13.12.2024 D: Konzepte und Politik Lamb et al.: Beitrag D15-2024
Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (§ 185a SGB IX) im Rheinland – Netzwerkkarten – Teil III: Ergänzende Ergebnisse einer Fragebogenerhebung
Die vorliegenden Beitragsteile stellen erste explorative Ergebnisse des vom Inklusionsamt des Landschaftsverbands Rheinland (LVR-Inklusionsamt, kurz: LVR-InA) geförderten Projektes „Evaluation der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber*innen, betrachtet als Soziale Innovation im Eco-System von Rehabilitationssystem und Arbeitsmarkt (EvaEfA)“ vor. Der Fokus dieses Beitrags in drei Teilen liegt auf der Beschreibung des Netzwerks der „Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber“ (EAA; § 185a SGB IX) im Rheinland. Der Beitrag dient dazu, dieses neue arbeitsmarktpolitische Instrument besser zu verstehen und die Vernetzung der EAA im Rheinland zu beschreiben, um Möglichkeiten für deren weitere Ausgestaltung aufzuzeigen. Die 2022 bundesweit flächendeckend implementierten EAA unterstützen und beraten Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Um die Netzwerkpartnerinnen und -partner (NWP) der EAA im Ökosystem der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe zu explorieren, wurden die Netzwerke der EAA-Fachberaterinnen und -berater (N = 20), die für das operative Geschäft der EAA zuständig sind, im Rahmen eines Expertenworkshops mittels egozentrierter Netzwerkkarten (NWK) erhoben.
Beitragsteil III (Ergänzende Ergebnisse einer Fragebogenerhebung) vertieft und erweitert die in den Beitragsteilen I und II gewonnenen Befunde zu den Unterschieden zwischen den Netzwerken. Basierend auf den Ergebnissen der Online-Befragung, an der N = 18 EAA-Fachberaterinnen und -berater teilnahmen, werden die in Beitragsteil II postulierten Gründe für die Verschiedenheit der Netzwerkstrukturen durch ergänzende Informationen über die berufliche (Vor-)Erfahrung der EAA-Fachberaterinnen und -berater überprüft. Der Beitragsteil schließt mit einem übergreifenden Fazit und formuliert erste praktische Implikationen.
(Zitiervorschlag: Lamb et al.: Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (§ 185a SGB IX) im Rheinland – Netzwerkkarten – Teil III: Ergänzende Ergebnisse einer Fragebogenerhebung; Beitrag D15-2024 unter www.reha-recht.de; 13.12.2024)
I. Einleitung
Die vorliegenden Beitragsteile stellen Ergebnisse des vom Inklusionsamt des Landschaftsverbands Rheinland (LVR-Inklusionsamt, kurz: LVR-InA) geförderten Projektes „Evaluation der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber*innen, betrachtet als Soziale Innovation im Eco-System von Rehabilitationssystem und Arbeitsmarkt (EvaEfA)“ vor. Der Fokus dieses Beitrags in drei Teilen liegt auf der Beschreibung des Netzwerks der „Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber“ (EAA; § 185a SGB IX)[1] im Rheinland. Er dient dazu, dieses neue arbeitsmarktpolitische Instrument besser zu verstehen und die Vernetzung der EAA im Rheinland zu beschreiben, um Möglichkeiten für deren weitere Ausgestaltung zu identifizieren. Die 2022 bundesweit flächendeckend implementierten EAA unterstützen und beraten Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Dazu bauen sie ein Netzwerk mit Akteurinnen und Akteuren auf, die die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen fördern können. Diese Netzwerkpartnerinnen und -partner (NWP) sind bspw. der Inklusionsfachdienst (IFD) oder die Agentur für Arbeit (AA). Um die NWP der EAA im Ökosystem der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe zu ermitteln, wurden die Netzwerke der EAA-Fachberaterinnen und -berater (N = 20), die für das operative Geschäft der EAA zuständig sind, im Rahmen eines Expertenworkshops mittels egozentrierter Netzwerkkarten (NWK) erhoben.
Beitragsteil I (Einführung und Forschungsgerüst) der Reihe führt in die Arbeitsweise der EAA ein und beschreibt das Erhebungsdesign. Dabei wurden die Erhebungsmaterialien und die Datenerhebung diskutiert. In Beitragsteil II (Ergebnisse der Netzwerkanalyse) wurden Befunde aus der Auswertung der NWK vorgestellt und die daraus gewonnenen Erkenntnisse aus innovationstheoretischer Perspektive entlang des Quadruple-Helix-Modells[2] diskutiert. Die zentralen Ergebnisse ergaben, dass das Netzwerk der EAA von politischen Akteurinnen und Akteuren dominiert wird. Zu den übrigen drei Bereichen der Quadruple-Helix, „Wirtschaft“, „Bildung/Wissenschaft“ und „Zivilgesellschaft“[3], wurden bisher weniger Netzwerkpartnerschaften aufgebaut. Eine Quantifizierung der NWP zeigte, dass der IFD, die EAA selbst (die EAA-Fachberaterinnen und -berater inkl. der EAA-Koordination), das LVR-Inklusionsamt, die Fachstelle für Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben (Fachstellen) und die AA zu den fünf wichtigsten NWP („Big Five der EAA“) der EAA zählen. Zudem stellte sich heraus, dass es Unterschiede zwischen den NWK der EAA-Fachberaterinnen und -berater gibt. Im Rahmen einer kommunikativen Validierung[4] – also der Diskussion wissenschaftlicher Befunde mit Expertinnen und Experten aus der EAA-Praxis (hier: EAA-Steuerungsgruppe des LVR-Inklusionsamtes) – wurde herausgearbeitet, dass diese Unterschiede möglicherweise durch internale (z. B. Berufserfahrung) sowie durch externale Faktoren (z. B. branchenspezifische oder regionale Unterschiede) begründet sind. Die Vermutungen im Hinblick auf die Berufserfahrung der EAA-Fachberaterinnen und -berater überprüft der vorliegende Beitragsteil III über Befunde einer quantitativen Fragebogenerhebung. Die Ergebnisse aus der Online-Befragung, an der N = 18 EAA-Fachberaterinnen und -berater teilnahmen, unterstützen und ergänzen die Annahmen und erweitern die Befunde durch eine Charakterisierung der EAA. Abschließend wird ein Fazit gezogen und es werden erste Impulse für praktische Implikationen formuliert.
II. Befragung der EAA im Rheinland
In einer ergänzenden Online-Befragung wurden Informationen über die beruflichen Erfahrungen der EAA-Fachberaterinnen erhoben. Die Umfrageergebnisse dienen dazu, (1) die heterogene Gruppe der EAA-Fachberaterinnen und -berater hinsichtlich ihrer beruflichen (Vor-)Erfahrungen zu beschreiben. Zudem lassen sich die Fragebogendaten nutzen, um (2) die im Rahmen der kommunikativen Validierung generierten Überlegungen zu den Unterschieden in den NWK (s. Beitragsteil II – Ergebnisse der Netzwerkkarten) zu untersuchen. Dazu werden einerseits erneut die in Beitragsteil II vorgestellten Beispielkarten in den Blick genommen, andererseits werden explorativ Unterschiede in den Netzwerken der EAA-Fachberaterinnen und -berater im Kontext ihrer beruflichen (Vor-)Erfahrung erforscht. Konkretisiert in Forschungsfragen (FF) untersucht dieser Beitrag:
FF1 – Charakterisierung: Wie berufserfahren sind die EAA-Fachberaterinnen und -berater im Ökosystem der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe?
FF2 – Gründe für die Diversität der Netzwerke: Variieren die Netzwerke der EAA-Fachberaterinnen und -berater je nach beruflicher (Vor-)Erfahrung?
III. Attributionale Daten in der Netzwerkforschung
Um die Akteurinnen und Akteure bzw. Knoten (hier: EAA-Fachberaterinnen und -berater) eines Netzwerks zu charakterisieren (hier: Berufserfahrung) werden sog. attributionale Daten benötigt.[5] Dazu wurde ein Fragebogen konzipiert. Die Inhalte des Fragebogens wurden im Rahmen des dialogisch-partizipativen Verfahrens[6] mit der EAA-Steuerungsgruppe des LVR-Inklusionsamtes ausgelotet und speziell auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand (EAA im Rheinland) ausgerichtet. Der Fragebogen beinhaltet vier Fragen, die die berufliche (Vor-)Erfahrung der EAA-Fachberaterinnen und -berater charakterisieren. Diese werden im Ergebnisteil näher beschrieben.
IV. Methodik
Von November 2023 bis Januar 2024 wurden die oben beschriebenen Daten im Rahmen einer Online-Befragung erhoben. Daran nahmen N = 18 von insgesamt 20 EAA-Fachberaterinnen und -berater teil. Die Erhebung, Aufbereitung und Weiterverarbeitung der Daten einschließlich der Interpretation der Ergebnisse erfolgte unter Wahrung der Pseudonymität. Die Ergebnisse wurden im Rahmen einer kommunikativen Validierung[7] durch die EAA-Steuerungsgruppe des LVR-Inklusionsamtes abgesichert (praktisches Korrektiv).
V. Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse entlang der beiden Forschungsfragen dargestellt und abschließend unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der kommunikativen Validierung diskutiert.
1. Ergebnisse zu FF1 – Charakterisierung
Mit der Implementation der EAA wurden im Rheinland 22 vollzeitäquivalente Stellen geschaffen (Stand August 2024, zum Erhebungszeitpunkt im November 2023 waren N = 20 EAA-Fachberaterinnen und -berater für die EAA im Rheinland tätig). Im Rheinland gab es bereits vor den EAA eine auf die Arbeitgeberberatung ausgerichtete Vorgängerstruktur in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Kammern aus der Region.[8] Vier Personen, die zuvor in dieser Vorgängerstruktur als sog. Inklusionsberaterinnen und -berater beschäftigt waren, arbeiteten zum Zeitpunkt der Datenerhebung (einschließlich November 2023) als Fachberaterinnen und -berater für die EAA. Andere Fachberaterinnen und -berater wiederum hatten wenig Vorerfahrung im Bereich der beruflichen Rehabilitation und waren zum Erhebungszeitpunkt erst seit kurzer Zeit für die EAA tätig. Zum Zeitpunkt der Befragung wiesen die 18 befragten Fachberaterinnen und -berater durchschnittlich etwa eine 12-monatige Beschäftigungsdauer bei den EAA auf (M = 12, SD = 4, Min = 3, Max = 17), davon jeweils die Hälfte (n = 9) 12 Monate oder kürzer bzw. länger als 12 Monate.
Auf einer vierstufigen Likert-Skala (von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme voll und ganz zu“) bewerteten die EAA-Fachberaterinnen und -berater ihre beruflichen Vorerfahrungen („Ich habe mich bereits in meiner früheren beruflichen Tätigkeit mit dem Thema berufliche Rehabilitation beschäftigt.“). Dabei gaben etwa 60 % der Befragten an, sich bereits in ihrer früheren beruflichen Tätigkeit mit dem Thema berufliche Rehabilitation beschäftigt zu haben, während ca. 40 % dies eher verneinten. Über eine vierstufige Likert-Skala mit den semantischen Ankern („Berufseinsteiger*in“ und „Expert*in“) schätzten die Befragten ihre Arbeitserfahrung in der neuen beruflichen Tätigkeit als EAA-Fachberaterin oder -berater ein („Wie bewerten Sie Ihre Arbeitserfahrung als Fachberater*in im Kontext der beruflichen Inklusion?“). Etwa 40 % der Befragten schätzen die eigene Berufserfahrung als EAA-Fachberaterin oder -berater tendenziell eher niedrig ein und ordneten sich als Berufseinsteigerin oder -einsteiger ein, wohingegen sich die übrigen 60 % eher als erfahren einschätzten und der Expertengruppe zuordneten. Basierend auf diesen Angaben wurden die EAA-Fachberaterinnen und -berater in Gruppen eingeteilt:
- keine Vorerfahrung (n = 7) versus Vorerfahrung im Feld der beruflichen Rehabilitation (n = 11)
- Berufseinsteigerinnen und -einsteiger (n = 7) versus Expertinnen und Experten als EAA-Fachberaterinnen und -berater (n = 11)
- Beschäftigungszeitraum EAA ≤ 12 Monate (n = 9) versus > 12 Monate (n = 9)
Die Kombination der drei berufsbezogenen Merkmale zeigt, dass die Gruppe der EAA-Fachberaterinnen und -berater heterogen ist (s. Abbildung 1). Zwei EAA-Fachberaterinnen und -berater, die nach eigenen Angaben keine Vorerfahrung haben und sich als Berufseinsteigerinnen bzw. -einsteiger einschätzten, waren zum Zeitpunkt der Erhebung bereits länger als 12 Monate bei den EAA beschäftigt. Auf der anderen Seite gibt es eine Person, die ein Jahr oder kürzer als EAA-Fachberaterin bzw. -berater arbeitete, sich als Expertin bzw. Experte einschätzte, aber nach eigenen Angaben zuvor keine Vorerfahrung im Feld der beruflichen Rehabilitation hatte. Ob diese berufsbezogenen Merkmale der Fachberaterinnen und -berater in Zusammenhang mit den Netzwerkstrukturen stehen, wird nachfolgend eruiert.
Abbildung 1: EAA-Fachberaterinnen und -berater gruppiert nach der selbsteingeschätzten beruflichen Vorerfahrung, der Arbeitserfahrung als EAA-Fachberater*in sowie der Beschäftigungsdauer bei den EAA
2. Ergebnisse zu FF2 – Gründe für die Diversität der Netzwerke
Beitragsteil II (Ergebnisse der Netzwerkanalyse) stellte heraus, dass sich die Netzwerke der EAA-Fachberaterinnen und -berater unterscheiden. Im Rahmen einer kommunikativen Validierung wurden Gründe für die Homogenität bzw. Heterogenität der Netzwerke mit der EAA-Steuerungsgruppe diskutiert. Nach Einschätzung der EAA-Steuerungsgruppe könnte ein wesentlicher Grund die berufliche (Vor-)Erfahrung der EAA-Fachberaterinnen und -berater sein. Bezogen auf die in Beitragsteil II vorgestellten Beispielnetzwerke wurde die Hypothese aufgestellt, dass drei der vier gezeichneten NWK (A, B und C) von Berufseinsteigerinnen und -einsteigern stammen, wohingegen NWK D (s. Beitragsteil II) möglicherweise einer berufserfahrenen Person zuzuordnen ist. Eine nähere Beschreibung ist in Beitragsteil II nachzulesen.
Abbildung 2: Egozentrierte Netzwerkkarten
Anmerkungen: Eine Farblegende ist Tabelle 3 in Beitragsteil II zu entnehmen ebenso wie weiterführende Informationen zur Erstellung der Netzwerkkarten.
Durch die fragebogengestützte Online-Erhebung konnten die seitens der EAA-Steuerungsgruppe geäußerten Vermutungen größtenteils bestätigt werden. Wie vermutet, (s. Beitragsteil II) stammt NWK D von einer berufserfahrenen Person, während die NWK B und C von Berufseinsteigerinnen und -einsteigern gezeichneten wurden. NWK A hingegen ließ sich entgegen der Hypothese einer berufserfahrenen Person zuordnen. Das größere und heterogene Netzwerk der NWK D könnte auf externale regionsbezogene Gründe zurückzuführen sein. Karte A wurde von einer Person erarbeitet, die multizentrisch arbeitet. EAA-Fachberaterinnen und -berater, die für mehrere Regionen zuständig sind, könnten also über ein größeres und heterogeneres Netzwerk verfügen, da die Ansprechpersonen der vernetzungsrelevanten Institutionen (z. B. Fachstelle, IFD) je nach Region variieren.
Zusätzlich wurde basierend auf den Daten der 18 befragten EAA-Fachberaterinnen und -berater untersucht, ob es Unterschiede zwischen der beruflichen (Vor-)Erfahrung oder der Beschäftigungsdauer als EAA-Fachberaterin bzw. -berater sowie der durchschnittlichen Größe des Netzwerks bzw. der Netzwerkstruktur gibt. Zu diesem Zweck wurden die Fragebogen- und Netzwerkkartendaten kombiniert. Tabelle 1 zeigt, dass die EAA-Fachberaterinnen und -berater durchschnittlich ca. 34 NWP für die eigene Arbeit als wichtig erachteten. Aus den EAA selbst und dem IFD wurden im Mittel jeweils etwa sechs Kontakte angegeben. Aus dem LVR-Inklusionsamt durchschnittlich 4.56 Kontakte, aus der Fachstelle 4.44 und aus der Bundesagentur für Arbeit wiederum 3.44 Kontakte. Bezogen auf die „Big Five der EAA“ haben die EAA-Fachberaterinnen und -berater damit durchschnittlich die meisten Kontakte innerhalb der EAA (s. Tabelle 1).
Tabelle 1: Fragebogen- und Netzwerkkartendaten
|
IFD |
EAA |
LVR-Inklusionsamt |
Fachstelle |
AA |
gesamt |
|||||||
N |
18 |
|
18 |
|
18 |
|
18 |
|
18 |
|
18 |
||
Mittelwert |
6.17 |
|
6.22 |
|
4.56 |
|
4.44 |
|
3.44 |
|
33.83 |
||
Summe |
111 |
|
112 |
|
82 |
|
80 |
|
62 |
|
609 |
||
SD |
3.63 |
|
6.90 |
|
2.55 |
|
3.68 |
|
2.91 |
|
18.48 |
||
Minimum |
1 |
|
1 |
|
1 |
|
0 |
|
1 |
|
16 |
||
Maximum |
13 |
|
23 |
|
9 |
|
14 |
|
13 |
|
78 |
Anmerkungen: N = Anzahl der EAA-Fachberaterinnen und -berater, die an der Online-Befragung teilnahmen. Summe = Anzahl der in den Netzwerkkarten genannten Akteurinnen und Akteure/Netzwerkkontakte aufgeschlüsselt für die „Big Five der EAA“ sowie das Gesamtnetzwerk, welches alle Akteurinnen und Akteure beinhaltet. Die Gesamtsumme (N = 609) der in den Netzwerkkarten gezählten Akteurinnen und Akteure weicht von Beitragsteil II ab, da in die vorliegende Analyse nur die Daten der 18 Personen einflossen, die auch an der Online-Befragung teilnahmen. Mittelwert = Summe / N. SD = Standardabweichung, Streuung der Daten um den Mittelwert. Minimum = Mindestanzahl der genannten Akteurinnen und Akteure in den Netzwerkkarten. Maximum = maximale Anzahl der genannten Akteurinnen und Akteure in den Netzwerkkarten.
Im Nachfolgenden wird die durchschnittliche Netzwerkgröße gruppiert nach den drei berufsbezogenen Merkmalen dargestellt. Die Darstellung beschränkt sich auf die fünf wichtigsten NWP der EAA (die „Big Five der EAA“, s. Beitrag II) sowie die Gesamtnetzwerkgröße, die alle NWP, die in den NWK eingezeichnet wurden, beinhaltet. Dabei werden der IFD, das LVR-Inklusionsamt, die Fachstellen sowie die AA als externe und die EAA als interne NWP betrachtet.
Tabelle 2 vergleicht die durchschnittliche Netzwerkgröße der EAA-Fachberaterinnen und -berater in Abhängigkeit ihrer selbsteingeschätzten beruflichen Vorerfahrung im Bereich der beruflichen Rehabilitation. Sie zeigt, dass Personen ohne berufliche Vorerfahrung im Mittel mehr Kontakte zum IFD, den Fachstellen und der AA angaben, wobei diese Unterschiede teils gering sind (s. Tabelle 2, Mittelwertdifferenz). Personen mit Vorerfahrung gaben in den NWK wiederum insgesamt mehr Kontakte an, bezogen auf das Gesamtnetzwerk sowie zu den EAA und dem LVR-Inklusionsamt.
Tabelle 2: Die durchschnittliche Anzahl an Netzwerkpartner*innen gruppiert nach der selbsteingeschätzten beruflichen Vorerfahrung
Netzwerkpartner*in |
Keine Vorerfahrung |
Durch-schnittliche Netzwerkgröße |
Vorerfahrung |
Mittelwert-differenz |
|
M (SD) |
|
M (SD) |
|
IFD |
6.43 (4.54) |
> |
6.00 (3.16) |
0.43 |
EAA |
6.00 (6.11) |
< |
6.36 (7.65) |
0.36 |
LVR-Inklusionsamt |
3.43 (1.90) |
< |
5.27 (2.72) |
1.84 |
Fachstellen |
4.57 (4.61) |
> |
4.36 (3.20) |
0.21 |
AA |
3.57 (4.20) |
> |
3.36 (1.96) |
0.21 |
Gesamt |
30.34 (22.03) |
< |
36.00 (16.62) |
5.66 |
Anmerkungen: M = Mittelwert. SD = Standardabweichung. Um das Problem der ungleich großen Gruppen zu adressieren, wurde mit Mittelwerten gearbeitet. Beispiel: Die EAA-Fachberaterinnen und -berater ohne Vorerfahrung (n = 7) gaben in der Summe 45 IFD Kontakte an. Die Personen mit Vorerfahrung im Feld der beruflichen Rehabilitation (n = 11) gaben 66 Kontakte zum IFD an. 45 / 7 = 6.43; 66 / 11 = 6.00. Der jeweils größere Mittelwert innerhalb einer Zeile ist fett markiert. Es handelt sich um rein deskriptive Unterschiede.
Tabelle 3 vergleicht die durchschnittliche Netzwerkgröße der Fachberaterinnen und -berater in Abhängigkeit ihrer selbsteingeschätzten Arbeitserfahrung als EAA-Fachberaterin bzw. -berater. Personen, die sich als Expertinnen bzw- Experte einschätzten, gaben im Vergleich zu den Berufseinsteigerinnen und -einsteigern zu den „Big Five der EAA“ sowie im Hinblick auf die Gesamtnetzwerkgröße durchschnittlich mehr Kontakte an. Wobei die Unterschiede mit Blick auf die EAA und AA gering sind (s. Tabelle 3, Mittelwertdifferenz).
Tabelle 3: Die durchschnittliche Anzahl an Netzwerkpartnerinnen und -partner gruppiert nach der selbsteingeschätzten Arbeitserfahrung als EAA-Fachberaterin bzw. -berater
Netzwerkpartner*in |
Berufseinsteiger-*innen |
Durch-schnittliche Netzwerkgröße |
Expert*innen |
Mittelwert-differenz |
|
M (SD) |
|
M (SD) |
|
IFD |
4.00 (2.52) |
< |
7.55 (3.64) |
3.55 |
EAA |
5.86 (6.47) |
< |
6.45 (7.46) |
0.59 |
LVR-Inklusionsamt |
3.71 (2.56) |
< |
5.09 (2.51) |
1.38 |
Fachstellen |
2.43 (2.07) |
< |
5.73 (3.98) |
3.30 |
AA |
3.14 (2.12) |
< |
3.64 (3.41) |
0.50 |
Gesamt |
25.14 (15.61) |
< |
39.36 (18.65) |
14.22 |
Anmerkungen: M = Mittelwert. SD = Standardabweichung. Um das Problem der ungleich großen Gruppen zu adressieren, wurde mit Mittelwerten gearbeitet. Beispiel: Die EAA-Fachberaterinnen und -berater, die sich als Berufseinsteigerinnen bzw- einsteiger einschätzten (n = 7), gaben in der Summe 28 IFD Kontakte an. Die Personen, die sich als Expertinnen bzw- Experten einschätzten (n = 11) gaben 83 Kontakte zum IFD an. 28 / 7 = 4.00; 83 / 11 = 7.55. Der jeweils größere Mittelwert innerhalb einer Zeile ist fett markiert. Es handelt sich um rein deskriptive Unterschiede.
Tabelle 4 vergleicht die mittlere Netzwerkgröße der EAA-Fachberaterinnen und -berater in Abhängigkeit ihrer Beschäftigungsdauer bei den EAA (Angabe in Monaten, bis einschließlich November 2023). Sie zeigt, dass Personen, die zum Erhebungszeitpunkt 12 Monate oder kürzer bei den EAA beschäftigt waren, im Durchschnitt mehr Kontakte zu den EAA und zum LVR-Inklusionsamt angaben. Zudem gaben diese Personen im Mittel ein größeres Gesamtnetzwerk an. Personen, die im November 2023 länger als 12 Monate bei den EAA beschäftigt waren, gaben im Mittel mehr Kontakte zum IFD, der AA und den Fachstellen an. Die Unterschiede sind jedoch marginal (s. Tabelle 4, Mittelwertdifferenz).
Tabelle 4: Die durchschnittliche Anzahl an Netzwerkpartnerinnen und -partnern gruppiert nach dem Beschäftigungszeitraum der EAA-Fachberaterinnen und -berater bei den EAA
Netzwerkpartner*in |
≤ 12 Monate |
Durch-schnittliche Netzwerkgröße |
> 12 Monate |
Mittelwert-differenz |
|
M (SD) |
|
M (SD) |
|
IFD |
5.78 (4.06) |
< |
6.56 (3.36) |
0.78 |
EAA |
8.00 (7.84) |
> |
4.44 (5.70) |
3.56 |
LVR-Inklusionsamt |
5.11 (2.80) |
> |
4.00 (2.29) |
1.11 |
Fachstellen |
4.11 (3.59) |
< |
4.78 (3.96) |
0.67 |
AA |
3.22 (1.86) |
< |
3.67 (3.81) |
0.45 |
Gesamt |
34.44 (17.09) |
> |
33.22 (20.81) |
1.22 |
Anmerkungen: M = Mittelwert. SD = Standardabweichung. Beispiel: Die EAA-Fachberaterinnen und -berater, die im November 2023 seit maximal 12 Monate bei den EAA beschäftigt waren (n = 9) gaben in der Summe 52 IFD Kontakte an. Die Personen, die zum Zeitpunkt der Erhebung bereits länger als ein Jahr für die EAA arbeiteten (n = 9) gaben 59 Kontakte zum IFD an. 52 / 9 = 5.78; 59 / 9 = 6.56. Der jeweils größere Mittelwert innerhalb einer Zeile ist fett markiert. Es handelt sich um rein deskriptive Unterschiede.
VI. Diskussion
Anknüpfend an die in Beitragsteil II dargestellten Ergebnisse wird in der vorliegenden Arbeit untersucht, ob berufsbezogene Merkmale der EAA-Fachberaterinnen und -berater die Unterschiede in den Netzwerkstrukturen der EAA erklären können. Dazu wurde zunächst die Gruppe der EAA-Fachberaterinnen und -berater charakterisiert. Im Fokus stand dabei die Frage, wie berufserfahren die EAA-Fachberaterinnen und -berater im Ökosystem der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe sind (FF1). Im zweiten Schritt wurde exploriert, ob Unterschiede in den Netzwerken der EAA-Fachberaterinnen und -berater in Abhängigkeit ihrer beruflichen (Vor-)Erfahrungen existieren (FF2). Die explorativen Ergebnisse werden unter Einbezug der Erkenntnisse aus dem dialogisch-partizipativen Verfahren diskutiert. Anschließend werden Limitationen aufgezeigt, die bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen sind. Der Beitrag schließt mit einem übergreifenden Fazit und formuliert erste praktische Implikationen.
1. Diskussion FF1 – Charakterisierung
FF1 untersuchte die berufliche (Vor-)Erfahrung der EAA-Fachberaterinnen und -berater im Ökosystem der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe. Die Ergebnisse der Online-Befragung ergaben, dass die Gruppe der EAA-Fachberaterinnen und -berater im Hinblick auf die berufliche (Vor-)Erfahrung heterogen ist. Sowohl Berufseinsteigerinnen und -einsteiger als auch Expertinnen und Experten aus dem Arbeitskontext der beruflichen Rehabilitation arbeiten für die EAA im Rheinland. Der Einbezug von Personen, die zuvor nicht im Ökosystem der beruflichen Rehabilitation tätig waren, sondern in Unternehmen der Privatwirtschaft bspw. in der Handwerksbranche arbeiteten, ist aus innovationstheoretischer Perspektive sinnvoll. Denn das Quadruple-Helix-Modell postuliert, dass vier innovationsrelevante Bereiche: „Politik“, „Wirtschaft“, „Bildung/Wissenschaft“ und „Zivilgesellschaft“[9] in den Innovationsprozess einbezogen werden müssen, um eine Invention in eine Innovation zu überführen (s. Beitragsteil II: Ergebnisse der Netzwerkkarten). Dennoch stellt der gesetzliche Auftrag der EAA – die Lotsenfunktion im komplexen Ökosystem der Rehabilitation einzunehmen – eine Herausforderung dar. Da einige EAA-Fachberaterinnen und -berater keine berufliche Vorerfahrung mitbringen, wurde vom LVR-Inklusionsamt, das die EAA fachlich koordiniert, ein umfassendes Schulungsprogramm implementiert, das allein im Jahr 2023 21 Schulungstermine umfasste (Informationen aus dem dialogisch-partizipativen Verfahren). Ob der Schulungsaufwand langfristig dazu beiträgt, dass sich alle EAA-Fachberaterinnen und -berater als Expertinnen und Experten in ihrem Beruf einschätzen, könnte in Folgestudien untersucht werden.
2. Diskussion FF2 – Gründe für die Diversität der Netzwerke
FF2 untersuchte Unterschiede in den Netzwerken der EAA-Fachberaterinnen und -berater in Abhängigkeit ihrer beruflichen (Vor-)Erfahrungen. Nachfolgend werden die Gründe für Unterschiede in den NWK entlang der drei berufsbezogenen Merkmale diskutiert.
Selbsteingeschätzte berufliche Vorerfahrung: EAA-Fachberaterinnen und -berater ohne Vorerfahrung im Bereich der beruflichen Rehabilitation gaben im Durchschnitt mehr Kontakte zu externen Institutionen an (IFD, AA und Fachstelle), wobei die Unterschiede marginal waren. Personen mit Vorerfahrung zeichneten durchschnittlich mehr Kontakte zu den EAA und dem LVR-Inklusionsamt in die NWK ein, wobei der Unterschied mit Blick auf die EAA als sehr gering zu bewerten ist. Im Rahmen der kommunikativen Validierung wurde dieses Ergebnis mit der EAA-Steuerungsgruppe des LVR-Inklusionsamtes diskutiert. Dabei wurde die Hypothese aufgestellt, dass EAA-Fachberaterinnen und -berater ohne berufliche Vorerfahrung die für sie persönlich wichtigen Personen aus den einzelnen externen Institutionen möglicherweise noch nicht identifizieren konnten. Bei institutionell organisierten Zusammenkünften, sog. Netzwerktreffen oder Runden Tischen, die in regelmäßigen Abständen stattfinden, treffen die EAA-Fachberaterinnen und -berater auf verschiedene Akteurinnen und Akteure aus dem Ökosystem der beruflichen Rehabilitation – so die Aussage der EAA-Steuerungsgruppe. Dabei würden zwar viele Kontakte geknüpft werden, diese seien aber oft eher oberflächlich. Welche Netzwerkkontakte sich als überdauernd stabil und damit relevant für die eigene Arbeit erweisen, kristallisiere sich erst im Laufe der Zeit heraus (Erläuterung der EAA-Steuerungsgruppe).
Selbsteingeschätzte Arbeitserfahrung als EAA-Fachberaterin bzw. -berater: Personen, die ihre Arbeitserfahrung als EAA-Fachberaterin bzw- -berater auf Expertenniveau (n = 11) einschätzten, gaben im Mittel zu allen „Big Five der EAA“ mehr Kontakte an, als Personen, die sich als Berufseinsteigerinnen bzw. -einsteiger (n = 7) einschätzten. Dieses Ergebnis wurde von der EAA-Steuerungsgruppe als unerwartet angesehen. Postuliert wurde, dass Personen, die sich selbst als Expertinnen bzw. Experten einschätzen, über ein bereits etabliertes, kleineres, aber dafür effizientes Netzwerk verfügen und insbesondere weniger interne Kontakte (Vernetzung innerhalb der EAA) haben sollten. Es ist jedoch zu beachten, dass zwei EAA-Fachberaterinnen und -berater, die sich als Expertinnen bzw. Experten einschätzten, für mehrere Regionen im Rheinland zuständig sind und somit durchschnittlich mehr Kontakte haben. Diese multizentrische Verortung könnte erklären, weshalb die Gruppe der Expertinnen und Experten sich entgegen der Erwartungen durch besonders viele Kontakte auszeichnet.
Beschäftigungszeitraum der Fachberaterinnen und -berater bei den EAA: EAA-Fachberaterinnen und -berater, die zum Zeitpunkt der Erhebung maximal 12 Monate bei den EAA beschäftigt waren, gaben im Mittel eine höhere Anzahl an Kontakten zu den EAA und dem LVR-Inklusionsamt sowie ein größeres Gesamtnetzwerk an. Fachberaterinnen und-berater, die im November 2023 länger als 12 Monate bei den EAA beschäftigt waren, zeichneten durchschnittlich mehr externe Kontakte (IFD, AA und Fachstellen) in die NWK. Die Unterschiede sind jedoch marginal. Dieses Ergebnis wurde im Rahmen der kommunikativen Validierung als erwartbar eingeschätzt. Es wurde diskutiert, dass Personen, die erst seit kurzer Zeit bei den EAA arbeiten, möglicherweise noch stärker mit den EAA und dem LVR-Inklusionsamt vernetzt sein könnten, da sie sich noch in der Einarbeitungsphase befinden. Ergänzend muss allerdings angemerkt werden, dass drei Personen, die zum Erhebungszeitpunkt länger als 12 Monate bei den EAA beschäftigt waren, schon zuvor in der Vorgängerstruktur der EAA beschäftigt waren.
In diesem Beitrag wurde das LVR-Inklusionsamt als externer Netzwerkkontakt betrachtet. Diese Verortung ist allgemein diskutabel. Es besteht die Möglichkeit, diese Institution als internen NWP der EAA zu betrachten, da das LVR-Inklusionsamt die EAA fachlich koordiniert, in engem Austausch mit den Fachberaterinnen und -beratern steht und diese schult. In den Jahren 2023 und 2024 wurden 15 der insgesamt 34 Schulungen (Stand August, 2024) allein vom LVR-Inklusionsamt angeboten (Ergebnis aus dem dialogisch-partizipativen Verfahren). Im Kontext der NWK-Zeichnung wurde die Koordination der EAA-Fachberaterinnen und -berater selbst zu den EAA gezählt. Wiederum wurde bspw. der Technische Beratungsdienst des LVR-Inklusionsamtes, der ebenfalls Schulungen anbietet und in Austausch mit den EAA ist, von den EAA-Fachberaterinnen und -beratern eher als externer Kontakt bewertet. Der Stellenwert des LVR-Inklusionsamtes für die Arbeit der EAA könnte in nachfolgenden Erhebungen spezifischer exploriert werden.
VII. Limitationen
Die Gruppeneinteilung der EAA-Fachberaterinnen und -berater hat gezeigt, dass die Ergebnisse nicht uneingeschränkt verallgemeinert werden können. Die Gruppe der EAA-Fachberaterinnen und -berater ist heterogen. Dies zeigte sich nicht nur in Bezug auf die beruflichen (Vor-)Erfahrungen, sondern auch in Bezug auf die Anzahl der Zuständigkeitsbereiche. Des Weiteren basieren Aussagen zur Berufserfahrung der EAA-Fachberaterinnen und -berater auf einer Selbsteinschätzung. Das einzige objektive Kriterium ist die Beschäftigungsdauer der EAA-Fachberaterinnen und -berater, wobei auch dieses limitiert ist, da einige EAA-Fachberaterinnen und -berater schon in der Vorgängerstruktur der EAA gearbeitet haben.
VIII. Fazit und praktische Implikationen
Der vorliegende Beitrag in drei Teilen widmet sich der Exploration des Netzwerkes der EAA im Rheinland und versucht sich an ersten Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Instrumentes. Zu diesem Zweck wurden im Rahmen eines Expertenworkshops egozentrierte NWK (N = 20) erhoben. Diese Methode eignete sich zur Initiierung von Austausch- und Gruppenprozessen, über die informelles Wissen expliziert werden konnte (s. Beitragsteil I). Um das Wissen einzelner EAA-Fachberaterinnen und -berater allen zugänglich zu machen, könnte diese Methode regelmäßig, z. B. in einem jährlichen Turnus, zu Schulungszwecken eingesetzt werden. Insbesondere EAA-Fachberaterinnen und -berater, die neu in das Arbeitsfeld der beruflichen Rehabilitation einsteigen, könnten davon profitieren. Der Expertenworkshop ist auf andere EAA-Standorte übertragbar. Daher könnte es sich anbieten, die Methode im Rahmen von Netzwerktreffen einzusetzen, bei denen EAA-Fachberaterinnen und -berater verschiedener Standorten zusammenkommen. So könnten die EAA voneinander und miteinander lernen sowie mögliche Fallstricke und Gelingensbedingungen der Netzwerkarbeit antizipieren.
Die zentralen Ergebnisse der NWK waren, dass das Netzwerk der EAA von politischen Akteurinnen und Akteure dominiert wird. Die übrigen drei Bereiche der Quadruple-Helix, „Wirtschaft“, „Bildung/Wissenschaft“ und „Zivilgesellschaft“[10], spielten demgegenüber eine eher untergeordnete Rolle (s. Beitragsteil II). Als praktisches Ergebnis der Auswertung kann hier abgeleitet werden, dass eine stärkere Netzwerkbildung sowie die Entwicklung einer höheren Innovationswirkung durch den gezielten Einbezug von Netzwerkakteurinnen und -akteuren aus den drei weniger vertretenen Helix-Strängen erreicht werden könnte. Mögliche Akteurinnen und Akteure wären etwa Repräsentantinnen bzw. Repräsentanten und Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren von regionaler Wirtschaft, wie Unternehmensverbände sowie Qualifizierungseinrichtungen oder zivilgesellschaftliche Interessengruppen wie Vereine, Gewerkschaften oder regional relevante Communities und Veranstaltungen. Diese könnten sowohl bestehende Netzwerke gezielt stärken als auch neue Bezüge herstellen und damit das Netzwerk der EAA sowie deren Reichweite ausbauen. Zudem ließen sich über eine zielgruppengerechtere Ansprache, vermittelt von Akteurinnen und Akteuren aus diesen Helix-Strängen, auch eine bessere Ansprache und Reichweite generieren. Der Besetzung der Stellen in den EAA des Rheinlandes liegt die These zu Grunde, dass die Beratenden die „Sprache der Unternehmen“ sprechen müssten, um diese zu erreichen. Ein ähnlicher Mechanismus ließe sich für die anderen Helix-Stränge aktivieren, indem Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus diesen Strängen eingebunden werden, um Akteurinnen und Akteure im Sinne der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen anzusprechen. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen Menschen mit Behinderungen – als Expertinnen und Experten in eigener Sache (z. B. Selbstvertretungsorganisationen) – zu Netzwerktreffen einzuladen. So könnte aus Betroffenenperspektive auf Fallstricke, Chancen und Herausforderungen aufmerksam gemacht werden. Dadurch würde sich die Beratungsexpertise der EAA-Fachberaterinnen und -berater erweitern, so dass mögliche Bedarfe, die bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu adressieren sind, frühzeitig, d. h. bei der Antragstellung, antizipiert werden könnten.
Weiter konnte festgestellt werden, dass der IFD, die EAA selbst (die EAA-Fachberaterinnen und -berater inkl. der EAA-Koordination), das LVR-Inklusionsamt, die Fachstelle für Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben und die AA zu den fünf wichtigsten NWP („Big Five der EAA“) der EAA zählen (s. Beitragsteil II). Einen weiteren Innovationsimpuls geben die Gründe, die die Fachberaterinnen und -berater für die Nutzung ihrer Kontakte zu den „Big Five der EAA“ angeben. Auf die Frage, warum die EAA-Fachberaterinnen und -berater gerade diese Kontakte als besonders wichtig einschätzen, zeichneten sie das Bild einer tief gehenden Prozessbeteiligung: Die „Big Five der EAA“ sind in Antragsprozesse eingebunden und teilweise Kostenträger. In einer zweiten Dimension sind sie Verbreitungspartnerinnen und -partner, indem sie bspw. beraten, helfen und vernetzen (s. Beitragsteil II). Für einen weiteren Ausbau der EAA oder die Neubesetzung von Stellen bedeutet dies, dass die „Big Five der EAA“ bildlich gesprochen auf die „Kurzwahltasten“ der EAA-Fachberaterinnen und -berater gehören. Eine gute Verbindung scheint für die Arbeit der EAA so essenziell zu sein, dass eine Vorstellung dieser NWP ein noch größerer Teil des „Onboardings“ der EAA-Fachberaterinnen und -berater sein sollte.
Der Blick in die Netzwerke auf Ebene einzelner EAA-Fachberaterinnen und -berater zeigte, dass zwischen den Netzwerken Unterschiede bestehen (s. Beitragsteil II), die u. a. auf interne berufsbezogene (Vor-)Erfahrungen zurückzuführen sind, die bei den einzelnen EAA-Fachberaterinnen und -berater sehr unterschiedlich ausfallen (s. vorliegender Beitragsteil). In Zukunft ließen sich die Inhalte der Schulungen aus den Erkenntnissen der Erhebung der Vorerfahrungen ableiten – so könnten z. B. gezielt Schulungs-inhalte für die hier differenzierten EAA-Fachberaterinnen- und EAA-Fachberater-Gruppen gestaltet werden. Wenn etwa eine gewisse Zahl von Beraterinnen und Beratern ausscheidet, neue eine Beschäftigung annehmen oder ein Ausbau (oder in anderen Regionen ein Aufbau) der Stellen erfolgt, dürfte es zu Verschiebungen in der Erfahrungsbilanz und in der Netzwerkausprägung kommen. Schulungen könnten dann an einer Nachverfolgung der EAA-Zugehörigkeit (z. B. anhand der Beschäftigungsdauer oder der beruflichen Vorerfahrung) ansetzen und Zielgruppen für Schulungen identifizieren sowie Schulungsinhalte ableiten. Außerdem könnten Themen und Inhalte für Schulungsangebote über fragebogengestützte Bedarfsabfragen identifiziert werden und so ein passgenaues Schulungsangebot ermöglichen. Dieser Vorschlag muss jedoch mit den praktischen Ressourcen der EAA abgeglichen werden. Die EAA-Steuerungsgruppe des LVR-Inklusionsamtes wies daraufhin, dass die Durchführung von Schulungsveranstaltungen für eine Personengruppe von weniger als zehn Teilnehmenden zwar sehr effektiv im Lernprozess sein könne, aber im Hinblick auf den Zeit- und Kostenaufwand kaum realistisch handhabbar sei. Aus Sicht der EAA-Steuerungsgruppe könnte eine Möglichkeit darin bestehen, die Schulungsinhalte institutionsübergreifend (z. B. mit anderen regionalen NWP) zu gestalten. Je nach Ausgangslage (Personal, Zeit etc.) könnte diese Idee auch als Peer-to-Peer-Beratung organisiert werden. Bspw. könnten erfahrene und noch unerfahrenere EAA-Fachberaterinnen und -berater ein Tandem bilden. Diese Idee ließe sich gegebenenfalls auch auf andere EAA Standorte bzw. bundesländerübergreifend gestalten.
Die Diskussion über die Gründe für die Unterschiede in den Netzwerken stellt schließlich eine Implikation für die Leitung der EAA bereit. So zeigt die Analyse eine Heterogenität der EAA über so verschiedene Merkmale wie Netzwerkgröße und -intensität sowie -partnerinnen und -partner. Auf Ebene der EAA-Fachberaterinnen und -berater zeigen sich Unterschiede bezüglich der beruflichen Hintergründe und ebenfalls der Netzwerknutzung. Diese Heterogenität lässt sich u. a. mit der Unterschiedlichkeit der regionalen Anforderungen erklären und als intendiert zu interpretieren. Nach Ausführung der EAA-Steuerungsgruppe sei diese Heterogenität gewollt und erwiese sich bisher als gewinnbringend. So erhöhe die Diversität der EAA-Fachberaterinnen und -berater einerseits die Wahrscheinlichkeit Arbeitgeber zu erreichen, andererseits würden die unterschiedlichen Profile der Fachberaterinnen und -berater intern die Möglichkeit kollaborativer Lernprozesse eröffnen (Interpretationen der EAA-Steuerungsgruppe). Gleichzeitig stellen die unterschiedlichen Profile und Netzwerke der Fachberaterinnen und -berater Anforderungen an Steuerung, z. B. in Bezug auf Aus- und Fortbildung der Beschäftigten oder die Sicherstellung von Qualität und Standards. Hier könnte weitere Forschung Ansatzsatzpunkte für eine positive Managementstruktur zwischen einheitlichem Anspruch und Heterogenität in der Umsetzung identifizieren.
Um die Stabilität der Daten bewerten zu können, sind Längsschnittstudien, die die EAA-Fachberaterinnen und -berater über einen längeren Zeitraum begleiten erforderlich. Insgesamt sind die vorläufigen Ergebnisse somit als explorativ zu werten.
Danksagung
Wir bedanken uns bei allen an diesem Forschungsprojekt beteiligten Personen aus der EAA-Steuerungsgruppe des LVR-Inklusionsamtes, die im Rahmen des partizipativ-dialogischen Verfahrens maßgeblich zur Verbesserung dieses Forschungsvorhabens beigetragen haben. Unser besonderer Dank gilt den Fachberaterinnen und -beratern der EAA im Rheinland.
Literaturverzeichnis
Carayannis, E. G. & Campbell, D. F. J. (2012). Mode 3 Knowledge Production in Quadruple Helix Innovation Systems: 21st-Century Democracy, Innovation, and Entrepreneurship for Development. Springer.
Gamper, M. (2020). Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung. In A. Klärner, M. Gamper, S. Keim-Klärner, I. Moor, H. von der Lippe & V. Nico (Hrsg.), Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten: Eine neue Perspektive für die Forschung (S. 109–136). Springer VS.
Meyer, F. (2018). Yes, we can(?) Kommunikative Validierung in der qualitativen Forschung. In F. Meyer, J. Miggelbrink & K. Beurskens (Hrsg.), Ins Feld und zurück - Praktische Probleme qualitativer Forschung in der Sozialgeographie (S. 163–168). Springer Spektrum.
Pelka, B., Schröder, A., Lohrmann, L. & Schwanenberg, J. (2011). Das Ausbildungsmarktmonitoring des Kreises Herford (Beiträge aus der Forschung Nr. 183), abrufbar unter https://sfs.sowi.tu-dortmund.de/storages/sfs-sowi/r/Publikationen/Beitraege_aus_der_Forschung/Band_183.pdf, zuletzt abgerufen am 13.12.2024.
Rehrl, M. & Gruber, H. (2007). Netzwerkanalysen in der Pädagogik. Ein Überblick über Methode und Anwendung. Zeitschrift für Pädagogik, 53(2), 243–264, abrufbar unter https://doi.org/10.25656/01:4396, zuletzt abgerufen am 13.12.2024.
York, J., Sartor, T., Lamb, S., Jochmaring, J., Kuhn, J.‑T. & Pelka, B. (under review). Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber*innen (EAA) – eine Innovationsbiographie.
Beitrag von Sarah Lamb, Teresa Sartor, Jan Jochmaring, Bastian Pelka, Jörg-Tobias Kuhn und Jana York
Fußnoten
[1] Die in § 185a SGB IX verwendete Form „Arbeitgeber“ wird im Folgenden beibehalten.
[2] Carayannis & Campbell, 2012.
[3] Ebd.
[4] Meyer, 2018.
[5] Gamper, 2020; Rehrl & Gruber, 2007.
[6] Pelka et al., 2011; York et al., under review.
[7] Meyer, 2018.
[8] York et al., under review.
[9] Carayannis & Campbell, 2012.
[10] Ebd.
Stichwörter:
Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA), Studie, Berufliche Teilhabe, Evaluation, Teilhabeforschung, Forschungsbericht
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