13.12.2021 D: Konzepte und Politik Heimer, Maetzel, Schütz: Beitrag D38-2021

Befunde aus der wissenschaftlichen Begleitung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) – Teil I: Konzept- und Strukturqualität

Nachdem im Jahr 2018 die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) im Zuge des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zunächst modellhaft eingeführt wurde, wird diese ab dem Jahr 2022 zu einem festen Bestandteil in der Beratungslandschaft. Im vorliegenden ersten von zwei Beiträgen präsentieren Andreas Heimer, Jakob Maetzel (beide Prognos AG) und Dr. Holger Schütz (infas) das Konzept ihrer Evaluation der Umsetzung der EUTB-Angebote und zeigen zentrale Befunde hinsichtlich der Konzeptqualität der Beratung auf. Dabei ist das wichtigste Beratungsziel die Stärkung der Handlungskompetenz. Im Mittelpunkt der Beratungsthemen stehen der Umgang mit Behörden und mit Antragstellungen. Von den Ratsuchenden wird vor allem der Ansatz der Peer-Beratung geschätzt. Bezüglich der Konzeptqualität der Grundqualifizierung offenbart sich, dass eine bessere Abstimmung und deutlichere Kommunikation der Qualifizierungsziele vonnöten sind. Mit Blick auf die Strukturqualität stellt das EUTB- Angebot eine qualitative Erweiterung des bestehenden Beratungsangebots dar.

(Zitiervorschlag: Heimer, Maetzel, Schütz: Befunde aus der wissenschaftlichen Begleitung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) – Teil I: Konzept- und Strukturqualität; Beitrag D38-2021 unter www.reha-recht.de; 13.12.2021)

I. Einleitung

Im Jahr 2018 begann die modellhafte Einführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB), die zum Jahr 2022 durch eine Rechtsverordnung[1] in den Regelbetrieb übergehen wird. Die EUTB ist ein wichtiger Baustein der im Bundesteilhabegesetz (BTHG) angelegten Neuordnung des Leistungsrechts für Menschen mit Behinderungen in Übereinstimmung mit der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK).

Welche Ziele sind mit der EUTB verbunden? Was macht die EUTB aus? Wie ist der Einführungsprozess verlaufen? In welchem Maße gelingt es den Beratungsangeboten der EUTB, diese Ziele gut zu erreichen? Um die Beantwortung dieser und weiterer Fragen dreht sich der Auftrag der wissenschaftlichen Begleitung der EUTB, mit dem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ein Konsortium aus den Forschungsinstituten Prognos und infas sowie Prof. Gudrun Wansing von der Humboldt-Universität zu Berlin beauftragt hat. In diesem zweiteiligen Artikel werden erste Ergebnisse aus dieser Forschungsarbeit zusammengefasst.[2] Der vorliegende erste Teil stellt das Konzept der wissenschaftlichen Begleitung vor und diskutiert Qualitätsmerkmale der EUTB-Beratungskonzeption und der Beratungsstruktur einschließlich der Grundqualifizierung. Der zweite Teil wird auf die Ergebnisse der Beratungsprozesse und der Beratungsergebnisse eingehen.

II. Entstehungskontext

Die konzeptionelle und politische Einordnung der EUTB fällt leichter, wenn ihr Entstehungskontext beleuchtet wird. Forderungen nach einer besseren Beratung von Menschen mit Behinderungen wurden insbesondere durch die Ratifizierung der UN-BRK durch die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 und durch die Diskussionen um die Reform der Eingliederungshilfe forciert. So vermerkten die Verbände der Behindertenorganisationen und der Leistungserbringer der Behindertenhilfe im Jahr 2010:

„Der Bedarf an Beratung wird steigen, wenn bisherige pauschale Leistungsgestaltungen im neuen personenzentrierten System in Einzelleistungen differenziert werden (…). Hierfür sind vielfältige Beratungs- und Unterstützungsoptionen notwendig, die eine selbstbestimmte Auswahlentscheidung aller Menschen mit Behinderung im neuen System der Leistungsgewährung ermöglichen.“[3]

Eine vom BMAS eingesetzte Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz ergänzte im Jahr 2015 in ihrem Abschlussbericht:

„Die Verbände der Menschen mit Behinderungen messen der trägerunabhängigen und neutralen Beratung von Menschen mit Behinderungen für Menschen mit Behinderungen (z. B. durch „Peer Counseling“) einen großen Stellenwert bei.“[4]

In der neu eingeführten rechtlichen Normierung der EUTB im reformierten SGB IX (§ 32 SGB IX) und in der Förderrichtlinie[5] zur Umsetzung der EUTB werden diese Anliegen aufgegriffen und um weitere qualitative Anforderungen an das neue Beratungsangebot ergänzt. Bis heute gibt es rund 500 EUTB-Angebote in ganz Deutschland, in denen ungefähr 2.300 Beraterinnen und Berater beschäftigt sind (Stand Ende 2019). Die EUTB-Angebote werden durch eine Fachstelle Teilhabeberatung (FTB) unterstützend begleitet.[6] Das monatliche Beratungsaufkommen lag im Jahr 2018 bei durchschnittlich ca. 3.100 Fällen und stieg bis 2020 auf durchschnittlich 14.800 Fälle an.

III. Ziel und Design der wissenschaftlichen Begleitung

Zur Bewertung der Umsetzung der EUTB-Angebote wurden von der wissenschaftlichen Begleitung in einem Referenzrahmen Qualitätskriterien formuliert, die sich sowohl an politisch-rechtlichen Zielen und Anforderungen als auch an fachlichen Qualitätskriterien für (Peer-)Beratung orientieren.

Zu solchen Qualitätskriterien gehören beispielsweise

  • auf der Ebene der Konzepte Kriterien zur Beratungsmethodik,
  • auf der Ebene der Strukturen Kriterien der Niedrigschwelligkeit und des Peer Counseling,
  • auf der Ebene der Prozesse Kriterien zur Beziehungsqualität und zur Netzwerkqualität sowie
  • auf der Ebene der Ergebnisse Kriterien der Zielgruppenerreichung, der Akzeptanz sowie mittelfristiger Auswirkungen auf die Teilhabesituation von Menschen mit Beeinträchtigungen.

Aufgabe der wissenschaftlichen Begleitung ist es zu ermitteln, wie gut diese Qualitätskriterien erfüllt werden, welche Bedingungen sich als förderlich oder hinderlich erweisen und welche Aktivitäten sich bewährt haben. Das Untersuchungsdesign sieht hierfür ein umfassendes Methodenset vor, zu dem standardisierte Befragungen ebenso gehören wie Einzel- und Gruppen-interviews, Gespräche mit Expertinnen und Experten, die Auswertung von Beratungsdokumentationen und die (nichtteilnehmende) Beobachtung von Beratungsgesprächen. Diese methodischen Zugänge sind in der Regel so ausgelegt, dass sie zu mindestens zwei Zeitpunkten erfolgen und auf diese Weise Entwicklungen erfassen können. Die standardisierten schriftlichen Befragungen von Beratungsangeboten und von Ratsuchenden sind zusätzlich vergleichend angelegt; befragt werden neben den EUTB-Angeboten und deren Ratsuchenden auch Beratungsangebote von Leistungsträgern und trägerunabhängigen Stellen, die keine EUTB-Förderung erhalten und deren Ratsuchenden. Dabei wird untersucht, inwiefern die EUTB bereits bestehende Angebote sinnvoll ergänzt und zu einer Bereicherung der Beratungslandschaft für Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Angehörigen beiträgt.

Hervorzuheben ist, dass die Perspektiven der verschiedenen beteiligten Gruppen auf die EUTB-Angebote eingefangen werden – von Ratsuchenden, Beraterinnen und Beratern, dem koordinierenden Personal in den EUTB-Angeboten und von Leistungsträgern. Zwei weitere Untersuchungsaufträge richten sich auf die Evaluation der Grundqualifizierung der Beraterinnen und Berater der EUTB (mittels Dokumentenanalyse, Fachgesprächen und Fokusgruppen) sowie die Evaluation der Organisation und Prozesse der FTB.

IV. Konzeption und Struktur der EUTB

1. Konzeptqualität der Beratung

a) Was macht die EUTB aus?

Mit der Konzeptqualität von Beratung sind zunächst allgemeine Anforderungen an die Beratungsmethodik (etwa theoretische Fundierung, Flexibilität, Praxisrelevanz), eine begründete Methodenauswahl und eine Orientierung an Qualitätsstandards verbunden. Weitere Anforderungen sind EUTB-spezifisch und in der gesetzlichen Grundlage in § 32 SGB IX sowie in der Förderrichtlinie festgelegt. Im Zentrum der EUTB steht demnach die Stärkung der Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderungen und von Behinderungen bedrohter Menschen durch eine niedrigschwellige, von Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängige Beratung, die bereits im Vorfeld der Beantragung konkreter Leistungen verfügbar ist. Das Beratungsangebot soll die Beratung durch die Rehabilitationsträger ergänzen, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht (§ 32 SGB IX Abs. 1). Die gesetzliche Verankerung und die besonderen Vorgaben für die Ausgestaltung der EUTB im SGB IX sind anspruchsvolle Grundlagen der Konzeptqualität für die EUTB insgesamt. Beiträge hierzu leisten außerdem das ebenfalls in Gesetz und Förderrichtlinie verankerte Peer Counseling sowie die handlungsleitenden Grundsätze der Unabhängigkeit und Parteilichkeit (als Verpflichtung der Beratung auf die Anliegen der Ratsuchenden) sowie die Forderung nach Offenheit und Eignung für alle Zielgruppen von Menschen mit Behinderungen bzw. deren Angehörigen („Eine für alle“).

Auf der Ebene der einzelnen EUTB-Angebote ist eine sukzessive Fortentwicklung und Reflexion der Beratungsmethodik und Qualitätssicherung gefordert. Diese Prozesse sollen sich an Standards der (wissenschaftlichen) Literatur zu Beratung orientieren und werden insbesondere durch die FTB begleitet und gesichert. Ein wesentlicher Bestandteil der Konzeption aller EUTB ist die Netzwerkarbeit, zu der die Förderrichtlinie die EUTB-Angebote verpflichtet. Die Bedeutung der Netzwerkarbeit zeigt sich auch in den unterstützenden Angeboten der FTB (Veranstaltungen, Webseite etc.). Dabei geht es neben der Vernetzung mit anderen Akteuren im Feld Teilhabe und Rehabilitation auch um die Vernetzung der EUTB-Angebote untereinander.

b) Zentrale Befunde

Die skizzierten konzeptionellen Eckpunkte können Orientierung für eine qualitätsvolle Beratungspraxis bieten. Sie bedürfen jedoch einer anwendungsbezogenen Konkretisierung, die in der EUTB-Einführungsphase noch fehlte. Mit einem sich in der Erprobungsphase befindlichen Qualitätsmanagementhandbuch und begleitenden Veranstaltungen trägt die FTB inzwischen in erheblichem Umfang dazu bei, ein für die EUTB-Angebote verbindliches und gemeinsam geteiltes Qualitätsverständnis zu fördern, das sich nicht in normativen Leitlinien erschöpft, sondern sich ganz praktisch auf die Beratungsarbeit niederschlägt.[7]

Das Selbstverständnis der EUTB-Angebote ist ohne Zweifel durch zentrale Elemente des oben skizzierten EUTB-Konzeptes geprägt. Hierzu ein paar ausgewählte Befunde aus der Befragung der Beratungsstellen: So sind für die EUTB-Angebote die Ziele „Selbstvertrauen stärken“ und „Handlungskompetenzen mobilisieren“ von herausragender Bedeutung. Diese Stärkung der Handlungskompetenzen bildet das mit Abstand wichtigste Beratungsziel bei EUTB-Angeboten. Zudem ist mit Blick auf die Beratungsthemen der Umgang mit Behörden und mit Antragstellungen ein Thema, das bei 84 % aller EUTB-Angebote eine zentrale Rolle spielt. Darüber hinaus ist die starke praktische Verankerung der Peer-Beratung ein besonderes Merkmal der EUTB; Peer-Beratung wird in vier Fünfteln (82 %) aller EUTB angeboten.

Auch die Ratsuchenden nehmen die konzeptionellen Eigenheiten der EUTB wahr und wissen diese zu schätzen. Dies betrifft zuvörderst die Peer-Beratung, die von beinahe drei Vierteln (72 %) der Ratsuchenden als wichtig für ihr Beratungsgespräch eingeschätzt wird. Diese Rat-suchenden schätzen die Peer-Beratung vor allem, weil sie sich durch Peer-Beratende besser verstanden fühlen und eher eine passende Hilfe erwarten. Außerdem ist für EUTB-Ratsuchende (spiegelbildlich zu der Befragung der EUTB-Angebote) der Umgang mit Behörden und Antragstellungen ein besonders häufiges Beratungsthema, das gemäß der EUTB-Konzeptlage als orientierende Vorfeldberatung behandelt wird. Auch der persönliche Umgang mit Beeinträchtigung oder Behinderung ist ein sehr häufiges Beratungsthema für Ratsuchende der EUTB; hier können die EUTB ihre konzeptionellen Stärken einbringen („Eine für alle“, Peer-Beratung).

2. Konzeptqualität der Grundqualifizierung

a) Wie ist das Kompetenzprofil der Beratenden?

Auch die Konzeptqualität der Grundqualifizierung wurde untersucht. Die Grundqualifizierung besteht aus zwei Teilen: einem (Präsenz-)Seminar (32 Arbeitseinheiten, pandemiebedingt seit 2020 auch als online-Format) und einer Selbstlernphase. Alle Bestandteile der Grundqualifizierung sind für alle festangestellten EUTB-Beraterinnen und -Berater verpflichtend und sollten im Laufe des ersten Projektjahres absolviert werden. Die (Präsenz-)Seminare wurden jeweils von zwei Trainerinnen bzw. Trainern mit Beeinträchtigungen (Peers) und Beratungserfahrungen durchgeführt, die hierfür zuvor selbst nach dem „Train-the Trainer“-Modell geschult wurden.

Durch die FTB werden als Aufgaben und zentrale Zielsetzungen der Grundqualifizierung die Vermittlung eines gemeinsamen Verständnisses des Konzeptes der EUTB („Eine für alle“), eines menschenrechtlichen Verständnisses von Behinderung, des Beratungsansatzes des Peer Counseling und einer damit verbundenen Beratungshaltung („auf Augenhöhe“) formuliert. Der Austausch und die Vernetzung zwischen den Beraterinnen und Beratern soll ebenfalls durch die Grundqualifizierung gefördert werden. Zudem sollen Kenntnisse der Arbeits- und Organisationsweisen der FTB sowie Anforderungen an die Administration und den Datenschutz vermittelt werden.

b) Zentrale Befunde

Das Curriculum der FTB zum Präsenzseminar weist weit über die in der Zielsetzung der Grundqualifizierung formulierten Kompetenzbereiche hinaus, das gesamte Spektrum an Beratungskompetenzen wird adressiert. Zugleich bleiben einige feldspezifische Inhalte unberücksichtigt. Die Aneignung von Methodenkompetenz ist wiederum eher im Rahmen reflektierter Beratungspraxis zu erwarten.

In der Praxis weichen die Ansprüche der FTB an die Grundqualifizierung auf der einen Seite und die Erwartungen der Teilnehmenden auf der anderen Seite zum Teil voneinander ab. Teilnehmende wünschen sich insbesondere eine Vertiefung in Richtung Sozialrechtskompetenz. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer besseren Abstimmung und klareren Formulierung und Kommunikation der Qualifizierungsziele. Eine veränderte Bezeichnung der Schulung (anstelle von „Grundqualifizierung“) könnte darüber hinaus zu einem besseren Verständnis der Profilierung und damit zu einer besseren Orientierung für die Beraterinnen und Berater beitragen.

3. Strukturqualität

a) Wie unterscheidet sich EUTB von anderen Angeboten?

Unter der Perspektive der „Strukturqualität“ werden die strukturellen und materiellen Voraussetzungen der EUTB-Angebote betrachtet. Aus institutioneller Perspektive ist hier zunächst die Fragestellung relevant, inwieweit die EUTB-Angebote als „ergänzende Beratung“ das Spektrum der Beratungslandschaft „Teilhabe und Rehabilitation“ qualitativ erweitern, wobei Beratungslandschaft als Summe der Angebote der Rehabilitationsträger und der vielfältigen trägerunabhängigen Beratungsangebote zu verstehen ist.

b) Zentrale Befunde

Ein wichtiger institutioneller Unterschied zwischen EUTB und Beratungsangeboten der Reha-Träger liegt in den Gestaltungsfreiräumen der Beratung, die bei EUTB-Angeboten ziemlich hoch sind. Im Unterschied dazu haben die Reha-Träger in viel stärkerem Maße spezifisch definierte, auf einen gesetzlichen Leistungsbereich begrenzte und teils hoheitliche Aufgaben und Aufträge, die auch die Einhaltung prozessualer Vorgaben im Rahmen ihrer Beratungstätigkeiten beinhalten. Dieser Unterschied führt nach unseren Befunden dazu, dass Ratsuchende die Beratung durch EUTB insgesamt noch positiver beurteilen als Beratungen durch Reha-Träger – bei sehr guter Einschätzung der Beratungslandschaft „Teilhabe und Rehabilitation“ im Ganzen.

EUTB-Angebote unterscheiden sich von den Beratungsangeboten der Reha-Träger und vielen trägerunabhängigen Stellen überdies deutlich in den Organisationsstrukturen. Dies betrifft neben der rechtlichen und formalen Organisationsform die Größe der Organisationseinheiten gemessen an der Anzahl der Beschäftigten. So sind EUTB-Angebote mit maximal drei Vollzeitäquivalenten (VZÄ) stets kleine Organisationen. Schon aufgrund dieser hier nur skizzierten Aspekte ist die Eingangsfrage zu bejahen; die EUTB erweitert die Beratungslandschaft qualitativ aufgrund ihrer spezifischen Merkmale.

Die Strukturqualität der EUTB wird außerdem durch die Gestaltung der Personalpolitik (Rekrutierung, Qualifizierung, Qualitätssicherung) und das eingesetzte Personal – mehrheitlich festangestellte Arbeitskräfte –bestimmt. Ein zentrales, herausragendes Spezifikum der EUTB-Angebote ist die Peer-Beratung, die als Beratungsform in der sonstigen Beratungslandschaft nur bei den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen in einem nennenswerten Umfang zu finden ist. Die Peer-Beratungskompetenz ist ein wichtiges Einstellungskriterium: Für über zwei Drittel der EUTB-Angebote ist die eigene Betroffenheit der Beratungskraft – als beeinträchtigter Mensch oder als angehörige Person – wichtig oder eher wichtig. Zudem werden die sozialen Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber als Einstellungskriterium noch höher gewertet als ihre fachlichen bzw. formalen Qualifikationen. Letztere sind nur für knapp die Hälfte der EUTB-Angebote wichtig. Die meisten nicht-EUTB-geförderten Beratungsangebote messen hingegen bei der Personalrekrutierung fachlichen bzw. formalen Qualifikationen eine ähnlich hohe Bedeutung zu wie sozialen Kompetenzen.

Strukturell bieten EUTB-Angebote und nicht-EUTB-geförderte Beratungsangebote gleichermaßen persönliche, telefonische sowie aufsuchende Beratung und Formen der Online-Beratung an. Die verschiedenen angebotenen Beratungsformen und deren Verbreitung bieten in der Gesamtschau ein beträchtliches Potenzial niedrigschwelliger Beratungsmöglichkeiten für Menschen mit (drohenden) Behinderungen und deren Angehörige.

V. Ausblick

Im zweiten Teil unseres Artikels werden weitere Ergebnisse zur Prozessqualität und der Ergebnisqualität vorgestellt und eine kurze Zwischenbilanzierung der bisherigen Evaluation gezogen.

Beitrag von  Andreas Heimer, Prognos AG; Jakob Maetzel, Prognos AG; Dr. Holger Schütz, Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas)

Fußnoten

[1] Verordnung zur Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTBV), Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 32, ausgegeben zu Bonn am 17. Juni 2021.

[2] Grundlage dafür bildet der Zwischenbericht 2021, der unter Evaluation der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung, Zwischenbericht 2021, zuletzt abgerufen am 16.07.2021, veröffentlicht ist. Die Begleitforschung wird durch einen Beirat aus Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Behindertenrats, von Verbänden der Leistungsträger und Leistungserbringer sowie der kommunal- und landespolitischen Ebenen beraten und unterstützt.

[3] Stellungnahme der Verbände zu den Reformvorschlägen der Bund-Länder-AG zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, 2017. Online unter https://www.dvfr.de/fileadmin/user_upload/DVfR/Downloads/Aktuelles/100917_Stellungnahme_der_Verb%C3%A4nde_EINGLIEDERUNGSHILFE.pdf; zuletzt abgerufen am 16.07.2021.

[4] BMAS (Hrsg., 2015): Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz, Abschlussbericht Teil A. Online unter https://www.gemeinsam-einfach-machen.de/SharedDocs/Downloads/DE/AS/BTHG/Abschlussbericht_A.pdf?__blob=publicationFile&v=6, zuletzt abgerufen am 16.07.2021.

[5] BMAS (2017): Förderrichtlinie zur Umsetzung der „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ für Menschen mit Behinderungen.

[6] https://www.teilhabeberatung.de/artikel/fachstelle-teilhabeberatung, zuletzt abgerufen am 16.07.2021.

[7] Ein Überblick über das Qualitätsmanagementhandbuch EUTB findet sich unter, Einführung QMH EUTB - Präsentation (teilhabeberatung.de), zuletzt abgerufen am 16.07.2021.


Stichwörter:

Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB), Peer Counseling, Qualitätsstandards, Qualitätskriterien, Qualifizierung, Selbstbestimmung, Beratung, Evaluation


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