfbM immer wieder fragen würde, welche Schritte seitens der WfbM unternommen würden, sollte es dort Interessierte am BfAus geben.
Eine andere Reha-Beraterin berichtet, dass sie regelmäßig schon in den Vorabgangsklassen der Schulen sei und dort Kontakt zu Schülerinnen und Schülern und deren Lehrkräften und Eltern habe, die sich dann bei ihr zu einem Beratungsgespräch in den Räumlichkeiten der Agentur für Arbeit anmelden, um sie bei der Antragstellung für mögliche infrage kommende Leistungen, z. B. das BfAus, zu unterstützen.
Ohne einen konkreten Akteur zu nennen, sieht eine der beiden Reha-Beratenden es darüber hinaus als wichtig an, dass mehr dahingehend informiert wird, was das BfAus ist und für wen es tatsächlich geeignet ist. Zudem müsse in einer neutralen und unabhängigen Beratung stärker über Chancen und auch Risiken aufgeklärt werden. Hinsichtlich der gesetzlich „wenig Vorgaben, aber viel Anspruchsmöglichkeiten“ macht die Reha-Teamleiterin deutlich:
„Also das Gesetz ist ja so geschrieben, wer will, der hat darauf einen Rechtsanspruch, sofern man einen Ausbildungsbetrieb findet. Wenn man das aber, sagen wir mal, relativ ungesteuert macht, also dann ist halt, glaube ich, das große Risiko, kann ich wirklich einschätzen (…), dass ich zu einem Abschluss komme oder ob ich mich in einem guten Gedanken verrenne und vielleicht / also vielleicht doch ab und zu auf die Beratung, die von allen Seiten angeboten wird, ja, hören sollte.“
Sie sieht es als ein Risiko an, die Menschen mit Behinderungen selbst einschätzen zu lassen, wie realistisch ein Ausbildungsabschluss für sie ist. Vor allem Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen bräuchten Beratung, um berufliche Pläne zu durchdenken und zu reflektieren. Deshalb beginne sie ihre Beratung häufig mit: „Okay, das ist ja sehr mutig, dass Sie das machen wollen."
Zudem sei es wegen möglicher Stigmatisierung eine Herausforderung, in der Berufsschulklasse „anzukommen“, wenn eine Begleitung anwesend ist. Ein Budgetnehmer hat jedoch den Eindruck, dass seine Begleitung „ja nicht viel auf[falle]“.
Der Beratungserfahrung eines Angehörigen nach würden potenzielle Budgetnehmende in der Beratung trotz Teilzeitmöglichkeit[20] davor gewarnt, eine Ausbildung zu machen, bei der sie acht Stunden arbeiten müssten. Eine andere Reha-Beraterin berichtet, dass sie in ihrer Beratungspraxis, die Fördervoraussetzungen berücksichtigend, schaue, „wer […] denn überhaupt in der Lage und wer […] denn auch motiviert [ist], eine Ausbildung zu durchlaufen“.
In diesem Kapitel werden Aussagen zur Einschätzung der Anspruchsvoraussetzungen für das BfAus zusammengeführt. Darin dokumentieren sich auch Unsicherheiten und Irritationen im Hinblick auf den adressierten Personenkreis. Im zweiten Unterkapitel wird demgegenüber gestellt, wer das BfAus nach den Erfahrungen der befragten Personen faktisch in Anspruch nimmt.
a) Unsicherheiten bezüglich der Anspruchsvoraussetzungen
Mit Blick auf die fachlichen Weisungen der Agentur für Arbeit wurden die darin enthaltenen Ausführungen zu den Anspruchsvoraussetzungen diskutiert. Demnach kann „[m]it dem Budget für Ausbildung [...] ausschließlich eine betriebliche Erstausbildung gefördert werden. Eine Förderung von beruflichen Anpassungs-/Weiterbildungsmaßnahmen deckt § 61a SGB IX nicht ab.“[21] Diesbezüglich bestehen teilweise Unklarheiten und Unsicherheiten. So geht eine Jobcoachin (WfbM) davon aus, dass diese Voraussetzung von den Leistungsträgern streng ausgelegt werde („darf auch wahrlich noch nichts anderes gemacht haben“) und deshalb viele potenzielle Budgetnehmende vom BfAus ausgeschlossen würden. Aus den Erfahrungsberichten der übrigen Interviewteilnehmenden geht hervor, dass zum Beispiel eine abgebrochene Ausbildung kein Hinderungsgrund für die Bewilligung eines BfAus war. Ein Mitarbeiter WfbM/Inklusionsbetrieb berichtete zudem von einer Person, der trotz eines abgeschlossenen Studiums ein BfAus bewilligt wurde, weil diese aufgrund einer psychischen Erkrankung ihren Beruf nicht mehr ausüben konnte. Diese Erfahrung deckt sich mit dem Wissen einer weiteren Mitarbeiterin WfbM/Inklusionsbetrieb, die durch Kommentarliteratur erfuhr, dass zwar grundsätzlich nur Erstausbildungen gefördert würden, dies jedoch nicht gelte, wenn die Tätigkeit im ursprünglich erlernten Beruf behinderungsbedingt nicht mehr möglich sei. Auch im Interview mit der Agentur für Arbeit wird die Förderung einer weiteren Ausbildung zwar nicht ausgeschlossen, es besteht jedoch eine Restunsicherheit seitens des interviewten Reha-Beraters.
Diskutiert wurden auch die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen im EV, BBB und AB der WfbM. In diesem Zusammenhang wird die mit Inkrafttreten des Art. 7 Nr. 10 des Teilhabestärkungsgesetzes am 1. Januar 2022 gewährte Erweiterung auf den AB als sehr positiv gesehen. Dank dieser Erweiterung konnte einer der interviewten Budgetnehmer und auch eine weitere berichtete Person das BfAus in Anspruch nehmen, die zuvor von dieser Möglichkeit ausgeschlossen waren.
Problematisiert wird in den Interviews die Wahrnehmung von Widersprüchen im Hinblick auf den adressierten Personenkreis. Eine Reha-Beraterin fragt sich, wie die gleichen Fachdienste der Agentur für Arbeit, die „ein aufgehobenes Leistungsvermögen“ und „keine Ausbildungsfähigkeit“ festgestellt haben, mit Blick auf das BfAus zugleich zu folgender Einschätzung kommen sollen: „wenn du jetzt dementsprechend doch noch sechs Stunden irgendwo investierst, dann kann doch eine Ausbildung erfolgreich sein“. Eine Teamleitung eines Reha-Teams betont zudem, dass Gutachten zur eingeschränkten Leistungsfähigkeit ihre Berechtigung hätten „weil sie die Leute [nicht] irgendwohin sperren wollen, sondern weil sie ihnen einen geschützten Rahmen anbieten wollen“. Vor diesem Hintergrund ist es für sie nicht nachvollziehbar, dass jener Personenkreis dann eine betriebliche Ausbildung absolvieren können soll und spricht von einer „Riesendiskrepanz in der Theorie“, die „eine schwierige Beratungskonstellation darstellt“. Diesen Umstand kommentiert sie wie folgt: „In der inneren Logik hat sich da, glaube ich, irgendwie dieses ganze Teilhaberecht so sehr verflochten, noch mehr, als es schon vorher war. Das sehe ich tatsächlich insgesamt ein bisschen kritisch.“ Die Reha-Teamleitung weist darauf hin, dass ihr beim BfAus die Möglichkeit fehle, eine Förderung aufgrund ihrer Zweifel bezüglich der Erfolgsaussichten abzulehnen. Sie könne lediglich Bedenken hinsichtlich der Realisierbarkeit des Zielberufs/der Ausbildung anmelden.
Eine Jobcoachin (WfbM) sieht es kritisch, dass alle WfbM-Beschäftigten einen grundsätzlichen Anspruch auf das BfAus hätten und nicht danach entschieden werde, für welchen Personenkreis es tatsächlich geeignet sei. Eine Ausbildung sei aus ihrer Sicht bspw. für Menschen mit kognitiven Einschränkungen ausgeschlossen, auch vor dem Hintergrund jahrelanger Beschulung in Förderschulen.
b) Wer nimmt das BfAus in Anspruch?
Um einen Eindruck davon zu bekommen, wer das BfAus nach den Ergebnissen der Studie in Anspruch nimmt und in welcher Branche die Budgetnehmenden ihre Ausbildungen absolvieren, soll im Folgenden ein kurzer Überblick dazu gegeben werden. In diesem Überblick sind sowohl die interviewten Budgetnehmenden als auch diejenigen enthalten, über die in den Interviews berichtet wurde.
Es nehmen Menschen mit unterschiedlichen Formen der Beeinträchtigung das BfAus in Anspruch. Darunter sind auch Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen[22]. Entgegen der von einer Jobcoachin (WfbM) geäußerten Erwartung, dass eine Ausbildung für Menschen mit kognitiven Einschränkungen grundsätzlich ausgeschlossen sei, zeigt sich in der Praxis, dass auch dieser Personenkreis einer (Fachpraktiker-) Ausbildung nachgeht. So berichtet ein Reha-Berater von einem ehemaligen Schüler mit dem Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ und heutigen Budgetnehmer, der im ersten und zweiten Halbjahr der Ausbildung im Berufsschulzeugnis gute bis sehr gute Leistungen aufwies und dies ohne Fehltage. Eine Teamleitung des Reha-Teams beobachtet, dass gerade Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf das BfAus in Anspruch nehmen, da sie aufgrund von Erfahrungen des Nicht-Könnens (zum Beispiel im Hinblick auf Lesen und Schreiben) besonders unzufrieden seien, sich nicht als behindert sähen und „auch am ehesten auf so ne Förderprodukte ihre Hoffnungen setzen, dass sich dadurch was verändert“. Nach Angaben eines Jobcoaches (WfbM) würden auch „die Fitten in der Werkstatt, die man eigentlich gar nicht gehen lassen will“ das BfAus in Anspruch nehmen. Auch Menschen aus dem Autismusspektrum gehören zum Personenkreis ebenso wie Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die einen Realschulabschluss oder ein abgeschlossenes Studium haben.
Hinsichtlich der Branchen absolvieren die Budgetnehmenden ihre Ausbildung in den Bereichen Verkauf (Vollausbildung, teilweise in Teilzeit), Landwirtschaft (Fachpraktiker/Fachpraktikerin), Hauswirtschaft (Fachpraktiker/Fachpraktikerin), Industrie (Vollausbildung), Gartenbau (o.A.), Service (Fachpraktiker/Fachpraktikerin), Elektronik (Fachpraktiker/Fachpraktikerin) sowie Lager/Lagerlogistik (o. A.). Es wurde berichtet, dass für eine budgetnehmende Person in Zusammenarbeit zwischen Berufsschule, Ausbildungsbetrieb, Agentur für Arbeit und Handwerkskammer ein Ausbildungsrahmenplan für eine Fachpraktiker/in-Ausbildung im Bereich körpernahe Dienstleistungen erlassen wurde; die Ausbildung findet in einem Berufsbildungswerk (BBW) statt.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Zugang zum bzw. die Inanspruchnahme des BfAus an verschiedenen Stellen Unterstützung erfordern. Neben der Berechtigung für die WfbM ist das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Ausbildungsplatzangebotes eines privaten oder öffentlichen Arbeitgebers eine Anspruchsvoraussetzung für das BfAus. Dies benennt die Teamleitung eines Reha-Teams als „erste Hürde“, da Leistungsberechtigte gar nicht wüssten, wie sie einen Ausbildungsbetrieb finden sollten, „der sich darauf einlassen will“ und dann trotz Ausbildungswunsch „keinen Schritt weiter [kommen]“. Hier geht die Teamleitung von einem Unterstützungsbedarf aus, um einen geeigneten und einstellungsbereiten Ausbildungsbetrieb zu finden. Diese Unterstützung bei der Vermittlung und auch beim Zugang zum BfAus erhalten Budgetnehmende den Interviewten zufolge vor allem durch die WfbM, freie Träger, engagierte und informierte Angehörige sowie die Schule. Einige Budgetnehmende finden aber auch durch Eigeninitiative einen Ausbildungsbetrieb. Im Folgenden wird dargestellt, wie sich die Unterstützung durch WfbM, freie Träger und Angehörige gestaltet, wodurch sich die Eigeninitiative Budgetnehmender auszeichnet und welche Rolle die Agentur für Arbeit dabei spielt.
a) Unterstützung durch WfbM und/oder dortige Rahmenbedingungen
Da einzelne Budgetnehmende, die befragt wurden bzw. über die in den Interviews berichtet wurde, vor der Inanspruchnahme des BfAus entweder im BBB oder im AB der WfbM waren, kommt der WfbM bzw. den dortigen Rahmenbedingungen in den Interviews eine wichtige Rolle zu. So wurde ein Budgetnehmer von einer der WfbM angegliederten Arbeitsstätte für seinen zukünftigen Ausbildungsberuf im BfAus inspiriert. Als besonders bedeutsam wird zudem das Vorhandensein einer zur WfbM gehörenden Abteilung eingeschätzt, deren Angestellte bspw. Möglichkeiten für eine Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzeigen, dazu motivieren und/oder auf dem Weg hin zu einer Ausbildung bzw. einem Ausbildungsabschluss begleiten. Begleitete Praktika, die während der WfbM-Beschäftigung (in WfbM-eigenen Inklusionsbetrieben) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt stattfinden, oder betriebsintegrierte Arbeitsplätze scheinen ein Gelingensfaktor für den Weg hin zum BfAus zu sein. Auch nach Erfahrung einer Reha-Beraterin entstehen Ausbildungsverhältnisse im BfAus über betriebsintegrierte Arbeitsplätze im BBB bzw. Praktika. Solche Praktika/betriebsintegrierten Arbeitsplätze können den Befragten zufolge dazu dienen, herauszufinden, ob eine ausreichende Belastbarkeit vorliegt oder bspw. eine Teilzeitausbildung angezeigt ist.
Eine Unterstützung durch einen Jobcoach (WfbM) sei nach Angaben einer Budgetnehmerin mit psychischer Erkrankung schon im Vorfeld bei der Vermittlung und auch Sensibilisierung des Ausbildungsbetriebes wichtig gewesen:
„Auch die Mühe, die [Name Jobcoach WfbM] sich da gemacht hat. Er musste ja auch denen alles erklären und ich musste auch erstmal, wie sage ich Ihnen das, dass ich vielleicht nicht so jeden Tag irgendwie 100 Prozent geben kann und so. Aber das hat dann sehr gut geklappt.“
Ihr Jobcoach unterstützte sie im Vorfeld des BfAus darin, die für die Branche des gewählten Ausbildungsberufs notwendigen Anforderungen hinsichtlich des frühen Arbeitsbeginns, Schritt für Schritt zu erfüllen:
„Als ich dann angefangen habe, für sie Praktikumsplätze zu suchen, gesagt habe: ‚Sie kann aber vor 11 Uhr nicht anfangen zu arbeiten‘, raten Sie mal, was da die Ausbildungs- / oder beziehungsweise die Unternehmen gesagt haben? – Das geht nicht. Aber es war mit ihr möglich, einfach weil es auch so ihr Herzenswunsch war und weil wir auch Zeit hatten, es war möglich, dass sie Stück für Stück von halb 1 dann auf 8 Uhr morgens angefangen hat.“
Schließlich wurde sie nach einem halbjährigen Praktikum über das BfAus eingestellt.
Vor dem Hintergrund, dass das Erfüllen der in der Berufsschule gestellten Anforderungen nach Einschätzung einer Jobcoachin (WfbM) „eine große Unbekannte“ ist, habe sie damals für einen heutigen Budgetnehmer ein einjähriges Praktikum in einer Berufsschule organisiert; dieses Praktikum fand zunächst in einer Klasse, die einer Vollausbildung, und dann in einer Klasse, die einer Fachpraktikerausbildung nachging, statt. Während des Praktikums stand die Jobcoachin (WfbM) nach eigenen Aussagen in regem Austausch mit den Lehrkräften und der damals noch WfbM-Beschäftigte schrieb probeweise Klausuren mit. Mit der Zeit kristallisierte sich für den Budgetnehmer heraus, dass eine Fachpraktikerausbildung für ihn besser passe als eine Vollausbildung; nun sei er in einem Klassenverband mit ca. acht Personen.
b) Unterstützung durch freie Träger und andere Akteure und Akteurinnen
Eine befragte Budgetnehmerin war vor dem BfAus nicht in einer WfbM, sondern wurde im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung auf dem Weg zum BfAus von einem auf ihre Beeinträchtigung spezialisierten freien Träger begleitet, den sie schon seit vielen Jahren kannte. Dieser Träger unterstützte die heutige Budgetnehmerin bei der Bewerbung für ein Praktikum bei einem Betrieb, auf den sie durch Bekannte aufmerksam wurde. Bei diesem Betrieb begann sie ihre Ausbildung und wird durch den freien Träger auch aktuell weiter im Rahmen eines befristeten geförderten Projekts begleitet.
Ein weiterer WfbM-unabhängiger Akteur ist für die Umsetzung des BfAus nach Aussagen einer Reha-Beraterin in einem bestimmten Bundesland von besonderer Relevanz, da dieser als Bindeglied zwischen Ausbildungsbetrieben, potenziellen Budgetnehmenden und der Agentur für Arbeit fungiert und dafür Pädagoginnen und Pädagogen beschäftigt. Alle durch sie bewilligten Budgets standen in Zusammenhang mit diesem Akteur, der ein regionales Netzwerk von Unternehmen darstellt und von jenen getragen und u. a. von staatlichen Akteuren gefördert wird.
c) Unterstützung durch engagierte und informierte Angehörige
Als weitere, wichtige Unterstützung leistende Akteure auf dem Weg zum bzw. auch während des BfAus werden Angehörige von Budgetnehmenden genannt. Eine Budgetnehmerin, die zuvor nicht mit einer WfbM oder einem freien Träger in Verbindung stand, wurde intensiv und engagiert von ihrer Mutter unterstützt, die sehr gut über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen informiert ist. Nach einem einjährigen Bundesfreiwilligendienst vermittelte sie die zukünftige Budgetnehmerin in eine dreimonatige „Probearbeit“ bei einem befreundeten Gartenbauer. Anschließend wurde für zwei Monate das BfA in Anspruch genommen, aus dem dann das BfAus resultierte, für dessen Durchsetzung sich die Mutter einsetzte.
Die Teamleitung eines Reha-Teams berichtet von Eltern, die ihren Sohn auch während der Ausbildung u. a. im Rahmen der Nachhilfe unterstützen und beim Verfassen des Konzepts für die Anleitung und Begleitung mitwirkten. Andere Eltern brachten die für die Bewilligung des BfAus benötigten Dokumente wie Atteste, Befundberichte, Gutachten etc. bei. Zudem erfuhr eine Jobcoachin (WfbM) vom BfAus erstmalig von einem engagierten und informierten Vater.
d) Unterstützung durch Schule und Ausbildungsbetrieb
Bei einigen Budgetnehmenden (aus Berichten der Interviewten) spielten die Schule und deren Übergänge fördernde Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. So entwickelte eine heutige Budgetnehmerin über die Bedienung der Kaffeemaschine des förderschuleigenen Cafés ihr Interesse an einem fachlich verwandten Tätigkeitsbereich. Die Budgetnehmerin hatte für sich nach Angaben ihres Arbeitgebers den Übergang in eine WfbM ausgeschlossen. Dank einer privaten Bekanntschaft zwischen dem heutigen Ausbildungsbetrieb und der Schulleitung der Förderschule kam es zu einem Schulpraktikum, aus dem eine Einstiegsqualifizierung (EQ)[23] mit anschließender Anstellung im BfAus erwuchs.
Als wichtig erscheinen auch Kontakte zwischen der Schule, den Eltern und der Agentur für Arbeit sowie zwischen Förderschulen und Berufsschulen bspw. in Form von Berufsbildungswerken, die über Praktika einen direkten Übergang von der Schule in das BfAus ermöglichen.
e) Eigeninitiative der Budgetnehmenden
Besonders förderlich auf die Inanspruchnahme des BfAus wirkt es sich nach Aussagen von Jobcoaches aus, wenn bei potenziellen Budgetnehmenden bereits eine berufliche Orientierung, der Wunsch nach einer (konkreten) Ausbildung vorliegen oder es Ideen für mögliche Betriebe gibt. So strebte eine Budgetnehmerin eine Ausbildung in einer fachlich ähnlichen Richtung an, die sie im Rahmen einer vergangenen Ausbildung kennengelernt hatte; diese Ausbildung hatte sie aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung abgebrochen. Dies war die Basis für die Entwicklung eines konkreten Ausbildungs- und auch Stabilisierungswunsches, mit dem sie in der WfbM auf sich aufmerksam machte; diesem Wunsch kam sie durch Unterstützung Schritt für Schritt näher. Hier und auch bei anderen Budgetnehmenden wirkte sich zusätzlich positiv aus, dass sie über ein Hobby/Interesse einen persönlichen Kontakt zu Ausbildungsbetrieben hatten, die sie dann über das BfAus einstellten. Als besonders positiv für die Vermittlung und auch für das Fortführen einer Ausbildung wird durch eine Budgetnehmerin und Jobcoaches eine ausgeprägte Motivation und ein Interesse am Betrieb beschrieben.
f) Rolle der Agentur für Arbeit
Gem. § 61a Abs. 5 S. 1 SGB IX soll die Agentur für Arbeit Menschen mit Behinderungen zur Umsetzung des BfAus bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz unterstützen. Dieser Auftrag wird seitens der Agentur für Arbeit unterschiedlich wahrgenommen. In diesem Zusammenhang schildert ein Reha-Berater, dass er eng mit dem Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit zusammenarbeite und über die Jahre der Begleitung von Wiedereingliederungsmaßnahmen selbst auch Kontakte zu Betrieben aufgebaut habe.
Die Teamleitung eines Reha-Teams stimmt dem zu, dass der Arbeitgeber-Service unterstützen würde; allerdings habe sie den Eindruck, Arbeitgeber lebten in einer anderen Welt und dass „man […] schon welche kennen [muss], die sowieso offen sind, Inklusion zu leben, […] ja und dann auch noch in dem Beruf, in dem da jemand hin will, zufällig einen Ausbildungsplatz haben.“ Sie sieht sich zwar als zuständig für die Unterstützung an, gibt jedoch Folgendes zu bedenken:
„Aber ganz ehrlich, also auch für uns, sollen wir jetzt losgehen und überall fragen, ob sie jemand für das Budget für Ausbildung nehmen wollen? Also wir sind auch noch dabei, uns ein Netzwerk zu erarbeiten von Arbeitgebern, die dafür offen sind. Und das ist natürlich dann auch wieder nicht in jedem Berufsfeld und, genau, also das ist tatsächlich eine große Schwierigkeit, die Arbeitgeber auch abzuholen und dafür aufzuschließen.“
Nach § 61a Abs. 1 SGB IX gibt es zwei Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des BfAus: den Anspruch auf Leistungen im EV, BBB oder AB der WfbM und ein vorliegendes Angebot für ein sozialversicherungspflichtiges Ausbildungsverhältnis. Die Prüfung dieser beiden Voraussetzungen ist offenbar mit einigen Herausforderungen verbunden. Im folgenden Unterkapitel sollen Aspekte des Antragsverfahrens beleuchtet werden. Zunächst soll auf die Relevanz der einzubringenden Dokumente und Gutachten und die Dauer des Antragsverfahrens eingegangen werden, um anschließend den daraus resultierenden Unterstützungsbedarf, die Konzeptionierung der Anleitung und Begleitung und deren bewilligten zeitlichen und finanziellen Umfang zu thematisieren.
a) Relevanz von Dokumenten und Gutachten
Die befragten Reha-Beratenden berichten, dass sie zur Prüfung der Voraussetzungen Dokumente anfordern. Unter beizubringenden Dokumenten verstehen sie bspw. „Atteste, Befundberichte behandelnder Ärzte, [der] Feststellungsbescheid vom Versorgungsamt, [der] Bescheid über den Pflegegrad, Betreuer-Gutachten, wenn vorhanden, Praktikumsberichte aus der Schule, aus den Praktikumsbetrieben“. Das Anfordern dieser Dokumente erfolgt offenbar nicht nur bei jenen, für die das erste Mal die Werkstattberechtigung festgestellt werden muss, sondern scheint teilweise auch bei Menschen mit Behinderungen der Fall zu sein, die bereits in der WfbM arbeiten. Auf Basis dieser Dokumente werden die Gutachten vom Psychologischen und/oder Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit erstellt, die für das BfAus die Fördergrundlage darstellen. Antragstellende würden laut einer Reha-Beraterin dann als Rehabilitandinnen und Rehabilitanden anerkannt, wenn das Gutachten Folgendes aussagt: „Ein aufgehobenes Leistungsvermögen, keine drei Stunden täglich für länger als sechs Monate und eine Förderung der Entwicklung wird bei aufgehobenem Leistungsvermögen in einer Werkstatt für behinderte Menschen befürwortet“. Von besonderer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang zudem der Nachweis über die Leistungsfähigkeit für die WfbM („Werkstattfähigkeit“ /„Budget-Fähigkeit“). Ist diese über Gutachten nachgewiesen und gibt es ein Ausbildungsplatzangebot, wird das BfAus zu einer „Pflichtleistung“ und eine „Förderverpflichtung“ besteht.
Ein Jobcoach (WfbM) schildert die Erfahrung einer Budgetnehmerin und ehemaligen WfbM-Beschäftigten, dass sich ein Gutachten, das bei ihr im Kleinkindalter eine neurologische Erkrankung feststellte, hinderlich auf die Bewilligung auswirkte. Hier verlangte der Leistungsträger trotz der seit mehr als 20 Jahren nicht mehr aufgetretenen Erkrankung und vorliegender fachdienstlicher Stellungnahmen der WfbM eine neue Begutachtung, was den Ausbildungsbeginn deutlich verzögerte.
b) Dauer des Antragsverfahrens
Hinsichtlich der Bewilligungsdauer werden von den Interviewteilnehmenden unterschiedliche, auch gegensätzliche Erfahrungen gemacht. So berichten zwei Budgetnehmende aus unterschiedlichen Bundesländern, dass das BfAus schnell bewilligt wurde; genannt werden zwei und drei Wochen. Allerdings kann die Gutachtenerstellung durch die Fachdienste ein länger andauerndes Antragsverfahren bedingen, da hier nach Angabe einer Agentur für Arbeit eine Vorlaufzeit nötig sei. So würden der Ärztliche Dienst und der Berufspsychologische Service ein Gutachten nicht innerhalb von 14 Tagen erstellen können; insgesamt müssten für den Zeitraum bis zur Entscheidung, ob die Voraussetzungen für das BfAus vorliegen, ungefähr drei Monate veranschlagt werden „und dann müssen wir den Papierkram noch abwickeln“. Die interviewte Teamleitung eines Reha-Teams empfiehlt eine Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit spätestens im März, wenn im August/September „eine normale reguläre Ausbildung“ starten solle. Dies deckt sich mit der Praxiserfahrung einer Jobcoachin (WfM), der zufolge die Bewilligung mehr als vier Monate brauche und teilweise auch nach fünf Monaten noch nicht bewilligt wurde.
Die Teamleitung eines Reha-Teams beschreibt hinsichtlich der Bewilligung weitere interne Herausforderungen, denen die Agentur für Arbeit in Form eines Interessen- bzw. Rollenkonfliktes als Beratungsinstanz einerseits und Leistungsträger andererseits gegenüberstehe: Zum einen solle sie im Sinne einer kunden- und kundinnenorientierten Beratung als Dienstleisterin und zum anderen als mit öffentlichen Geldern verantwortungsvoll umgehende Institution agieren. Die Leistungsabteilung habe mit den Kundinnen und Kunden nie Kontakt; ihr Fokus läge auf Rechtskonformität und die korrekte Einhaltung der Haushaltbestimmungen, um sich nicht dem Vorwurf der Veruntreuung von Geldern aussetzen zu müssen. Mit Blick auf das erste bewilligte BfAus sagt die Teamleitung: „man kann es sich nicht vorstellen, wie schwer es ist, so einen operativen Beratungsbereich und einen Verwaltungsbereich, der Bescheide erstellt und Geld zur Zahlung bringt, zueinander zu bringen“. In der Folge „bremst einen [das] natürlich aus“, womit sie sich die langen Antragsdauern erklärt, die nach Ansicht der Jobcoaches (WfbM) als große Hürde angesehen werden.
Die beschriebenen Herausforderungen können sich auch bei der Auszahlung der Leistungen fortsetzen. Auch hier gibt es unterschiedliche Erfahrungen. So berichtet ein Budgetnehmer, dass er sein Gehalt und auch die Fahrkosten immer pünktlich überwiesen bekomme. Nach Angaben der Reha-Teamleitung hätten die Träger und vor allem die Ausbildungsbetriebe die Aufwendungen für Anleitung und Begleitung bzw. die Erstattung der Ausbildungsvergütung in den ihr bekannten Fällen jedoch erst mit großer Verzögerung erhalten. Die Verwaltung erfolge durch zwei sehr unterschiedlich arbeitende Leistungsstellen, die immer wieder Rückfragen oder Nachforderungen bspw. für bestimmte Stellungnahmen usw. hätten. Hier habe sie das Gefühl „die [Leistungsabteilungen] trauen sich da auch nicht so richtig ran und wissen vielleicht gar nichts von ihrem Glück, dass sie das einfach machen müssen und einfach nicht so viele Fragen stellen.“
c) Notwendige Unterstützung im Antragsverfahren
Das Antragsverfahren wird von einer Jobcoachin WfbM als „nicht immer so einfach“ beschrieben; es gebe keine einheitlichen Formulare und die Bewilligung sei stark von der jeweiligen Sachbearbeitung abhängig. Angesichts der oben beschriebenen Anforderungen im Antragsverfahren ergibt sich seitens der Antragstellenden mit Beeinträchtigungen Unterstützungsbedarf im Verfahren. So gibt die Teamleitung eines Reha-Teams an, dass der Antrag selbst zwar formlos sei, aber
„das Durchführen und das / also die Verantwortung zu übernehmen, jemanden zu finden, der das auch auf jeden Fall gemeinsam mit einem macht und dabei unterstützt. Ich glaube, das ist so die große Schwierigkeit und immer alle Bälle in der Luft zu halten.“
Diese Einschätzung deckt sich mit dem Erleben eines Budgetnehmers mit psychischer Beeinträchtigung, der die Beantragung als wenig barrierearm und kompliziert beschreibt:
„Wie gesagt, dass das halt für jemanden, der da nicht drauf geschult ist oder der halt nicht Abitur irgendwie mit sonst was abgeschlossen hat, mit 1,5 oder sowas, ist das sehr schwer. Weil da sind teilweise Wörter drin, die hat man noch nie gehört. Und man weiß dann auch nicht, muss man erstmal googeln, was ist denn das überhaupt, ah ja, das ist das und das, das steht da und da. Das ist kompliziert. Und dann sind das auch mehrere Seiten, ne? Das sind nicht nur eben aufschreiben, wo ich arbeite und meine Kontonummer so ungefähr, sondern dann sind das meine jetzigen Einnahmen und meine Kontodaten, mein Name, dann irgendwelche Nummer von meiner Rentenversicherung oder schieß mich tot, ne? Das ist sehr kompliziert.“
Die Beantragung des BfAus habe er „zum Glück geregelt bekommen mit [Jobcoach (WfbM)]“. Eine andere Reha-Beraterin stellt den Unterstützungsbedarf in den Zusammenhang mit dem Personenkreis, der das BfAus in Anspruch nimmt:
„Am besten er gewinnt [Organisation] und die machen dann die Arbeit im Verwaltungswesen für sie, weil, der Budget-Nehmer, der ist ja im Prinzip, ja, die Masse hier bei mir zumindest, massiv lernbehindert, geistige Behinderung beschrieben.“
Die Teamleitung eines Reha-Teams deutet auch die Rolle der Agentur für Arbeit bei der Unterstützung an, indem sie sagt, „irgendwie, also wenn wir Kostenträger sind, selber dafür verantwortlich, die Menschen zu unterstützen, den Antragsprozess mit uns durchzugehen.“
Nach Ansicht einer Jobcoachin (WfbM) benötigen nicht nur potenzielle Budgetnehmende Unterstützung, sondern auch die Ausbildungsbetriebe, die u. a. die Erstattung der Ausbildungsvergütung beantragen und ein Schreiben dazu formulieren müssten, dass sie das BfAus in Anspruch nehmen möchten. Auch wenn die Ausbildungsbetriebe durch sie als Jobcoachin (WfbM) dabei unterstützt würden, würden manche Betriebe angesichts des Aufwandes Auszubildende ohne Förderung einstellen, mit dem zusätzlichen Verweis: „dann werde ich den auch wieder los, so ungefähr, muss ich jetzt so sagen.“
d) Konzeptionierung der Anleitung und Begleitung
Neben der Erstattung der Ausbildungsvergütung an den Arbeitgeber sind im BfAus in der Höhe gesetzlich nicht begrenzte Aufwendungen für eine Anleitung und Begleitung von Auszubildenden mit Behinderungen enthalten. Damit die Höhe dieser Aufwendungen individuell und bedarfsgerecht bestimmt und bewilligt werden kann, ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des Antrags nach Aussage der Reha-Teamleitung „ein tragfähiges Konzept, wie jetzt die Anleitung und Begleitung erfolgen soll“. In diesem Konzept werde der Unterstützungsbedarf beschrieben und es enthalte Ausführungen zur konkreten Ausgestaltung der Anleitung und Begleitung. Da das Konzept individuell für jede bzw. jeden Budgetnehmende/n geschrieben wird, um bspw. eine individuelle Intensivbegleitung bei einer Vollausbildung zu gewährleisten, wird dessen Verschriftlichung von einem Mitarbeiter Inklusionsbetrieb/WfbM als aufwendig beschrieben. Die Reha-Teamleitung stellt die Überlegung an, dass die Beantragung und Bewilligung komplizierter werden könnte, wenn eine Gebärdensprachdolmetschung hinzukäme, zumal diesen dann auch ein Platz in den Berufsschulklassen zur Verfügung gestellt werden müsse.
Das Konzept könne nach Angaben einer Teamleitung eines Reha-Teams der Budgetnehmer selbst schreiben, in der Praxis werde es jedoch von Leistungserbringern verfasst.
In diesem Zusammenhang weist ein Reha-Berater im Interview auf die fachlichen Weisungen zu § 61a SGB IX hin, demzufolge die Fachdienste der Bundesagentur für Arbeit (z. B. Ärztlicher Dienst, Berufspsychologischer Service) und die Integrationsfachdienste (IFD) an der Einschätzung des Unterstützungsbedarfs u. a. mittels Fachdienstlicher Stellungnahme beteiligt werden könnten. Seiner Erfahrung nach lehnten dies jedoch beide ab: Die Fachdienste der Agentur für Arbeit würden die Ausrichtung des BfAus für den adressierten Personenkreis als widersprüchlich empfinden und der IFD auf fehlende Schulungen durch das Integrationsamt verweisen. Dies führe dazu, dass er als Reha-Berater in der Praxis auf die Leistungserbringer angewiesen sei, die die Anleitung und Begleitung durchführen und, deren Unterlagen zu Vormaßnahmen in den fachlichen Weisungen als weitere mögliche Erkenntnisquelle benannt werden. Dies sieht er jedoch kritisch: „weil, das ist ja so, als wenn Sie mir sagen, wie viel Taschengeld Sie von mir haben wollen, ja? Das könnte so ein bisschen Selbstbedienungsladen sein, ne?“ Diese darin zum Ausdruck kommende Sorge vor einer Befangenheit der Leistungserbringer teilt die Teamleitung eines Reha-Teams nicht. Er sieht im Gegenteil, beruhend auf der Erfahrung mit einem Werkstatt-Träger, den Vorteil, dass dieser zum einen das notwendige Fachwissen mitbringe, um den Unterstützungsbedarf einzuschätzen und nachvollziehbar darzulegen sowie zum anderen diesen identifizierten Bedarf dann selbst decken zu können.
e) Bewilligter Umfang der Anleitung und Begleitung
Auch wenn die Konzeptionierung der Anleitung und Begleitung als recht umfangreich beschrieben wird, berichten Interviewteilnehmende auch von einer problemlosen, unkomplizierten Bewilligungspraxis der Anleitung und Begleitung in dem beantragten und unhinterfragten Umfang. Dies deckt sich mit der Aussage im Interview mit einem Reha-Berater, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen das BfAus eine Pflichtleistung ist, aus der er „nicht raus[komme], egal wie viel Geld sie mich kostet“. Dies hängt nach Auffassung der Reha-Teamleitung damit zusammen, dass „jeder […] einfach das bekommen [soll], was er braucht“, denn es gebe keine gesetzlich festgelegte „Budget-Obergrenze“.
Entgegen der Aussage des Reha-Beraters zur nichtexistierenden „Budget-Obergrenze“ teilt eine Mitarbeiterin WfbM/Inklusionsbetrieb folgende Erfahrung mit dem leistenden Rehabilitationsträger mit:
„Aber was jetzt die Begleitung, sage ich jetzt mal, angeht, da sagen die ganz klar, also die Werkstatt würde einen Betrag X bekommen und ihr bekommt nicht mehr.“
Da der Bedarf individuell und damit auch der bewilligte Umfang der Anleitung und Begleitung unterschiedlich ausfällt, lassen sich Angaben dazu nicht unmittelbar miteinander vergleichen.
Während der Interviews werden auch Bewertungen des Leistungsbestandteils der Anleitung und Begleitung vorgenommen. Für einen Reha-Berater ist das sehr gute Berufsschulzeugnis eines Budgetnehmers einerseits Ausweis für dessen Motivation und Engagement, aber auch der guten Begleitung durch den Ausbildungsbetrieb und den Leistungserbringer in der Berufsschule. Bis auf einen Budgetnehmer, der sich mehr Interesse an seiner Ausbildung seitens der Begleitung durch den Ausbildungsbetrieb wünscht, zeigen sich die interviewten Budgetnehmenden durchweg zufrieden über die Art und den Umfang ihrer Anleitung und Begleitung. (Allerdings muss bei diesen Aussagen berücksichtigt werden, dass die Jobcoaches (WfbM) bei den Interviews anwesend waren bzw. den Budgetnehmenden bekannt war, dass die Interviewerinnen zu den Begleitungen Kontakt haben, da der Kontakt zu ihnen über jene zustande kam).
Eine Vertreterin eines Ausbildungsbetriebs sieht die im BfAus vorgesehene geförderte Nachhilfe als „gute Benefits, die wir in dem Zweifelsfall nicht bezahlen müssen“ und das Risiko dadurch minimiert werde, welches er wie folgt erklärt:
„Auch sich dann mit Menschen zu beschäftigen, wo man weiß, ah das könnte schulisch knirschen, wenn ich jetzt immer wüsste, dass immer ich das bezahlen müssten, müsste man sich auch überlegen, inwieweit ist das sinnvoll einfach? Also ich, also wir würden es machen, nichtsdestotrotz nehme ich das natürlich gerne in Anspruch.“
Die Finanzierung der Nachhilfe ist damit nach Ansicht des interviewten Ausbildungsbetriebes zum einen für den Betrieb selbst eine Entlastung und gleichzeitig auch motivierend für Auszubildende mit Blick auf die Inanspruchnahme, da sie für die dabei entstehenden Kosten nicht selbst aufkommen müssten.
In den Interviews wurde auch erläutert, wie die Auszahlung der Gelder für Anleitung und Begleitung in der Praxis geregelt sei. So würden Budgetnehmende häufig eine Abtretungserklärung unterschreiben, damit sie die Aufwendungen nicht an die beauftragten Träger überweisen müssen, sondern diese die Gelder direkt erhielten. Eine Reha-Beratende beschreibt die Problematik, dass sie als Leistungsträger nicht Vertragspartner der beauftragten Unterstützungsdienste sei und daher formell nicht eingreifen dürfe, wenn die Qualität der Anleitung und Begleitung nicht stimmt. Die Verantwortung läge bei den Budgetnehmenden. In der Praxis würden sie jedoch ihre Unterstützung z. B. bei der Kommunikation mit den Leistungserbringern anbieten.
Nach den Ausführungen zum Antragsverfahren wird nun auf Basis der in den Interviews geäußerten Erfahrungen beleuchtet, wie das BfAus in der Praxis ausgestaltet ist. Dabei wird darauf eingegangen, inwiefern das BfAus in Teilzeit oder Vollzeit bzw. als Voll- oder Fachpraktikerausbildung absolviert wird. Des Weiteren wird die Erstattung der Vergütung thematisiert sowie die Frage, in welchen Ausbildungsbetrieben das BfAus umgesetzt wird.
a) Absolvieren der Ausbildung in Teil- oder Vollzeit
Aus den Interviews geht hervor, dass die Ausbildung im BfAus bei einigen befragten und Budgetnehmenden aus Berichten, soweit bekannt, in Form einer Teilzeitausbildung absolviert wird. In einem von der Teamleitung eines Reha-Teams berichteten Fall begann die Budgetnehmerin ihre Ausbildung zunächst in Vollzeit. Während der Ausbildung zeigte sich, dass die Ausbildung in Vollzeit „sehr anstrengend“ ist, weshalb zum Zeitpunkt des Interviews Überlegungen angestellt wurden, von einer Vollzeit- in eine Teilzeitausbildung zu wechseln, „damit sie einfach mehr Zeit hat“. Bei einem Budgetnehmer bedeutet Teilzeit, dass die Arbeitszeit bei 30 Std./Woche liegt.
Die Reha-Teamleitung stellt fest, dass die Umsetzung einer Teilzeitausbildung nur im Betrieb, nicht jedoch in der Schule erfolgen kann. Im Zusammenhang mit Teilzeitausbildungen wünscht sich ein Angehöriger, dass jene seitens des Leistungsträgers auch aktiv als mögliche Form des BfAus (oder auch des BfA) angeboten wird und nicht gleich „gut gemeint“ von einem BfAus abgeraten und zu anderen Maßnahmen geraten wird.
b) Fachpraktiker- und Vollausbildung
Die Ausbildung im BfAus wird sowohl als Fachpraktikerausbildung gemäß § 66 BBiG/ § 42r HwO als auch als Vollausbildung (im Sinne einer Regelausbildung) durchgeführt. Dabei werden auch für die Fachpraktikerausbildung Schwierigkeiten in der Umsetzung beschrieben. Eine Jobcoachin (WfbM) berichtet, dass das Lernen für eine durch sie begleitete Budgetnehmerin auch in diesem Rahmen eine Herausforderung sei:
„So vom Praktischen her, die im Betrieb S (Gastronomie) sagen immer: ‚Ja klar, können wir hier noch schleifen, da noch schleifen‘, aber die hat es drauf. So die kann das. Aber das Lernen, die hat halt nie gelernt zu lernen.“
Bedauert wird, dass das Angebot an Fachpraktikerausbildungsgängen und damit die Auswahl für potenzielle Budgetnehmende begrenzt sei. Eine Jobcoachin (WfbM) fordert deshalb die Fachpraktikerausbildung als Pendant für grundsätzlich alle Berufsausbildungen, da sie annimmt, dass dann noch mehr WfbM-Beschäftigte das BfAus in Anspruch nehmen würden.
Die Teamleitung eines Reha-Teams deutet Zweifel an, ob die Berufsschulen diese Ausbildungen trotz Verpflichtung tatsächlich auch umsetzten und den Rahmen dafür geben würden. Ihrer Erfahrung nach stünden zudem die Kammern Fachpraktikerausbildungen skeptisch gegenüber, da sie nicht auf den Arbeitsmarkt führten und auf dem Helfer- bzw. Helferinnen-Niveau bezahlt würden. Eine Jobcoachin (WfbM) beschreibt die Erlassung von neuen Fachpraktikerausbildungsregelungen als herausfordernd, da u. a. absehbar sein müsse, dass die entsprechende Berufsschulklasse „gut gefüllt“ ist, es genug Betriebe und Lehrkräfte gibt und damit „wirtschaftlich auch funktionier[t]“. Anders als bei dem Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitausbildung scheint zudem der Wechsel von einer Fachpraktiker- hin zu einer Vollausbildung auf Hürden zu stoßen. So schildert ein Jobcoach, dass ein Budgetnehmer, der gerade seine Abschlussprüfungen für die Fachpraktikerausbildung absolviere, „gerne das eine Jahr aufstocken [möchte] zur Fachkraft“, dies jedoch vom BfAus nicht abgedeckt sei.
Hinsichtlich der Berufsschulen fordert eine Angehörige, dass Berufsschulen nicht nur Fachpraktikerausbildungen anbieten, sondern auch inklusiv(er) werden müssten. Ein Budgetnehmer, der eine Vollausbildung durchläuft, nimmt bei Prüfungen Nachteilsausgleiche in Form von verlängerten Bearbeitungszeiten in Anspruch. Sein Jobcoach sagt in diesem Zusammenhang: „da musste auch einiges geklärt werden am Anfang noch. Weil eigentlich ist es ja, ich sage mal, es ist ja ein Reha-Fall eigentlich, aber eine Vollausbildung und da musste man natürlich schon so ein bisschen gucken. Und deswegen ist das ja sehr individuell dann auch gemacht worden mit dieser Intensivbegleitung.“ Es sei eine Abstimmung mit der IHK notwendig gewesen, welche die Ausbildung absegnen und den Betrieb akzeptieren musste. Zudem berichtet der Budgetnehmer, dass er das zweite Lehrjahr wiederholt habe, um sich für die Abschlussprüfung besser vorbereiten zu können sowie die Noten zu verbessern. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass eine Jobcoachin (WfbM) berichtet, bei einem Budgetnehmer sei der Werkstattträger selbst auch Bildungsträger und führe den schulischen Teil der Fachpraktikerausbildung durch.
c) In welchen Ausbildungsbetrieben werden die BfAus umgesetzt?
Aus den Interviews geht hervor, dass die Ausbildungen im BfAus - soweit bekannt – in kleinen bis mittleren inhaber- bzw. inhaberinnengeführten Betrieben stattfinden oder in (Inklusions-)Betrieben, deren Träger auch WfbM-Leistungen erbringen. Diese Nähe zur WfbM wird seitens einer Jobcoachin (WfbM) positiv gesehen, da Arbeitgeber des allgemeinen Arbeitsmarktes möglicherweise nicht über die notwendige barrierefreie Infrastruktur verfügen würden und Umbauten nicht immer stattfinden. So habe sich ein an eine WfbM angeschlossener Inklusionsbetrieb dazu entschieden, das BfAus „erstmal intern bei uns“ zu machen, da bspw. das Pflegebad der WfbM und der dort vorhandene Lifter genutzt sowie bei Krisen der psychologische Dienst in Anspruch genommen werden könne. Gleichzeitig werden Budgetnehmende nach Aussage einer Jobcoachin (WfbM) aus der WfbM heraus nicht nur in den angeschlossenen Inklusionsbetrieb vermittelt, sondern auch in andere Betriebe. Dadurch werden weitere Perspektiven eröffnet; ein Budgetnehmer, der seine Ausbildung mit dem BfAus in einem an einer WfbM angeschlossenen Betrieb absolviert, wünscht sich, auch in einem anderen Betrieb zu arbeiten:
„Dass ich mich nochmal irgendwann weiterentwickeln kann so. Ich will ja auch nicht für immer Betrieb S bleiben, weil ich will ja schon gerne nochmal irgendwann, wenn ich so weit bin, nochmal was anderes machen. […] Weil ich bin ja auch noch jung. […] Ja. Also schon, ich habe das, den Traum schon“
Eine Mitarbeiterin WfbM/Inklusionsbetrieb weist darauf hin, dass die WfbM selbst nicht als Ausbildungsbetrieb auftreten dürfe. Gleichzeitig berichtet eine Reha-Beraterin von mehreren Fällen, in denen die WfbM Ausbildungsbetrieb sei und kommentiert dies wie folgt:
„Das finde ich […] eine sehr charmante Lösung, weil, der muss sein Umfeld eigentlich nicht verlassen, man kann ihn maximal gut unterstützen und der hat am Ende einen vernünftigen Ausbildungsabschluss. Und ich glaube, das / also wenn das so immer funktionieren könnte, wäre großartig.“
Bezüglich der Voraussetzungen, die ein am BfAus interessierter Ausbildungsbetrieb erfüllen muss, scheint den Befragten nicht klar zu sein, ob bei Ausbildern bzw. Ausbilderinnen im Falle einer Fachpraktikerausbildung (unabhängig vom BfAus) ein sog. ReZA-Schein (eine rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation)[24] vorliegen muss. Hier zeigen sich unterschiedliche Annahmen und Erfahrungen, inwieweit diese bei den betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbildern vorhanden sein muss oder die Qualifikation der im BfAus anleitenden und begleitenden Person anerkannt wird. Eine unzureichende Klarstellung könnte Ausbildungsbetriebe davon abhalten, Fachpraktiker bzw. Fachpraktikerinnen mit dem BfAus auszubilden.[25]
Im Folgenden soll die Ausgestaltung der Anleitung und Begleitung als wichtiger Bestandteil des BfAus fokussiert werden. Dabei wird zunächst erläutert, wodurch sich die Anleitung und Begleitung den Interviewteilnehmenden zufolge auszeichnet und wer diese Aufgaben in der Praxis übernimmt.
a) Inhalte der Anleitung und Begleitung
Die Anleitung und Begleitung umfasst als Leistung im BfAus sehr unterschiedliche, nicht immer klar voneinander abgrenzbare Aufgabenbereiche. In den Interviews wurden folgende Tätigkeiten beschrieben:
Psychosoziale Begleitung in Form von Gesprächen (bspw. über den Umgang mit der eigenen Behinderung bei Publikumsverkehr am Ausbildungsplatz) und pädagogische Unterstützung (bspw. beim Finden eines neuen Ausbildungsbetriebs während und auch nach der Ausbildung, z. B. in Form von Bewerbungstrainings bei nicht erfolgter Weiterbeschäftigung sowie beim Stellen von Verlängerungsanträgen). Im Falle der Insolvenz eines Ausbildungsbetriebes erfolgte in Absprache mit der Agentur für Arbeit eine Umwidmung der Mittel für die Nachhilfe in Mittel für die Akquise eines neuen Betriebes. Damit ist ein weiterer möglicher Inhalt der Aufwendungen für Anleitung und Begleitung in Form der Nachhilfe bzw. „Stützunterricht“ z. B. zur Vorbereitung auf Klassenarbeiten oder beim Führen des Berichtsheftes benannt.
Als weitere Umsetzungsform wird die betriebliche Begleitung beschrieben, bei der es bspw. um das gemeinsame Üben von (neuen) Aufgaben im Betrieb geht oder darum, an Lösungen für „reibungslosere Abläufe“ zu arbeiten. Zur betrieblichen Begleitung zählt auch die Kommunikation mit dem Ausbildungsbetrieb bei (sich anbahnenden) längeren Krankheitsphasen, dessen Sensibilisierung für eine psychisch bedingte schwankende Leistungsfähigkeit sowie regelmäßige Treffen mit betrieblichen Ansprechpersonen und Budgetnehmenden, etwa um über noch zu übende Tätigkeiten zu sprechen.
Des Weiteren haben einige Budgetnehmende auch direkt im Klassenraum in der Berufsschule eine Begleitung, „die mir dann so ein bisschen hilft in der Schule / so ein bisschen verstehe wenn ich nicht weiter irgendwie klarkomme […] Und wenn ich bestimmte Fragen habe, wenn ich nicht alles verstanden habe zum Beispiel.“ Bei Bedarf würde beim Lesen von Texten oder der Bearbeitung von Aufgaben unterstützt.
b) Wer übernimmt die Anleitung und Begleitung?
So vielfältig sich die Aufgabenbereiche im Rahmen der Anleitung und Begleitung erweisen, so vielfältig sind auch die Akteure und Akteurinnen, die sie ausführen. Teilweise sind die Unterstützungsbereiche auf mehrere Personen aufgeteilt, manchmal werden alle Bereiche in Personalunion abgedeckt. Diese Flexibilität ist offenbar angesichts der individuellen Konzeptionierung der Anleitung und Begleitung möglich (siehe dazu Abschnitt IV.4.d).
Nachhilfe wird bspw. von einer Nachhilfelehrkraft in Absprache mit der entsprechenden Berufsschule erbracht, trägerintern durch eine in einer WfbM angebotenen Mathematiknachhilfe sowie durch den Anleiter bzw. die Anleiterin im Betrieb.
Vielfältig sind auch die ausführenden Akteure und Akteurinnen der betrieblichen Begleitung. Dazu gehören die Ausbildungsbetriebe, die je nach Ausgestaltung über bewilligte Fachleistungsstunden für die Anleitung und Begleitung bezahlt werden. Ein Budgetnehmer berichtet in diesem Zusammenhang von zwei Ansprechpersonen, die ihn bei Fragen unterstützten und zur Verfügung stünden. Hier ergänzt sein Jobcoach, dass diese beiden Ansprechpersonen dank ihrer Geduld und Ruhe einen „guten Draht“ zu dem Budgetnehmer hätten. Eine interviewte Inhaberin des Ausbildungsbetriebs legt dar, dass der Betrieb die Budgetnehmerin wegen ihres Bedarfs nach Struktur und damit verbunden „einer einfach gewissen Aufmerksamkeit“ „engmaschig betreut“ und auch viel im Betrieb üben würden, „damit die möglichst sicher in die Prüfung gehen“. Ein weiterer Akteur ist ein bei einem WfbM-Träger angestellter Jobcoach, der Budgetnehmende im trägereigenen Inklusionsbetrieb begleitet. Auch Jobcoaches, die nicht in einer WfbM tätig sind, leisten Betriebsbesuche. In diesem Zusammenhang schildert eine Jobcoachin ihren Eindruck, dass es für die betriebliche Ansprechperson nicht immer einfach sei, Kritik zu äußern. Sie macht auf die Angst der begleiteten Budgetnehmerin aufmerksam, dass bei Gesprächen zwischen Jobcoach und dem Betrieb „etwas über den Kopf hinweg passiert“ und deswegen versucht werde, „das einfach im Grund so transparent und so ehrlich, wie es nur irgendwie geht, zu machen“.
Auch die psychosoziale bzw. pädagogische Begleitung wird von beim WfbM-Träger angestellten Jobcoaches übernommen.
Eine Mitarbeiterin eines Inklusionsbetriebes, der auch zu einem Träger einer WfbM gehört, macht die Doppelrolle als Ausbildungsbetrieb deutlich:
„[D]a sind wir einmal als Ausbildungsbetrieb unterwegs und auf der anderen Seite bieten wir auch selber die Anleitung und Begleitung am Ausbildungsplatz an, also sind da auch Leistungsempfänger von dieser pädagogischen Begleitungsleistung.“
In manchen Fällen werden mehrere Aufgabenbereiche von derselben Person übernommen. Ein Jobcoach (WfbM) unterstützt nach Angaben des Budgetnehmers bspw. beim Führen des Berichtshefts, beim Lernen und bei der Vorbereitung auf Prüfungen. Eine von einer WfbM unabhängige Budgetnehmerin wird im Betrieb und auch in der Schule von einem familienentlastenden Dienst begleitet.
Diese Aufteilung von Aufgabenbereichen zwischen verschiedenen Akteuren und Akteurinnen bringt jedoch – je nach Ausgestaltung der Anleitung und Begleitung – auch Herausforderungen mit sich und stößt nach Erfahrung eines Mitarbeiters WfbM/ Inklusionsbetrieb an Grenzen. Ihm zufolge ordnete die Agentur für Arbeit an, dass alle Bestandteile dieser Budgetleistung (inkl. Förderunterricht) mit nur einem Träger abgerechnet werden können. Dieser Träger konnte den notwendigen Förderunterricht jedoch nicht selbst anbieten, weshalb jener bei einem externen Bildungsträger „eingekauft“ werden sollte, was für den entsprechenden Leistungsträger jedoch eine mit dem BfAus nicht kombinierbare assistierte Ausbildung sei. Das Einkaufen bei einem externen Bildungsträger war auch deshalb nicht möglich, da jener zurückmeldete, dass nur direkt mit der Agentur für Arbeit abgerechnet werden könne. Die Interviews zeigen, dass es bezüglich der Umsetzung von Anleitung und Begleitung beim BfAus offenbar je nach Bundesland eine unterschiedliche Bewilligungspraxis gibt (vgl. Abschnitt IV.4.e).
In diesem Kapitel soll sich weiteren förderlichen und hemmenden Faktoren bei der Inanspruchnahme des BfAus gewidmet werden, die von den Befragten genannt wurden und die über die bereits genannten Themen hinausgehen.
Die vorherigen Ausführungen machen deutlich, dass unterschiedliche Akteurinnen und Akteure zu verschiedenen Zeitpunkten an der Ausgestaltung des BfAus beteiligt sind. Einzelne Beispiele aus den Befragungen zeigen, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten für das Gelingen im Einzelfall sein kann. Im Falle der in Abschnitt IV.6.a) erwähnten Insolvenz eines Ausbildungsbetriebs während der Ausbildungszeit einer Budgetnehmerin konnte aufgrund gemeinsamer Anstrengung des zuständigen Jobcoaches, der Agentur für Arbeit und der IHK in kürzester Zeit (ca. 4 Wochen) ein neuer Ausbildungsbetrieb gefunden werden, sodass die Ausbildung nicht wesentlich unterbrochen werden musste. Diese enge Zusammenarbeit fand auch schon vor der Ausbildung statt als noch nicht klar war, ob ein BfA oder ein BfAus in Anspruch genommen werden soll. Es wird von einem „runden Tisch“ berichtet, an dem sich der Träger der Eingliederungshilfe, der Ausbildungsberater der IHK, die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit, der zukünftige Jobcoach sowie die Budgetnehmerin über die konkrete Ausgestaltung des BfAus austauschten.
Die Erstattung der Ausbildungsvergütung wird als wichtiger Bestandteil des BfAus gewertet, die vor allem für kleinere Betriebe wichtig sei. Nach Ansicht eines Reha-Beraters sei die Erstattung eine attraktive Leistung für Ausbildungsbetriebe, weil er „ja 100 Prozent finanziert [kriege] und […] keine Aufwendungen [habe]“. In diesem Zusammenhang wendet die Reha-Teamleitung ein, dass der Aufwand durch die Erstattung der Ausbildungsvergütung nicht komplett ausgeglichen werden könne, da es auch nötig sei, sich Zeit zu nehmen und zusammenzuarbeiten; dies lasse sich nicht in Geld bemessen. Auch Jobcoaches geben zu bedenken, dass die Erstattung nicht alleine ausschlaggebend für die Entscheidung für ein BfAus sei, da auch die intensive Begleitung für Ausbildungsbetriebe wichtig sei und auch eine grundsätzliche Bereitschaft vorhanden sein müsse. Gleichzeitig sind sich eine Budgetnehmerin und deren Jobcoach einig, dass wegen der Insolvenz des ursprünglichen Ausbildungsbetriebes die Erstattung der Ausbildungsvergütung bei der Akquise eines neuen Betriebs von besonderer Relevanz gewesen sei. Ein Verantwortlicher eines mittelgroßen Ausbildungsbetriebs sagt aus, dass er „noch ein bisschen was obendrauf [lege]“, wobei die Azubis dadurch keine „richtig[en] Sprünge machen“ würden.
Als hemmender Faktor wird die Sorge vor Stigmatisierung genannt. Diese könne sich z. B. bei Inanspruchnahme der Anleitung und Begleitung in der Berufsschule ereignen, wenn die Nutzung einer behinderungsbedingten Unterstützungsleistung offensichtlich wird. Deshalb erzählt ein Budgetnehmer nur ausgewählten Personen in der Berufsschule vom BfAus. Ein Jobcoach berichtet von zwei durch ihn begleiteten psychisch beeinträchtigten Budgetnehmenden, die aufgrund der Angst vor Stigmatisierung nicht wollen, dass die Berufsschule oder auch das Kollegium im Betrieb vom BfAus und dessen Ziel und Ausgestaltung erfahren; nur der Ausbilder wisse Bescheid. Eine dieser beiden Budgetnehmenden begründet dies wie folgt:
„Berufsschule wollte ich nicht, weil ich habe, wenn ich das vorsichtig sagen darf, ich habe nur Chaoten in der Klasse, fast nur Chaoten in der Klasse und wenn die das mitkriegen, dass ich irgendwie erkrankt bin und da irgendwie, die würden mich jetzt nicht fertigmachen, aber dann heißt es immer: Du bist doch psychisch krank, halt mal die Klappe oder sowas. Du hast keine Ahnung. […] Da könnte man ja auch sagen, okay, der kriegt eine andere Arbeit, weil er kann vielleicht nicht so. Aber das wollte ich alles nicht.“
Diese Sorgen führen dazu, dass Nachteilsausgleiche bspw. bei Prüfungen nicht in Anspruch genommen werden oder Hilfsmittel (z. B. in Form eines Taschenrechners bei Kassiertätigkeiten) gemieden werden, weil deren Nutzung aus Perspektive eines interviewten Budgetnehmers schambehaftet ist; er gehe deshalb bei komplizierteren Beträgen in einen separaten Raum, um nachzurechnen.
Eine Budgetnehmerin wünscht sich mehr Präsenz durch die/Engagement der Agentur für Arbeit, um den Ausbildungsbetrieb für die Auswirkungen psychischer Erkrankungen zu sensibilisieren und dem Arbeitgeber zu verdeutlichen, welche Rechte sie als Budgetnehmerin mit Blick auf die Anleitung und Begleitung hat:
„Was aber ein bisschen fehlt ist, das was ich mir gewünscht hätte, dass einer von der Agentur vielleicht […] irgendwie einer mal gekommen wäre und meine Firma informiert hätte. […] Was die denn so für Rechte haben, was sie für Pflichten haben, was sie beachten müssen und wo vielleicht dann noch was rausholbar ist, oder auch, auch was schief gehen kann oder so. Weil ich habe manchmal das Gefühl im Betrieb, die denken so, [Name Budgetnehmerin] geht Kaffee trinken, wenn ich sage, ich muss zum Termin [hier ist vermutlich der Termin mit dem Jobcoach (WfbM) gemeint]. Die kommt nicht arbeiten. Aber wenn die den Hintergrund wissen und gut, [Name Jobcoach (WfbM)] ist da sehr bemüht, denen das zu erklären, aber wenn da einer von der Agentur kommen würde und sagen würde, so, das gehört dazu, das gehört dazu, das müssen sie beachten, das dürfen sie vielleicht auch mal ankreiden, wenn der Azubi nicht / und sowas, ne? Das würde, glaube ich, noch mal anders rüberkommen.“
Ihr Jobcoach (WfbM) stimmt dem zu und wünscht sich auch im Sinne des Informierens des Ausbildungsbetriebs mehr Kontakt zur Agentur für Arbeit und mehr Präsenz durch jene, denn weder er noch die Budgetnehmerin hätten seit der fast einjährigen Inanspruchnahme des BfAus von der zuständigen Rehaberatung gehört. Dies scheint sich je nach Bundesland oder Rehaberatung zu unterscheiden, denn den Ausführungen einer Reha-Beraterin folgend, sei sie auch während der Ausbildung präsent, z. B. beim Betriebsbesuch bei der Begründung des Ausbildungsverhältnisses, bei Zwischenstandsgesprächen zur Gestaltung der Begleitung im Betrieb und in der Berufsschule oder auch bei Gesprächen mit Budgetnehmenden, Ausbildern und Ausbilderinnen und dem Jobcoach im Zuge der Ausfertigung/Erteilung von Berufsschulzeugnissen.
Bemängelt wird seitens der Reha-Teamleitung die ausschließliche Bewilligung von betrieblichen Ausbildungen, was ihrer Ansicht nach zur Folge habe, dass eine Ausbildung an einem Ausbildungsort wie dem Berufsbildungswerk, welches umfangreiche Unterstützung bereithalte, nicht möglich sei, noch nicht einmal am Anfang der Ausbildung. An dieser Stelle wünscht sie sich eine Ausweitung an möglichen Konstellationen, damit z. B. auch Menschen mit Behinderungen das BfAus in Anspruch nehmen können, die sich eine Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zutrauen. Sie plädiert zudem für eine allgemeine Öffnung des BfAus, damit jenes nicht nur an den Werkstatt-Status und Gutachten gebunden ist sowie für mehr Unabhängigkeit von bisher existierenden „modularisierten Förderprodukten“ im Sinne einer individuellen Zusammensetzung der benötigten Unterstützung.
Auch der Vertreter des BBW macht wiederum die Beobachtung des für das BfAus eingeschränkten Personenkreises. Förderlich sei es, wenn dieser motiviert sei und Unterstützung bspw. durch Angehörige erhalte; daraus schließt er, das BfAus sei nach aktuellem Stand kein Instrument „für eine breite Masse“. Des Weiteren sieht der BBW-Vertreter das BfAus für die BBW zwar als interessantes Thema an aber zumindest bisher nicht als einen Bereich, in dem die BBW tätig werden könnten, vor allem nicht als Ausbildungsbetrieb, da es sich bei den BBW um eine Reha-Einrichtung handele. In dem BBW, in dem er tätig sei, sei zudem eine Schnittstelle zum BfAus in Form einer eigenen Berufsschule nicht gegeben.
8. Anschlussperspektiven nach dem Budget für Ausbildung
In den Interviews wird auch thematisiert, welche Anschlussperspektiven sich für die Budgetnehmenden nach der Ausbildung eröffnen. Dabei geht es um Übernahmen, die Inanspruchnahme konkreter Leistungen und die gewünschte Unterstützung.
Bei einigen der interviewten Budgetnehmenden bzw. jenen aus Berichten gibt es bereits Übernahmezusagen durch den aktuellen Ausbildungsbetrieb. Hier unterscheidet eine Jobcoachin (WfbM) die Chancen je nach Ausbildungsrichtung. So werde eine Person, die im Bereich der Gastronomie ausgebildet wird, wegen des dort herrschenden Personalmangels eher übernommen. Dies sei im Bürobereich durchaus schwieriger, weil es da „nicht so viel Arbeit“ gebe. Ein interviewter Ausbildungsbetrieb bestätigt im Interview die Übernahme der Budgetnehmerin im Anschluss an ihre Ausbildung zur Fachverkäuferin.
Bei Fällen, in denen keine konkreten Angaben zur Übernahme gemacht werden, gibt es teils Bestrebungen hinsichtlich der Inanspruchnahme eines BfA, das in einzelnen Fällen auch schon vor dem BfAus genutzt worden war.
Die Reha-Teamleitung sieht das BfA im Anschluss an das BfAus allerdings kritisch, u. a. weil unklar sei, ob sie im Anschluss an die Ausbildung die Voraussetzung erfüllen, (weiterhin) berechtigt für die WfbM und damit für das BfA zu sein:
„Ja, aber wenn ich einen Berufsabschluss habe und in dem Beruf arbeiten kann, warum sollte ein Sozialmediziner sagen, der hat immer noch den Werkstatt-Status?“
Zudem nimmt dieselbe Reha-Teamleitung an, dass Azubis im Anschluss an die Ausbildung nicht mehr von staatlichen Förderungen wie dem BfA abhängig sein möchten:
„Also mich würde es ja mega nerven, wenn ich den Rest meines Lebens immer von irgendwelchen staatlichen Förderungen abhängig bin. […] Also selbstbestimmte Teilhabe heißt ja nicht, der Staat zahlt für mich und ich kann machen, was ich will, sondern ich will ja dann auch für mich selber das entscheiden und ich muss nicht drauf warten, dass es irgendjemand bewilligt.“
Dass Teilhabeleistungen auch nach dem Abschluss der Ausbildung im BfAus relevant sein können, zeigt sich in dem Wunsch einer Budgetnehmerin nach einer weiterlaufenden Begleitung durch ihren aktuellen Jobcoach (WfbM), der bei der Kommunikation mit dem Betrieb bei psychisch bedingter eingeschränkter Leistungsfähigkeit unterstützen soll. Ein weiterer Budgetnehmer wünscht sich Unterstützung in Form einer betrieblichen Ansprechperson, die ihm bei Fragen helfen könne.
Im folgenden Kapitel soll es um die allgemeine Bewertung des BfAus durch die Interviewteilnehmenden gehen. Hinsichtlich der Ausgestaltung des BfAus wünschen sich manche Interviewteilnehmende Veränderungen bzw. Anpassungen.
Trotz geäußerter Kritik würden alle Interviewteilnehmenden das BfAus weiterempfehlen, was auf eine insgesamt positive Bewertung hinweist.
Budgetnehmende würden das BfAus weiterempfehlen, „weil man auch die Erfahrung machen kann, wie es ist, eine Ausbildung zu machen.“ Das BfAus sorge dank der Nachteilsausgleiche dafür, „dass [...] viele Sachen einfacher werden“. Eine andere Budgetnehmerin gibt zu bedenken, dass sie es Personen nahe legen würde, die wüssten, dass „man natürlich auch was dafür tun“ muss und empfiehlt, in der Berufsschule „Probleme“ (gemeint ist hier die Beeinträchtigung) nicht anzusprechen.
Die interviewte Mutter einer Budgetnehmerin sieht bei ihrer Tochter mit dem BfAus einhergehende positive Auswirkungen, da soziale Kontakte und eine andere „Dynamik“ in ihrem Leben entstanden sei, als wenn sie „irgendwo mit einem Fahrdienst irgendwo hingefahren wird und dort den Tag verbringt“. Die beiden Reha-Beraterenden beobachten bei den Budgetnehmenden eine Entwicklung zu mehr Selbständigkeit und sehen mit dem BfAus Chancen hin zu mehr Unabhängigkeit und selbstbestimmter Teilhabe sowie zur Förderung von Vielfalt/Diversität in der Gesellschaft.
Eine Jobcoachin (WfbM) erhalte seitens der Betriebe, die sie über das BfAus informiert, positive Rückmeldungen zu dieser Leistung und nehme Interesse wahr. Der Inhaber eines Ausbildungsbetriebes löst sich bei der Beantwortung der Frage nach der Weiterempfehlung vom BfAus und spricht mit Blick auf den Fachkräftemangel von der Relevanz von Ausbildungen allgemein, denn „die besten Leute sind die, die wir selber ausgebildet haben“.
Das BfAus stellt nach der Erfahrung eines Jobcoaches (WfbM) einen bedeutenden Vorteil im Vergleich zur Situation vor Einführung des BfAus dar, da zuvor bei Interesse von WfbM-Beschäftigten an einer Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zunächst ein Gutachten eingeholt werden musste, das bescheinigt, dass die Behinderung keine WfbM-Beschäftigung mehr rechtfertigt; im Anschluss daran musste eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) erfolgen, bei der festgestellt wurde, ob eine Ausbildungseignung vorliegt. Wäre diese nicht bescheinigt worden, wäre auch die Rückkehr in die WfbM schwierig gewesen.
Beide Fachkräfte der Agentur für Arbeit würden das BfAus grundsätzlich weiterempfehlen; die Reha-Teamleitung findet das BfAus wichtig, um Diversität auf dem Arbeitsmarkt zu fördern, Stigmatisierung zu reduzieren und sieht es als Chance, dass Menschen, die bisher „vom System einfach daran gehindert wurden, das machen können“. Des Weiteren bestehe die Möglichkeit, nach abgeschlossener Ausbildung nicht mehr bzw. weniger vom Staat abhängig zu sein. Dennoch müsse bei den wenigen Vorgaben und den gleichzeitig vielen Anspruchsmöglichkeiten der Leistungsberechtigten nochmal nachgesteuert werden. Der Reha-Berater bewertet das BfAus aus ökonomischer Perspektive und sieht es kritisch, wenn das BfAus kurz vor Ablauf des BBBs in Anspruch genommen wird. Das BfAus sei ja gerade eine Alternative zum EV und BBB; eine solch späte Inanspruchnahme ziehe erneut Kosten in ähnlicher Höhe nach sich, da Zeiten im BBB nicht auf Zeiten im BfAus angerechnet würden, umgekehrt jedoch schon, sodass „man […] die Agentur für Arbeit als Kostenträger Berufliche Reha erste Eingliederung da ganz ordentlich in die Pflicht“ nehme. Mit Blick auf die Dauer der Bewilligung (das BfAus soll so lange erbracht werden, „wie dies bis zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung notwendig ist“ ), stellt er einschränkend klar: „Wir haben ja die Möglichkeit der zwei Wiederholungsprüfungen. Das heißt also bis Sommer 2025 [die dreijährige Ausbildung begann 2021] können wir dann im Budget noch fördern maximal.“
Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse mit Blick auf die in der Einführung genannten Forschungsfragen zusammengefasst und diskutiert. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Aussagekraft und Reichweite aufgrund des qualitativen Zugangs und der kleinen Stichprobe eingeschränkt ist. Gleichwohl liefern die qualitativen Analysen wertvolle Hinweise auf relevante Aspekte, welche Einfluss auf die Umsetzung des BfAus nehmen und sich als förderlich oder hinderlich erweisen. Hieraus lassen sich Ansatzpunkte für das weitere Monitoring der Umsetzung sowie die Verbesserung der Inanspruchnahme und eine Weiterentwicklung des Instrumentes ableiten.
Bedarf an gezielter und unabhängiger Information und Beratung zum Budget für Ausbildung
Die Befragungen zeigen, dass verschiedene Quellen zur Information und Beratung zum BfAus genutzt werden: Leistungserbringer wie WfbM sowie andere Einrichtungen/Träger und Dienste, in denen Jobcoaches tätig sind, die Agentur für Arbeit sowie deren fachliche Weisungen und Kammern. Gleichwohl lassen die Ausführungen der Befragten erkennen, dass der Informationsstand bei allen am BfAus beteiligten Akteursgruppen verbesserungswürdig scheint. Die Erfahrungen der Interviewteilnehmenden weisen darauf hin, dass Information zum Teil eher zufällig stattfindet und zudem vom Engagement der jeweiligen Akteure und Akteurinnen abzuhängen scheint sowie von deren Einschätzung, wen sie als geeignete Budgetnehmende ansehen. Diesbezüglich zeigt sich in den Aussagen von Reha-Beratenden stellenweise ein direktives Verständnis von Beratung, insofern diese genutzt werden soll, um den Zugang in das BfAus zu steuern und Risiken angenommener Fehleinschätzungen von Menschen mit Beeinträchtigungen im Hinblick auf die Möglichkeit von Ausbildungsabschlüssen zu vermeiden. Dieses Steuerungsbedürfnis scheint damit zusammenzuhängen, dass § 61a SGB IX „wenig Vorgaben, aber viel Anspruchsmöglichkeiten“ enthalte (siehe Abschnitt IV.1.c). Es dokumentiert sich an verschiedenen Stellen seitens der Agentur für Arbeit ein Interesse, den Zugang zum BfAus über Information und Beratung zu steuern, „also wirklich das viel stärker zu streuen, […] für wen ist es wirklich was“. Offen bleibt jedoch, an welchen Kriterien sich die Einschätzung einer Passung des BfAus (über die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen hinaus) orientieren sollte. Vorbehalte gibt es offenbar von verschiedenen Seiten gegenüber Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Die Umsetzungspraxis zeigt jedoch, dass es Budgetnehmende mit unterschiedlichen, auch kognitiven Formen der Beeinträchtigung gibt, die sowohl Voll- als auch Fachpraktikerausbildungen nachgehen.
Im Sinne der Chancengleichheit, des Wunsch- und Wahlrechtes und der Selbstbestimmung beim Zugang zum BfAus sollten Informationen und Beratung über Alternativen zur WfbM nicht dem Zufall überlassen bleiben und Personen nicht von vornherein ausschließen. Sie sollten vielmehr niedrigschwellig und für alle Leistungsberechtigten gleichermaßen zur Verfügung stehen bzw. an die Leistungsberechtigten aktiv herangetragen werden. Dies erfordert eine systematische und unter den Beteiligten abgestimmte Vorgehensweise, z. B. im Rahmen der Berufsorientierung in den Schulen sowie im BBB der WfbM, denn der Ausbildungswunsch ist vor allem bei jungen Menschen im EV/BBB besonders ausgeprägt (46% im Vergleich zu 24% der im AB der WfbM tätigen Menschen[26]).
Der Bundesagentur für Arbeit kommt hierbei eine zentrale Rolle zu. Eine gezielte, aufsuchende Information und Beratung erscheint vor allem für Leistungsberechtigte wichtig, die keine Eigeninitiative ergreifen (können), die bereits in der WfbM sind sowie für solche, die nicht in Unterstützungsmechanismen wie WfbM, freie Träger oder ein engagiertes soziales Netz (insb. Angehörige) eingebunden sind. So sollte auch im Rahmen der Teilhabeplanung systematisch auf Alternativen zur WfbM hingewiesen werden. Um eine Unabhängigkeit von Leistungsträger- und -erbringerinteressen zu ermöglichen, sollten auch die Angebote der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) im Rahmen ihrer Beratungen zur Teilhabe am Arbeitsleben systematisch und gezielt auf die Möglichkeiten des BfAus hinweisen[27]. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie sowie einer (nicht repräsentativen) Umfrage im Rahmen des Projekts „Budgetkompetenz“, dass nicht nur Leistungsberechtigte und ihre Angehörigen der Information bedürfen, sondern auch weitere Akteure bzw. Akteurinnen wie Leistungsträger und Leistungserbringer. Dies betrifft etwa die Aufklärung zum berechtigten Personenkreis, zum Verfahrensablauf sowie zum Rückkehrrecht.[28] Hier zeigt sich ein Schulungsbedarf.
Zugang zum Budget für Ausbildung
Die interviewten Budgetnehmenden und jene aus Berichten wurden auf dem Weg zum BfAus durch Jobcoaches von WfbM, freie Träger und ein Unternehmensnetzwerk, durch Schulen und Ausbildungsbetriebe sowie durch Angehörige begleitet. Der Unterstützungsauftrag bei der Ausbildungsplatzsuche wird durch die Agentur für Arbeit unterschiedlich wahrgenommen. Es wird mit dem Arbeitgeber-Service zusammengearbeitet und vorhandene Kontakte werden genutzt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Ausbildungsbetriebe wie angesprochen und wie Netzwerke mit Betrieben aufgebaut werden können. Strukturen der WfbM können unterstützend beim Zugang ins BfAus wirken, etwa durch Unterstützung von Jobcoaches bei der Akquise von Betrieben und den Übergang in einen angeschlossenen (Inklusions-)Betrieb. Um jedoch einen Automatismus bei Übergängen von der WfbM in den eigenen Inklusionsbetrieb zu verhindern, sollten Vorkehrungen bspw. durch transparentes Aufzeigen von alternativen Betrieben getroffen werden, damit potenzielle Budgetnehmende eine echte Wahlfreiheit in Bezug auf ihre Ausbildungsbranche und damit ihren Ausbildungsplatz haben. Auf Seiten der potenziellen Budgetnehmenden wirken sich nach den Erfahrungen der Befragten das Vorliegen einer beruflichen Orientierung, eines (konkreten) Ausbildungswunsches sowie Ideen für mögliche Betriebe förderlich auf den Zugang zum BfAus aus. Praxisbeispiele innerhalb der Studie zeigen, dass eine Interessenreifung und -äußerung seitens der Menschen mit Behinderungen, die sich daran anschließende Betriebsakquise, die auf eine Ausbildung vorbereitende Begleitung und auch das Kennenlernen zwischen Ausbildungsbetrieben und potenziellen Budgetnehmenden Zeit benötigen. Insofern sollte eine Bewilligung auch noch kurz vor Abschluss des BBB unterstützt werden.
Deutlich wird in den Interviews auch die Bedeutung der Schule als ein Ort, an dem alle Leistungsberechtigten vor der beruflichen (Aus-)Bildung eingebunden sind. Im Rahmen der Berufsorientierung können hier (in Kooperation mit der Agentur für Arbeit) Informationen zum BfAus gegeben und Kontakte mit möglichen Ausbildungsbetrieben angebahnt und vermittelt werden, z. B. über Schulpraktika oder im Rahmen der Einstiegsqualifizierung. Auf diese Weise ließe sich auch der häufig automatische und nahtlose Übergang von der Förderschule in die WfbM vermeiden.
Unsicherheiten und Kritik bezüglich Anspruchsvoraussetzungen
Die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des BfAus sind in § 61a SGB IX klar geregelt (Anspruch auf Leistungen der WfbM und Vorliegen eines Ausbildungsangebotes). Dennoch dokumentieren sich in den Aussagen der in der Studie Befragten verschiedene Unsicherheiten und Irritationen bezüglich der Anspruchs- bzw. Leistungsvoraussetzungen. Seitens befragter Akteure der Agentur für Arbeit wird die Bewilligung eines BfAus als widersprüchlich empfunden, weil sie bei dem Personenkreis wegen Art oder Schwere der Behinderung von „aufgehobenem Leistungsvermögen“ bzw. Ausbildungsunfähigkeit (als Anspruchsvoraussetzung für die WfbM) ausgehen und vor diesem Hintergrund die Möglichkeit einer Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt für diesen Personenkreis grundsätzlich ausschließen. Hier stellt sich die Frage, inwiefern die sozialmedizinische Kategorie des „aufgehobenen Leistungsvermögens“ (aus dem Rentenversicherungsrecht) überhaupt relevant für den Leistungsbereich der WfbM ist. Zwar richten sich die Leistungen der WfbM an Personen, die für eine Ausbildung (oder die Aufnahme einer Arbeit) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommt. Insofern jedoch „die Art und Schwere der Behinderung“ nach einem relationalen und interaktiven Behinderungsverständnis (Art. 1 UN-BRK, § 2 SGB IX, ICF) im Zusammenspiel mit konkreten Bedingungen (Barrieren oder Förderfaktoren) des Arbeitsmarktes bzw. eines Arbeitsplatzes entsteht, ist diese veränderbar. So können die Erstattung der Ausbildungsvergütung und individuelle passende Anleitung und Begleitung durch das BfAus als Förderfaktoren verstanden werden, die Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen einer Ausbildung zu reduzieren vermag.
Aus Sicht von anderen befragten Akteurinnen und Akteuren erscheint der anspruchsberechtigte Personenkreis des BfAus eher zu spezifisch. So könne das BfAus bspw. auch für Personen interessant sein, für die eine Ausbildung im Berufsbildungswerk vorgesehen ist und dort einer Fachpraktikerausbildung häufig auch in Teilzeit nachgehen würden, die jedoch nicht immer die Voraussetzung der Werkstattberechtigung erfüllten. Hier stellt sich die Frage nach einer möglichen Erweiterung des Personenkreises.
Als weiterer potenzielle Budgetnehmende ausschließender Faktor erweist sich die in den Fachlichen Weisungen der Agentur für Arbeit zu § 61a SGB IX enthaltene Vorgabe zur ausschließlichen Förderung einer Erstausbildung.[29] Diese Vorgabe sieht mit § 57 Abs. 2 SGB III Ausnahmen vor, wenn eine dauerhafte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht anders möglich ist und durch eine zweite Ausbildung eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erreicht werden kann. Nach der Erfahrung von Interviewteilnehmenden zählen etwa eine abgebrochene Ausbildung ebenso wie ein abgeschlossenes Studium als Ausnahmen, wenn der damit verbundene Beruf beeinträchtigungsbedingt nicht mehr ausgeführt werden kann. Die Interviews weisen jedoch darauf hin, dass diese Ausnahmen nicht allen Akteuren bekannt sind. Zudem können die Renten- und die Unfallversicherung als weitere mögliche Träger des BfAus nach § 16 Satz 2 SGB VI bzw. § 35 Abs. 1 SGB VII anders als die Agentur für Arbeit keine weitere Ausbildung nach der Erstausbildung fördern. Diese prinzipielle Ausschließung kann als kritisch betrachtet werden im Hinblick auf Personen, die ihren ursprünglich erlernten Ausbildungsberuf behinderungsbedingt nicht mehr ausüben können.[30]
Hürden im Antragsverfahren
Als Hürde beim Zugang in das BfAus kann sich das Antragsverfahren erweisen, wenn ausführliche Gutachten, Dokumente, Befunde etc. eingereicht werden müssen. Dies macht zum einen für einen Menschen mit Behinderungen Unterstützung notwendig, über die jedoch nicht alle verfügen. Zum anderen kann sich die Gutachtenerstellung über mehrere Monate hinziehen, sodass der Beginn einer Ausbildung verzögert oder sogar verhindert werden kann, wenn ein Ausbildungsbetrieb das Ausbildungsplatzangebot zurückzieht. Fragwürdig erscheint die im Rahmen der Studie berichtete Praxis einer wiederholten Prüfung der Anspruchsberechtigung auf WfbM-Leistungen bei Personen, die bereits in einer WfbM beschäftigt sind.
Weitere Hürden und Verzögerungen beim Zugang in das BfAus können entstehen, wenn eine Person mit dem BfAus eine Fachpraktikerausbildung absolvieren will, für die in ihrem Bundesland noch keine Ausbildungsregelung vorliegt. In diesem Fall muss die Erlassung der Ausbildungsregelung bei der zuständigen Kammer gem. §§ 71 ff. BBiG beantragt werden. Diese muss unabhängig vom BfAus im konkreten (Bedarfs-)Fall tätig werden und eine Ausbildungsregelung erlassen, wenn der Antrag und der Nachweis einer konkreten Ausbildungsmöglichkeit vorliegen.[31] Um diese Hürde für die Umsetzung des BfAus (und die Fachpraktikerausbildung allgemein) abzubauen, sollte geprüft werden, inwieweit eine grundsätzliche Ausweitung des Angebots an Fachpraktikerausbildungen sinnvoll sein könnte. Dafür spricht nach Einschätzung von Interviewteilnehmenden auch der Fachkräftemangel. Zugleich gibt es Bedenken, dass diese Ausbildungsabschlüsse stigmatisierend wirken und außerdem zu geringer entlohnten Beschäftigungsverhältnissen führen. Es sollte deshalb untersucht werden, welche Beschäftigungssituationen sich im Anschluss an eine Fachpraktikerausbildung mit dem BfAus anschließen.
Flexible und individuelle Ausgestaltung des Budgets für Ausbildung
Als förderliche Bedingung für die Umsetzung des BfAus erweist sich nach den Erfahrungen der Interviewteilnehmenden dessen flexible Ausgestaltung. Dies gilt sowohl im Hinblick auf den Umfang der Beschäftigung (Teilzeit/Vollzeit) als auch das Qualifizierungsniveau der Beschäftigung (Fachpraktiker-/ Vollausbildung). Auch die Planung und Gestaltung der Anleitung und Begleitung wird von den Befragten als individuell und vielseitig beschrieben. Sie wird an verschiedenen Orten, durch unterschiedliche Akteure bzw. Akteurinnen in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlichen Inhalten geleistet. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Integrationsfachdienst im Zusammenhang mit der Anleitung und Begleitung im Rahmen des BfAus in keinem der Interviews benannt wird, obwohl diese Tätigkeit seinem Aufgabenprofil entspricht.[32] Dies könnte mehrere Gründe haben wie bspw. kaum bestehende Kooperationen zwischen WfbM und IFD oder auch zwischen Schulen und IFD, sodass zum Zeitpunkt der Erhebung möglicherweise nur wenige IFD Budgetnehmende im BfAus begleiteten.
Anders als die Erstattung der Ausbildungsvergütung, die direkt an den Arbeitgeber/ Ausbildungsbetrieb geleistet wird, soll das Budget für die Anleitung und Begleitung unmittelbar an die Budgetnehmenden ausgezahlt werden. In der beschriebenen Praxis wird jedoch auch mit Abtretungserklärungen gearbeitet, um den administrativen Aufwand für die Budgetnehmenden zu reduzieren. Hier stellt sich wie bei der Umsetzung des Persönlichen Budgets nach §29 SGB IX die Frage, inwiefern eine solche Praxis die Kundenposition bzw. das Selbstbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Leistung schwächt. Als Alternative zu Abtretungserklärungen wäre daher die Verantwortung und Steuerung dieser Leistung durch die Budgetnehmenden zu stärken, im Bedarfsfall auch durch Unterstützung bei der Ausführung dieser Aufgabe.
Gemäß den gesetzlichen Vorgaben folgt auch die Dauer der Gewährung des BfAus den Voraussetzungen des Einzelfalls. „Das Budget für Ausbildung wird erbracht, solange es erforderlich ist, längstens bis zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung.“ (§ 61a Abs. 1 SGB IX). Allerdings stellte ein Reha-Berater im Interview einschränkend dar, dass maximal bis nach der zweiten Wiederholung der Abschlussprüfung gefördert werden dürfe für den Fall, dass die Abschlussprüfung nicht bestanden wurde.[33]
Nicht angesprochene Themen
Entgegen den Erwartungen der Autorinnen wurden einige Themen, die bei einer vergleichbaren Studie zur Umsetzung des BfA in Berlin eine Rolle spielten,[34] von den Interviewteilnehmenden zum BfAus nicht angesprochen. Dazu gehört das Rückkehrrecht gem. § 220 Abs. 3 SGB IX, wonach Menschen im BfA und BfAus jederzeit in die WfbM zurückkehren können. Dies könnte damit zusammenhängen, dass unter den Interviewteilnehmenden keine Erfahrungen mit einem Abbruch eines BfAus vorliegen. In den Interviews führte auch die Ausführung in den Fachlichen Weisungen zum Ausschluss von Leistungsberechtigten für den AB aus der Arbeitslosenversicherung[35] nicht zu Diskussionen, der in der Praxis zu dem Umstand führen könnte, dass Menschen mit Behinderungen, die aus dem EV oder dem BBB in das BfAus wechseln, arbeitslosenversichert sind, diejenigen aus dem AB jedoch nicht. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass in den Interviews meist Budgetnehmende aus dem BBB interviewt wurden bzw. von ihnen berichtet wurde.
Das BfAus wird von allen an der Studie beteiligten Akteuren und Akteurinnen grundsätzlich positiv bewertet, da es werkstattberechtigten Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit bietet, eine Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu absolvieren. Die qualitative Studie konnte wichtige Gestaltungsbedingungen aus der Sicht der verschiedenen Akteurinnen und Akteure identifizieren, die sich als förderlich oder hinderlich bei seiner Umsetzung erweisen können. Um das BfAus in Anspruch nehmen zu können, müssen Leistungsberechtigte vom BfAus erfahren. Information und Beratung sollten niedrigschwellig, systematisch und zugehend erfolgen und nicht vom Zufall oder dem Engagement und Zutrauen einzelner Akteure abhängen.[36] Zentral ist hier die Rolle der Agentur für Arbeit bzw. der Reha-Beratenden. Pauschale, z. B. mit bestimmten Beeinträchtigungsformen verbundene Annahmen und Zuschreibungen von Leistungs- bzw. Ausbildungs(un)fähigkeit und eine daran geknüpfte direktive Beratung in Richtung eines Abratens vom BfAus können interessierte Personen von vornherein vom Zugang in das BfAus ausschließen. Hier bedarf es einer Offenheit in der Bewilligungspraxis und ggf. auch einer Diskussion und Klärung von als zum BfAus widersprüchlich empfundenen Annahmen und Begrifflichkeiten wie „Leistungsvermögen“ und „Ausbildungsfähigkeit“. Diese sollten entsprechend eines rechtlich und rehabilitationswissenschaftlich geltenden relationalen und interaktiven Behinderungsverständnisses in Bezug zu konkreten, durch das BfAus veränderbaren Bedingungen am Arbeitsmarkt bzw. Arbeitsplatz gesetzt werden. Wesentlich für das Gelingen des BfAus ist zudem die Unterstützung beim Finden eines passenden Ausbildungsbetriebs. Neben der Agentur für Arbeit können hier Jobcoaches (von WfbM, freien Trägern oder Unternehmensnetzwerken) und Schulen unterstützen. Im Hinblick auf die teils umfänglich eingeforderten Dokumente bzw. beauftragten Gutachten sollte im Einzelfall (bei Werkstattbeschäftigten) die Notwendigkeit von Mehrfachbegutachtungen überdacht werden. Es war eine Zielrichtung der Reformen des BTHG zur Bedarfsermittlung, diese zu verhindern.[37] Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass in vielen Fällen eine Unterstützung bei der Zusammenstellung von Dokumenten notwendig wird, die nicht allen Leistungsberechtigten zur Verfügung stehen wird.
Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass Budgetnehmende Menschen mit unterschiedlichen Formen der Beeinträchtigung mit entsprechend unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen bei der Ausbildung sind. Die Flexibilität der Anleitung und Begleitung mit dem BfAus erweist sich als förderlich, um individuell passende Unterstützungsformen zu entwickeln und umzusetzen, um die Ausbildung absolvieren zu können. Bei der Konzeption dieser Unterstützungsmechanismen/der Anleitung und Begleitung gilt grundsätzlich: Zur Umsetzung des BfAus ist von Beginn an eine koordinierte partizipative Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung unerlässlich, gerade wenn weitere Teilhabeleistungen notwendig werden, um einen barrierearmen Ausbildungsplatz zu gewährleisten.[38] Eine solche Teilhabeplanung ist auch in den fachlichen Weisungen der Agentur für Arbeit vorgesehen,[39] an der auch die Eingliederungshilfe von Anfang an zu beteiligen ist, um bspw. auszuloten, inwiefern ein BfA im Anschluss an eine absolvierte Ausbildung im BfAus in Frage kommt. Eine solche Anschlussperspektive besteht bereits bei einigen interviewten Budgetnehmenden bzw. jenen aus Berichten; andere wünschen sich eine weitere Begleitung durch ihren Jobcoach (WfbM), die ebenfalls vom BfA abgedeckt wäre. Nebe/Gast-Schimank (2020) sehen das BfA nach der Ausbildung ebenfalls als denkbar an, wobei zunächst zu prüfen sei, „ob ein reguläres Beschäftigungsverhältnis mit vorrangigen Hilfen unterstützt“[40] werden könne.
Da potenzielle Budgetnehmende und ihre Unterstützenden mit Blick auf das BfAus bei der Entscheidungsfindung ihrerseits auch mit Unsicherheiten konfrontiert sind, kann ein vorgeschaltetes Praktikum (im Betrieb, in der Berufsschule) Orientierung ermöglichen, welche Art und welcher Umfang der Ausbildung passen könnte.
Insgesamt erweist es sich für die Sicherstellung einer nachhaltigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als förderlich, wenn es eine Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten (Leistungsträgern, Budgetnehmenden, Ausbildungsbetrieben, Schulen, Berufsschulen, Leistungserbringern) gibt, und zwar vor, während und nach der Ausbildung im BfAus.
Das BfAus ist eine noch junge Teilhabeleistung im Arbeitsleben. Die quantitative wie qualitative Entwicklung seiner Umsetzung sollte weiter untersucht werden. Über die in dieser Studie als relevant identifizierten Aspekte hinaus wären Studien zu den Berufs- und Beschäftigungswegen der Menschen mit Behinderungen im Anschluss an das Budget für Ausbildung wichtig, um seine Nachhaltigkeit und seine Wirkungen auf die Gestaltung eines inklusiven Arbeitsmarktes zu untersuchen.
An dieser Stelle soll im Sinne der Transparenz und Nachvollziehbarkeit kurz auf ungeplante Umstände von drei Interviews eingegangen werden. 1. Bei der Unterstützung der Akquise von Interviewteilnehmenden durch Dritte (hier: Leistungserbringer) kam es offenbar zu einem Missverständnis hinsichtlich des adressierten Personenkreises, sodass zur Fokusgruppe eine Person erschien, die das Budget für Arbeit (BfA) und nicht das BfAus in Anspruch nahm. 2. Da die Einzelinterviews teilweise auch am Ausbildungsplatz bzw. Arbeitsplatz der Interviewteilnehmenden durchgeführt wurden, konnte nicht immer das ursprünglich geplante Interviewsetting verfolgt werden. So fand ein Interview bei einem Leistungserbringer statt, bei dem zunächst zwei Jobcoaches (WfbM) interviewt und im Anschluss ein von diesen begleiteter Budgetnehmer interviewt werden sollten. Aufgrund arbeitsorganisatorischer Umstände stieß der Budgetnehmer plötzlich während des Interviews mit den beiden Fachkräften, von denen eine ihn im Rahmen des BfAus begleitet, dazu und blieb. Dies führte dazu, dass die Interviewerinnen während des Interviews beide Leitfäden kombinieren mussten und es zu Wiederholungen kam. Stellenweise wirkte es so, als könne der Budgetnehmer in Anwesenheit der Begleitung weniger offen sprechen und als würde er sich bei Unsicherheiten an jene wenden. 3. Im dritten zu berichtenden Fall sollte ursprünglich nur ein (digitales) Interview mit einem Budgetnehmer stattfinden, der über dessen Begleitung für das Interview gewonnen werden konnte. Da der Budgetnehmer aufgrund technisch bedingt schlechter Audioqualität schwer zu verstehen war und um damit verbundenen Missverständnissen vorzubeugen, wurde im Anschluss an das Interview spontan entschieden, dessen Begleitung im Nachgang zu interviewen, die einwilligte.
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Beitrag von Lea Mattern, Dr. Tonia Rambausek-Haß, Prof. Dr. Gudrun Wansing, Lena Henkel
[1] Zur Situation von Menschen mit Behinderungen auf dem Ausbildungsmarkt und dem Diskussionsstand zum BfAus vgl. Mattern, Rambausek-Haß, 2022.
[2] Vgl. Bundestags-Drucksache 19/13399, S. 23.
[3] Mehr dazu: Mattern, Rambausek-Haß, 2022, S. 8.
[4] Vgl. Nebe/Schimank, 2020, Rn. 24 ff.
[5] Vgl. Tabbara, 2021, 672.
[6] Vgl. Bundesagentur für Arbeit Statistik, 2024, Tabellenblatt 7.
[7] Vgl. BAGüS, 2024, S. 57.
[8] Da mit dem Kennzahlenvergleich der BAGüS die Anzahl der über die Eingliederungshilfe geförderten BfAus erstmalig 2024 veröffentlich wurde, kann eine Entwicklung der Inanspruchnahme nicht dargestellt werden.
[9] Vgl. Budgetkompetenz, 2024, S. 1
[10] Vgl. Budgetkompetenz, 2024, S. 4.
[11] Vgl. Budgetkompetenz, 2024, S. 2.
[12] https://www.reha.hu-berlin.de/de/lehrgebiete/rhs/forschung, zuletzt abgerufen am 07.01.2025.
[13] Vgl. Mattern, Rambausek-Haß, 2022.
[14] U.a. LAG und BAG WfbM, Integrationsfachdienste (IFD), Agenturen für Arbeit, Ausbildungsbetriebe, Inklusionsbetriebe, Bundesverbände wie der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm), Berufsbildungswerke (BBW), Industrie- und Handelskammern (IHK) und Handwerkskammern (HWK), Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatungsstellen (EUTB).
[15] Kuckartz, Rädiker, 2022, S. 129 ff.
[16] Aufgrund der zum Zeitpunkt der Erhebung bundesweit geringen Anzahl an Budgetnehmenden (vgl. Abbildung 1) muss bei der Stichprobenbeschreibung und der Darstellung der Ergebnisse in besonderer Weise auf die Anonymisierung der Interviewpartner und -partnerinnen geachtet werden. Zu diesem Zweck erfolgt die Zuweisung des Geschlechts sowohl im Text als auch bei den Zitaten zufällig.
[17] An der Fokusgruppe nahm auch eine Person im Budget für Arbeit (BfA) teil. Hierbei handelte es sich möglicherweise um ein Missverständnis, da in dieser Fokusgruppe ausschließlich das Thema BfAus Forschungsgegenstand war (s. Kapitel VII).
[18] I. S. v. nicht theoriereduziert, keine Fachpraktikerausbildung.
[19] Gem. § 66 BBiG bzw. § 42r Hw.O
[20] Es besteht gem. § 7a BBiG die Möglichkeit, eine Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren. Dies gilt in der Regel nicht für den schulischen Teil der Ausbildung.
[21] Vgl. BA, 2021, S. 6.
[22] In den Interviews wurden Fremdbezeichnungen wie „lernbehindert“, „geistig behindert“, Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ verwendet.
[23] Eine EQ ist ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum, bei dem die Agentur für Arbeit/das Jobcenter die Praktikumsvergütung bezuschussen und eine Pauschale für die Beiträge zur Sozialversicherung leisten. Je nach Ausgestaltung der EQ besuchen die Teilnehmenden die Berufsschule, damit bspw. eine direkte Übernahme in das zweite Ausbildungsjahr erfolgen kann (vgl. BA, 2024, S. 4).
[24] Betriebe, die Fachpraktikerausbildungen anbieten wollen, müssen eine ReZA-Qualifikation vorhalten. Alternativ müsste eine behinderungsspezifische Expertise der Ausbildenden durch die jeweils zuständige Kammer anerkannt werden. Des Weiteren können auch externe ReZA-Fachkräfte genutzt werden, deren Anerkennungspraxis und Finanzierung in Abhängigkeit von Kammer und Kostenträger unterschiedlich gehandhabt wird (vgl. Gall, 2024, S. 126).
[25] Vgl. Herder, 2020, S. 39.
[26] Vgl. Engels et al., 2023, S. 129f.
[27] Vgl. Schütz, 2024, S. 13.
[28] Budgetkompetenz, 2024, S. 3.
[29] Vgl. BA, 2021, S. 6.
[30] Vgl. Nebe/Gast-Schimank 2020, Rn. 12; vgl. Mattern, L.; Rambausek-Haß, T., 2022, S. 13.
[31] Vgl. Kalina, 2020, S. 3.
[32] Dies kann auch damit zusammenhängen, dass die IFD selbst nicht an den Interviews teilnahmen, obwohl sie zu den Interviews eingeladen wurden.
[33] In § 37 Abs. 1 S. 2 BBiG heißt es: „Die Abschlussprüfung kann im Falle des Nichtbestehens zweimal wiederholt werden.“
[34] Vgl. Mattern, Rambausek-Haß, Wansing, Peters, 2022.
[35] Vgl. BA, 2021, S. 9.
[36] Im Rahmen des Projekts ist ein Erklärvideo zum BfAus in einfacher Sprache entstanden, das sich an Leistungsberechtigte richtet. Dieses kann hier abgerufen werden: https://www.yout-ube.com/watch?v=KGYfO3FjQ_A.
[37] Vgl. Rambausek-Haß, Mattern, Peters, 2023, S. 1 f.
[38] Vgl. Nebe/Gast-Schimank 2020, Rn. 19, 31.
[39] Vgl. BA, 2021, S. 15.
[40] Nebe/Gast-Schimank 2020, Rn. 32.
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