I. Ausgestaltung des Budgets für Arbeit
1. Lohnkostenzuschuss
Das Budget für Arbeit sieht einen Lohnkostenzuschuss vor, der den „Unterschiedsbetrag zwischen dem tariflich oder ortsüblich gezahlten Arbeitsentgelt und dem der tatsächlichen Leistungsfähigkeit […] [des Budgetnehmers oder der Budgetnehmerin] entsprechenden Arbeitsentgelt“[1] ausgleichen soll. Berechnet wird der Lohnkostenzuschuss durch den Rehabilitationsträger, wobei die Grundlagen das vertraglich vereinbarte Entgelt, die Aussage des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin zur Leistungsfähigkeit eines vergleichbaren nicht-behinderten Arbeitnehmers oder einer nicht-behinderten Arbeitnehmerin sowie die Leistungsfähigkeit des Menschen mit Behinderungen sind (ebd.). Zu der arbeitgeberseitig angegebenen Leistungsfähigkeit eines vergleichbaren nicht-behinderten Arbeitnehmers oder einer nicht-behinderten Arbeitnehmerin ist dann die Leistungsfähigkeit der budgetnehmenden Person ins Verhältnis zu setzen, ggfs. durch entsprechende Begutachtung (ebd.). Die Grundlage zur Berechnung des Lohnkostenzuschusses setzt demnach eine Leistungsfähigkeit des Menschen mit Behinderungen voraus, was wiederum gegen die grundsätzliche Annahme einer vollen Erwerbsminderung spricht. Allerdings haben auch voll erwerbsgeminderte Personen noch ein Leistungsvermögen.
Die Begrenzung der Höhe des Lohnkostenzuschusses auf 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße wird vom Gesetzgeber damit begründet, dass der Lohnkostenzuschuss nicht höher sein soll als die Aufwendungen, die für den Leistungsträger bei Beschäftigung in einer WfbM entstehen.[2] Die festgeschriebene Koppelung des Lohnkostenzuschusses an diese Bezugsgröße wird von verschiedenen Seiten kritisiert. So fordert die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dass sich die Höhe des Budgets für Arbeit an der Minderleistung bzw. der Assistenz orientieren solle und nicht an den bisherigen Leistungen in der WfbM.[3] Vertreter der FDP argumentieren in ihrem Antrag zur Verbesserung der Beschäftigungssituation für Menschen mit Behinderungen, dass Leistungsberechtigte durch das Budget für Arbeit maximal das Mindestlohnniveau erreichen würden und dies „insbesondere den Menschen, deren Behinderung eine langjährige Erwerbsbiographie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorgelagert ist, nicht gerecht“[4] werde. Die Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben sprechen gar von einem „reinen Sparinstrument“[5], da die Eingliederungshilfeträger weniger als für einen Werkstattplatz zahlen und der Bund u. a. Grundsicherung spart[6]. Außerdem wird die Gruppe der Beschäftigten in den WfbM auf diese Weise nicht in ihrer Pluralität wahrgenommen. So würden in den WfbM auch Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen arbeiten, die teilweise sehr hoch qualifiziert seien und sich vor ihrer Erkrankung in hoch vergüteten Beschäftigungsverhältnissen befanden. Für die Arbeitgebenden dieser Personengruppe sei der Lohnkostenzuschuss wenig attraktiv, weshalb eine Erhöhung der Obergrenze von 40 auf 100 Prozent der monatlichen Bezugsgröße gefordert wird.[7] Die Lebenshilfe Braunschweig gGmbH argumentiert, dass die meisten Branchen nach Tarif zahlten oder mehr als den Mindestlohn, weshalb der Lohnkostenzuschuss auch aus diesem Grund keinen echten Anreiz biete.[8]
Der Caritasverband beklagt die Deckelung der Zuschusshöhe, da das Budget für Arbeit Arbeitsverhältnisse fördern solle, die mindestens auf dem Mindestlohnniveau sind.[9] Dabei dürfe sich ein inklusiver Arbeitsmarkt aus Sicht der LIGA-Verbände nicht an den Vorgaben des Mindestlohns orientieren. Sie machen darauf aufmerksam, dass Arbeitnehmende mit Behinderungen Niedriglohnempfängerinnen und -empfängern nicht gleichgestellt werden sollten. Der Gesetzesentwurf lasse eine solche Interpretation jedoch zu, da ihnen per se eine geringere Leistungsfähigkeit unterstellt werde.[10]
Ein rechtlicher Rahmen für die kritisierte Koppelung an die Bezugsgröße ist mit § 61 Abs. 2 S. 4 SGB IX gegeben: „Durch Landesrecht kann von dem Prozentsatz der Bezugsgröße […] nach oben abgewichen werden“. Diese Möglichkeit nutzen bisher insgesamt drei Bundesländer: In Bayern liegt der Prozentsatz der Bezugsgröße bei 48 %,[11] in Rheinland-Pfalz[12] und Bremen[13] bei 60 %.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen befürwortet die Höhe des Lohnkostenzuschusses und sieht in dieser keinen mangelnden Anreiz für Arbeitgebende. Sie begründet dies damit, dass bei den derzeitigen Lohnkostenzuschüssen an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die WfbM-Beschäftigten sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse anbieten, die Bemessungsgrenze ebenfalls bei 75 % des Arbeitgeberbruttos liege.[14] Die Bundesregierung verweist auch darauf, dass der Lohnkostenzuschuss in der Regel oberhalb des Mindestlohns liege und in der konkreten Höhe von der zu leistenden Arbeitszeit abhängig sei.[15]
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände macht in ihrer Stellungnahme deutlich, dass beim Budget für Arbeit für eine erfolgreiche Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine kontinuierliche und wenn nötig dauerhafte Begleitung durch Fachkräfte viel entscheidender sei als ein Ausgleich der Minderleistung.[16]
2. Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz
Neben dem Lohnkostenzuschuss sieht das Budget für Arbeit eine Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz vor. Unter anderem der Sozialreferent des Bayerischen Bezirks-tags kritisiert jedoch, dass das Budget für Arbeit und die damit verbundene Unterstüt-zung erst mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrags einsetzt, Akquise und Vorbereitung auf das Arbeitsverhältnis jedoch ungeregelt sind.[17] Dies sei vor allem bei Menschen mit Behinderungen der Fall, die nicht in einer WfbM arbeiten und keine Unterstützung erfahren. Problematisch sei in diesem Zusammenhang u. a. aus Sicht des Jenaer Zentrums für Selbstbestimmtes Leben, dass die Träger der Eingliederungshilfe keine Angebote machen müssten und sie keine Vermittlungsdienste für Arbeitgebende sind.[18] Diese Verpflichtung schließt § 61 Abs. 5 SGB IX aus: „Eine Verpflichtung des Leistungsträgers, Leistungen zur Beschäftigung bei privaten oder öffentlichen Arbeitgeber[Inne]n zu ermöglichen, besteht nicht.“ Hierin sieht die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e.V.[19] in ihrer Stellungnahme die strukturelle Verantwortungslosigkeit bei der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Regelung die Verpflichtung zur Ermöglichung einer Beschäftigung zwar ausschließt, die entsprechenden Leistungsträger nach § 14 SGB I zur Unterstützung jedoch verpflichtet sind. Des Weiteren ist fraglich, ob die Agentur für Arbeit, die zwar keine Leistungsträgerin für das Budget für Arbeit ist, nach § 29 ff. SGB III nicht trotzdem zur Beratung verpflichtet ist.
Dieser Themenkomplex stellt sich beim zukünftigen Budget für Ausbildung anders dar, bei dem nach § 61a Abs. 4 SGB IX der Leistungsträger die Betroffenen bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz unterstützen soll.[20] Deshalb fordert die ISL[21] den § 61 SGB IX in Anlehnung an das Budget für Ausbildung mit einer Verpflichtung der Leistungsträger zu ergänzen.
Auch die Berliner Senatsverwaltung sieht die große Herausforderung bei der Vermittlung von interessierten Arbeitgebenden und leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen.[22] In Berlin werden daher die Bildungsträger Wille gGmbH, FAW gGmbH und die BUS gGmbH gefördert, die Betriebe akquirieren und Leistungsberechtigte qualifizieren sollen. Außerdem sollen praxisnahe Konzepte zur Umsetzung des Budgets für Arbeit entwickelt und gefunden werden.[23]
Im Rahmen einer Fachtagung zum Budget für Arbeit, die vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und der LAG WfbM Niedersachsen ausgerichtet wurde, sprachen sich die Teilnehmenden für eine Verpflichtung der Leistungsträger aus, zumindest Leistungen zur Beschäftigung bei öffentlichen Arbeitgebenden zu ermöglichen.[24] In der Stellungnahme der BAG WfbM wird die Schlüsselrolle eines „gesonderten, von der Werkstattleistung unabhängigen Leistungstyp[s]“ bei der Anbahnung von Budgets für Arbeit hervorgehoben, die Erfahrungen und Netzwerke zu örtlichen Arbeitgebenden aufweisen würden.[25]
Liegt schließlich ein Arbeitsplatzangebot vor, gewährt § 61 Abs. 2 S. 1 SGB IX Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz. Dazu gehören z. B. die finanziellen Aufwendungen für eine Arbeitsassistenz oder einen Job Coach,[26] wobei eine Höchstgrenze für diese Leistungen vom Gesetz nicht vorgesehen ist[27]. Landesrechtlich wird von der eigentlich nicht vorgesehenen Höchstgrenze jedoch abgewichen (siehe weiter unten in diesem Abschnitt). Diese Anleitung kann von mehreren Leistungsberechtigten in Anspruch genommen werden, wobei Schaumberg[28] an dieser Stelle kritisch anmerkt, dass diese Regelung sprachlich etwas verunglückt ist, da dies im Umkehrschluss bedeutet, dass der Rehabilitationsträger das Recht hat, diese Leistung nur in Form einer gemeinschaftlichen Inanspruchnahme zu gewähren, damit der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin nur eine Ansprechperson für alle budgetierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat. Dem ist Gast-Schimank[29] zufolge zu entgegnen, dass eine gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen nur in Grenzen möglich ist. So heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 116 SGB IX vom 05.09.2016: „Das Recht zur gemeinsamen Inanspruchnahme kann nicht allein in das Ermessen des Leistungsträgers gestellt werden; vielmehr muss der Leistungsberechtigte auf Augenhöhe an der Entscheidung beteiligt werden. Daher muss die gemeinsame Inanspruchnahme von Fachleistungen für die Leistungsberechtigten zumutbar sein. […]“.[30] In diesem Zusammenhang mahnen die Werkstatträte Deutschland an, dass dieses sogenannte „Poolen“, also die gemeinschaftliche Inanspruchnahme der Anleitung und Begleitung, nur mit Zustimmung aller Leistungsberechtigten und in Ausnahmefällen erfolgen darf.[31] Auch die Diakonie Deutschland spricht sich für eine solche Zustimmung aus.[32]
Wer die Leistung zur Anleitung und Begleitung schließlich durchführen soll, wird viel diskutiert. Der Berliner Senat empfiehlt, dass mit dieser Leistung „die Integrationsfachdienste (IFD), insbesondere bei Leistungsberechtigten aus einer WfbM, de[r] Integrationsfachdienst ‚Übergang Werkstatt – Allgemeiner Arbeitsmarkt (IFD ÜWA)‘ zu beauftragen“ ist.[33] Da der IFD ÜWA jedoch in der Auflistung der Berliner IFDs nicht mehr auftaucht (LaGeSo), wurde beim LaGeSo bzgl. der Existenz des IFD ÜWA nachgefragt. Demnach existiert dieser IFD nicht mehr.
Die Tendenz, dass einige Länder diese Begleitung als vorrangige Aufgabe der Integrationsfachdienste sehen, wird von der BAG WfbM kritisch gesehen, da durch diese Engführung „ein Bruch jahrelang gewachsener Vertrauensverhältnisse“ entstehen würde, der den Übergang von der WfbM in ein Budget für Arbeit gefährden würde.[34] Des Weiteren sei ein solcher Ausschluss rechtswidrig und weder sachlich aus dem Gesetz ableitbar noch fachlich begründbar, wobei zusätzlich noch dem Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen zuwidergehandelt werden würde.[35] In der Gesetzesbegründung findet sich jedoch kein Hinweis auf einen Ausschluss der WfbM bei der Anleitung und Begleitung.[36] Des Weiteren findet sich in der Orientierungshilfe für die Umsetzung des Budgets für Arbeit der Hinweis, dass mit der Anleitung und Begleitung verschiedene Institutionen und Personen beauftragt werden können. Aufgelistet werden „der Arbeitgeber des Budgetempfängers, ein Integrationsfachdienst (IFD), ein anderer Dienstleister, oder eine sonstige geeignete Person“[37]. Der Diakonie Deutschland nach sollten die Leistungsberechtigten das Recht haben, den Leistungsanbieter auszuwählen.[38] Zu begrüßen seien „auf den Einzelfall passgenaue Unterstützungsarrangements“, bei denen Erfahrungen von Werkstattträgern berücksichtigt würden.[39] Der Caritasverband geht in seiner Einschätzung noch weiter und hält eine ausschließliche Beauftragung des Integrationsfachdienstes aufgrund häufig nicht ausreichender Kompetenzen für problematisch.[40] Aus ihren Erfahrungen heraus schildert die LAG WfbM Niedersachsen die Erwartungen an eine Begleitung: Sie solle bei schwierigen oder krisenhaften Entwicklungen eine „fachkompetente, umgehende und zuverlässige Unterstützung“[41] sein, damit das Arbeitsverhältnis funktioniert. Dabei müssten Schwierigkeiten bei der Einstellung und Haltung von nicht-behinderten Mitarbeitenden gegenüber Budgetnehmenden, die nun auf Augenhöhe mit ihren nicht-behinderten Kolleginnen und Kollegen arbeiten, ernst genommen werden[42]. Des Weiteren erwarteten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber umfassende Informationen und rechtliche Klarheit bei gesetzlichen Regelungen z. B. bezüglich der Formulierung von Arbeitsverträgen oder beim Thema Arbeitslosenversicherung, so die LAG WfbM Niedersachsen[43]. Auch vor dem Hintergrund des hohen Aufwands bei der Antragstellung für das Budget für Arbeit sei eine fachkompetente Unterstützung durch die WfbM nötig. In diesem Zusammenhang werden die langen Antrags- und Bearbeitungszeiten kritisiert, die zur Gefährdung oder sogar Vereitelung potenzieller Arbeitsverhältnisse im Budget für Arbeit führen können. Verfahren von über zwei bis drei Monaten würden bei Arbeitgebenden auf Unverständnis und Ablehnung stoßen. Gefordert wird eine Checkliste zum Abarbeiten einzelner Verfahrensschritte mit Aufgaben- und Rollenbeschreibungen.[44]
Für die Finanzierung der Anleitung und Begleitung kann neben der Eingliederungshilfe bzw. den anderen Trägern gem. § 185 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX auch das Integrationsamt mit herangezogen werden. Ist alleine die Eingliederungshilfe zuständig, weil keine Schwerbehinderung vorliegt, können unterschiedliche Dienste mit der Anleitung und Begleitung beauftragt werden, u. a. auch die Arbeitgebenden selbst.[45] Ist das Integrationsamt mit zuständig, sind finanzielle Leistungen auf die zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe beschränkt, die Beteiligung ist folglich immer abhängig von der Haushaltslage.[46] Die Diakonie Deutschland[47] empfiehlt hier, dass die Abstimmung über eine Ergänzung durch das Integrationsamt im Hintergrund mit dem Ziel erfolgen solle, die Leistungen wie aus einer Hand zu erbringen. Den Erfahrungen des Jenaer Zentrums für Selbstbestimmtes Leben nach sei dies in Thüringen eine Herausforderung, da die Integrationsämter nicht über genügend Mittel verfügten, weshalb dann die Eingliederungshilfe einspringt.[48] Dieser Umstand erschwere es als Unterstützer aktiv zu werden und Betriebe von einer Nutzung des Budgets für Arbeit zu überzeugen. Die Diakonie Deutschland[49] kritisiert die mangelnde Personenzentrierung, da für die Anleitung und Begleitung teilweise budgetierte Leistungen vorgesehen sind, diese jedoch keine Anpas-sung nach oben ermöglichen. So sieht die Senatsverwaltung (2017) in Berlin eine Vergütung für IFD vor, die sich nach den gemeinsamen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) richtet. Danach beträgt die Vergütung für die ersten sechs Monate 480 Euro monatlich und nach Ablauf des sechsten Monats 350 Euro monatlich. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berichtet als Arbeitgeberin, dass ein pauschaler Betrag für die Unterstützung am Arbeitsplatz in Höhe von 250 Euro pro Monat gezahlt wird, der jedoch nicht ausreicht.[50] Budgetierte Leistungen seien jedoch aus Sicht der Diakonie Deutschland[51] nicht ausreichend, weshalb sie „die Entwicklung einer bundesweiten Richtlinie zur Ausgestaltung dieser Leistungen“ fordert.
Daneben ist denkbar, dass das Budget für Arbeit in Form eines Persönlichen Budgets genutzt wird. Im Unterschied zum Budget für Arbeit sind die Leistungsberechtigten nicht an leistungserbringungsrechtliche Vorschriften gebunden.[52] Das Persönliche Budget ist nicht auf Leistungen zu Teilhabe am Arbeitsleben begrenzt, wohingegen das Budget für Arbeit als eigenständige Leistung zur Teilhabe diesen direkt zugeordnet ist. Dazu Welti[53]: „Das Budget für Arbeit ist eine eigenständige Sozialleistung, die das Persönliche Budget nicht ausschließt, aber dessen Bedingungen mitbestimmt, wenn es in ein Persönliches Budget einbezogen wird.“ Demnach müsste auch der Lohnkostenzuschuss im Rahmen des Persönlichen Budgets budgetfähig sein, bliebe jedoch zweckgebunden, was in der Zielvereinbarung festgeschrieben werden müsste. Schnittmengen sind aber auch etwa bei der Anleitung und Begleitung denkbar, denn nach Henschel[54] kann in diesem Zusammenhang „das Budget für Arbeit auch als Persönliches Budget beantragt werden“. Im Rundschreiben des Berliner Senats heißt es dazu: „Auf Antrag der Leistungsberechtigten kann auch eine Pauschale für die Anleitung und Begleitung als Persönliches Budget ausgezahlt werden. Die Pauschale beträgt in den ersten sechs Monaten alle zwei Monate bis zu 960 Euro und ab dem siebenten Monat alle zwei Monate bis zu 700 Euro“.[55]
II. Auswirkungen des Budgets für Arbeit auf die Rente
Besonders stark werden die Auswirkungen des Budgets für Arbeit auf die Rente diskutiert. Erfolgt ein Wechsel von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, sind die Rentenbeiträge abhängig vom tatsächlich erzielten Entgelt. Da davon ausgegangen wird, dass die Beiträge auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt niedriger sind als die von der WfbM veranschlagten 80 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV, wirkt sich dies oft nachteilig auf die Höhe der späteren Rente aus.[56] Zusätzlich kann auch die Erwerbsminderungsrente nach 20 Jahren gefährdet sein, wenn während der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine ununterbrochene volle Erwerbsminderung bis zum Rentenbeginn vorlag.[57] Um zu vermeiden, dass Versuche, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über das Budget für Arbeit Fuß zu fassen, aufgrund von Befürchtungen bei Renteneinbußen erst gar nicht unternommen werden, definiert die Deutsche Rentenversicherung den sogenannten „gescheiterten Eingliederungsversuch“ (§ 43 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB VI).[58] Dieser dient als Schutz und bietet die Möglichkeit, dass Rentenanwartschaften nach einem gescheiterten Versuch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wiederaufgenommen werden können und nicht verloren gehen.[59] Die volle Erwerbsminderung kann entfallen, wenn der Betroffene unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes beschäftigt ist[60]. Dazu schreiben Nebe & Waldenburger[61]: „Je länger die Beschäftigung andauert und je weniger Leistungen im Rahmen des Budgets für Arbeit erbracht werden, desto größer ist die Annäherung an die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und desto schwieriger wird es, weiterhin von einer vollen Erwerbsminderung auszugehen.“ Es handelt sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung. Ist die volle Erwerbsminderung verloren und scheitert dann das Arbeitsverhältnis, müssen die Anwartschaften erneut aufgebaut werden. Die Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales sieht in den möglichen Renteneinbußen einen Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme des Budgets für Arbeit und fordert eine Lösung dieses Problems auf Bundesebene.[62]
Eine Ausnahme bildet die Beschäftigung in einem Inklusionsbetrieb über das Budget für Arbeit. Die Besonderheit besteht in der Aufrechterhaltung des Rentenprivilegs, d. h. dass Budgetnehmerinnen und -nehmer in Inklusionsbetrieben WfbM-Beschäftigten nach § 162 Nr. 2a SGB VI gleichgestellt sind.[63] Nebe und Waldenburger[64] schildern in ihrem vom LVR Integrationsamt beauftragten Forschungsbericht zum Budget für Arbeit ausführlich die Auswirkungen des Budgets für Arbeit auf die Rente vor dem Hintergrund verschiedener Erwerbsverläufe.
Ein Integrationsassistent aus Mecklenburg-Vorpommern und auch weitere Bundesländer machen jedoch die Erfahrung, dass die Rentenfrage vor allem für jüngere WfbM-Beschäftigte eine geringe Rolle spielt, da sie es bevorzugen würden, aktuell mehr Geld zu verdienen als nach 20 Jahren Beschäftigung in einer WfbM eine gute Rente ausgezahlt zu bekommen,[65] zumal durch den ortsüblichen Lohn in der Regel auch eine auskömmliche Rente gezahlt werde.[66] Der LAG WfbM Niedersachsen nach ist die Aussicht auf ein höheres Entgelt für langjährige WfbM-Beschäftigte weniger entscheidend, weil „der Bezug von Rente (nach 20 Jahren) zusätzlich zum Arbeitsentgelt bei gleichzeitiger ‚Rundumversorgung‘ in der Werkstatt“ für diesen Personenkreis attraktiver ist.[67] Diese Einschätzung bestätigt sich in einer Analyse des Hamburger Budgets für Arbeit, die auch die Altersstruktur der vermittelten Teilnehmenden betrachtete: Die Dauer der Zugehörigkeit zur WfbM fiel kurz aus, denn knapp 80 % der Budgetnehmerinnen und -nehmer waren weniger als sechs Jahre in der WfbM beschäftigt.[68] Daraus wird die Schlussfolgerung gezogen, dass das Budget für Arbeit vor allem für WfbM-Beschäftigte mit einer eher kürzeren Werkstattzugehörigkeit bedeutend ist.[69]
Die LAG WfbM Niedersachsen hält in diesem Kontext eine Rentenberatung im Vorfeld des Budgets für Arbeit für geboten, um Klarheit zu schaffen und die Auswirkungen auf die Rente transparent darzulegen.[70] Laut Bundesregierung bestehe bisher keine Pflicht zur Rentenberatung und es gebe auch keine Angaben darüber, wie viele Leistungsberechtigte eine solche Beratung in Anspruch genommen haben.[71]
Des Weiteren fordern u. a. die Bundesvereinigung Lebenshilfe und die LAG WfbM Niedersachsen, dass das Budget für Arbeit rentenrechtlich dem WfbM-Arbeitsbereich gleichgestellt sein solle und beziehen sich dabei auf die Besonderheit beim Übergang in einen Inklusionsbetrieb nach § 215 SGB IX.[72] Auch die Werkstatträte Deutschland fordern, dass die Rentenansprüche der Budgetnehmerinnen und -nehmer denen der WfbM-Beschäftigten entsprechen und es möglich sein müsse, die Rentenansprüche aus der WfbM mitzunehmen.[73]
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände befürwortet hingegen, dass die rentenrechtliche „Begünstigung“ für Budgetnehmende nicht gilt und die Rentenbeiträge damit nicht auf der Basis von 80 % der Bezugsgröße errechnet werden.[74] Die rentenrechtliche Privilegierung in Inklusionsbetrieben lehnt die Bundesvereinigung ab.[75]
Auf die gesamte Lebensspanne betrachtet, soll das Budget für Arbeit in der Regel maximal bis zur Erreichung des erforderlichen Lebensalters für die Regelaltersrente geleistet werden, wobei die Bundesregierung im Einzelfall eine Weiterbeschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus für möglich hält.[76] Die Entscheidung über eine solche Ausnahme werde dem Kostenträger überlassen. Hier macht die BAGüS darauf aufmerksam, dass in diesem Fall ein Eingliederungshilfeanspruch bestehen muss, ebenso wie ein Einverständnis seitens des Arbeitgebenden.[77] Betont werden §§ 49 und 58 SG IX, nach denen der Erwerb von zusätzlichen bzw. höheren Rentenansprüchen nicht zur Aufgabe der Eingliederungshilfe gehört.[78]
III. Rückkehrrecht
Neben rentenrechtlichen Aspekten wird auch das Rückkehrrecht in die WfbM diskutiert. So haben BudgetnehmerInnen nach § 220 Abs. 3 SGB IX immer die Möglichkeit der Rückkehr in eine WfbM, wenn die Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit Unterstützung des Budgets für Arbeit nicht dauerhaft glückt. Die LAG WfbM Niedersachsen sieht darin eine Erleichterung für Leistungsberechtigte, das Budget für Arbeit in Anspruch zu nehmen.[79] Auch die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover begrüßt das Rückkehrrecht, weil dadurch die ununterbrochene volle Erwerbsminderung, die für den Rentenanspruch wichtig ist, nicht gefährdet wäre.[80] Mit dem Rückkehrrecht geht jedoch auch die Befreiung von der Arbeitslosenversicherung einher. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände befürwortet dies, da eine Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung zu problematischen „Drehtüreffekten“ führe.[81] Die Versicherungspflicht und der damit verbundene Arbeitslosengeld-I-Anspruch sollten erst bei Vorliegen der Erwerbsfähigkeit bestehen.[82]
Begründet wird die Befreiung von der Arbeitslosenversicherung mit der Minderung der Leistungsfähigkeit der BudgetnehmerInnen, der damit verbundenen dauernden Nicht-Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt sowie der vollen Erwerbsminderung.[83] Nebe und Schimank[84] sehen hierin einen Beleg für die völlige Inkohärenz zum Inklusionsauftrag, da Menschen mit und ohne Behinderungen von Arbeitsmarktschwankungen betroffen sein können, weshalb auch BudgetnehmerInnen „zur Risikoabsicherung Arbeitslosigkeit desselben Schutzes“[85] bedürfen. Wegen der fehlenden Arbeitslosenversicherung seien Budgetnehmende damit gezwungen, in eine WfbM zurückzukehren, weil aus dem Rückkehrrecht eine Rückkehrpflicht werde.[86] Die Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen sieht es als geboten an, Menschen mit Behinderungen im Sinne der Inklusion auch in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen und argumentiert mit damit verbundenen Leistungen wie z. B. zur beruflichen Weiterbildung, die bei laufenden Arbeitsverhältnissen in Anspruch genommen werden können.[87]
Die LAG WfbM Niedersachsen plädiert für ein Wahlrecht bzw. die Möglichkeit freiwillige Beiträge an die Arbeitslosenversicherung zu zahlen, damit die Betroffenen bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht sofort in die Grundsicherung zurückfallen, wenn das Rückkehrrecht nicht in Anspruch genommen wird.[88] Bemerkenswert ist, dass Baden-Württemberg als einziges Bundesland diesen Ausschluss aus der Arbeitslosenversicherung umgeht, zumindest für einen Großteil der Förderfälle.[89] Dies ist dank des seit Januar 2018 bestehenden Förderprogramms „Arbeit inklusiv“ möglich.[90] In der betrieblichen Praxis würden ArbeitgeberInnen die BudgetnehmerInnen regulär inklusive Arbeitslosenversicherung bei der Sozialversicherung anmelden so Strecker[91] und zitiert in diesem Zusammenhang Bethold Deusch, den Referatsleiter für Integrationsfachdienste und Arbeitsmarktprogramme beim Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS): „Sie sind ja gar nicht in der Lage festzustellen, wer unter Umständen von der Arbeitslosenversicherung befreit sein könnte“.[92]
Beitrag von Lea Mattern, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin
Fußnoten
Budget für Arbeit, Anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen, Eingliederungshilfe, Integrationsamt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Integrationsfachdienste (§ 109 SGB IX), Erwerbsminderung
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