05.06.2025 A: Sozialrecht Janßen: Beitrag A9-2025

Studieren mit Beeinträchtigungen – rechtssoziologische Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention – Teil II: Nachteilsausgleiche und Barrierefreiheit in der Lehre

Die Autorin Christina Janßen (Universität Kassel) stellt in diesem Beitrag wesentliche Erkenntnisse des Forschungsprojekts „ErfolgInklusiv“ vor. Das Forschungsprojekt verfolgte das Ziel, den Studienerfolg von Studierenden mit chronischen Krankheiten und Behinderungen am Beispiel der Universität Kassel zu untersuchen. Es analysierte die Wirksamkeit insbesondere von Nachteilsausgleichen, psychosozialer Beratung, Gesundheitsförderung, behinderungsbezogenen Sozialleistungen und sozialen Netzwerken von Studierenden auf den Studienerfolg bzw. Studienabbruch. Die Studie war im Mixed-Methods-Design angelegt und in drei Module unterteilt, die auf quantitativen und qualitativen empirischen Methoden der Sozialforschung sowie rechtswissenschaftlichen Methoden aufbauten.

Der vorliegende zweiten Teil des Beitrags widmet sich den Ergebnissen der empirischen Erhebungen des Projekts an der Universität Kassel. Dargestellt werden zunächst die Anspruchsgrundlagen von Nachteilsausgleichen. Dem wird die tatsächliche Beantragung von Nachteilsausgleichen gegenübergestellt. Anschließend werden die Gründe für die zurückhaltende Inanspruchnahme erläutert. Daraus werden Vorschläge für eine Verfahrensoptimierung sowie bessere Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen abgeleitet.

Nähre Informationen zum Projekt, den Ergebnissen und den Projektbeteiligten auf der Projektseite. Der Beitrag wurde bereits in ähnlicher Form als Policy-Paper veröffentlicht und ist ähnlich in der Zeitschrift „RP Reha – Recht und Praxis der Rehabilitation“ 1/2025 erschienen.

(Zitiervorschlag: Janßen: Studieren mit Beeinträchtigungen – rechtssoziologische Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention – Teil II: Nachteilsausgleiche und Barrierefreiheit in der Lehre; Beitrag A9-2025 unter www.reha-recht.de; 05.06.2025)

 

I. Einleitung

Der vorliegende Beitrag formuliert vor dem Hintergrund der Ergebnisse des Forschungsprojekts „ErfolgInklusiv - Studienerfolg bei Krankheit und Behinderung durch Nachteilsausgleich, Beratung, Gesundheitsförderung und Inklusion“ Vorschläge für hochschul-politische Handlungsstrategien zur Umsetzung der Rechte von Studierenden mit Beeinträchtigungen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Nachdem in ersten Teil des Beitrags der nationale und völkerrechtliche Rahmen für Barrierefreiheit und Teilhabeleistungen an Hochschulen skizziert wurde, widmet sich der vorliegende zweite Teil vorwiegend den Ergebnissen des Projekts an der Universität Kassel. Dargestellt werden die rechtlichen Anspruchsgrundlagen von Nachteilsausgleichen, wobei sich die landesrechtlichen Ausführungen bedingt durch die Ausrichtung des Forschungsprojekts auf Hessen beziehen. Dem wird die tatsächliche Beantragung von Nachteilsausgleichen an der Universität Kassel gegenübergestellt. Anschließend werden die Gründe für die zurückhaltende Inanspruchnahme erläutert. Daraus werden Vorschläge für eine Verfahrensoptimierung sowie bessere Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen in der Lehre abgeleitet, die auch über die Universität Kassel hinaus Gültigkeit haben können.

II. Nachteilsausgleiche – Anspruch und Wirklichkeit

Der Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleiche in Prüfungen als angemessene Vorkehrungen ergibt sich bereits unmittelbar aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, Art. 5 Abs. 2 UN-BRK sowie Art. 14 EMRK i. V. m. Art.  1. ZP-EMRK (Frage des „Ob“).[1] Voraussetzung ist, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegt, die in Wechselwirkung mit den Prüfungsbedingungen zu einer mittelbaren Benachteiligung führen würde. Zusätzlich darf der Prüfungszweck der Gewährung eines Nachteilsausgleichs nicht zwingend entgegenstehen.[2] Der Prüfungszweck ergibt sich in der Regel aus der jeweiligen Prüfungsordnung, bei modularisierten Studiengängen i. V. m. der Modulbeschreibung.[3] Der Anspruch auf Nachteilsausgleich umfasst die hinlängliche Kompensation eines beeinträchtigungsbedingten Nachteils. Die konkrete Ausgestaltung des Nachteilsausgleichs im Einzelfall (Frage des „Wie“) steht im pflichtgemäßen Ermessen der für die Prüfung verantwortlichen Stelle, d. h. im Regelfall des Prüfungsausschusses.[4]

Konkrete Vorgaben hinsichtlich des Anspruchs auf Nachteilsausgleiche müssen gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 HessHG die jeweiligen Prüfungsordnungen vorhalten. Teilweise haben die Hochschulen auch übergeordnete Regelungen bzw. allgemeine Bestimmungen für alle Bachelor- und Masterstudiengänge erlassen.[5] Für Studiengänge, die mit Staatsexamina abschließen, gelten gesonderte Regelungen. Für die Ausbildung von Lehrkräften sind neben dem Hochschulgesetz das Hessische Lehrkräftebildungsgesetz (HLbG) sowie die Verordnung zur Durchführung des Hessischen Lehrkräftebildungsgesetzes (HLbGDV) einschlägig. Für die Zulassung zum Arztberuf gilt die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO)[6], für juristische Staatsexamina gelten die Vorschriften für juristische Staatsprüfungen (in Hessen das Gesetz über die juristische Ausbildung, Juristenausbildungsgesetz, JAG[7]). Diese beinhalten jedoch nicht alle Regelungen zu Nachteilsausgleichen (z. B. HessJAG, NJAG). Teilweise wird der Anspruch auf Nachteilsausgleiche in den Vorschriften für juristische Prüfungen dort auch lediglich auf körperliche Beeinträchtigungen verengt (§ 5 S. 1 JAPrVO LSA[8]). Dies darf sich jedoch schon aufgrund der Tatsache, dass bereits Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG im Lichte der UN-BRK ganz unabhängig von der Art der Beeinträchtigung einen Anspruch auf Nachteilsaugleiche vorsieht, nicht negativ auf die Studierenden auswirken.[9]

Übereinstimmend mit den Ergebnissen der best3-Studie lässt sich an der Universität Kassel eine Diskrepanz zwischen dem Bedarf an Nachteilsausgleichen und deren tatsächlicher Inanspruchnahme feststellen.[10] Während gut zwei Drittel der Studierenden mit einer amtlich anerkannten Behinderung[11] und mehr als ein Drittel der Studierenden mit chronischen Erkrankungen angab, sich stark oder sogar sehr stark im Studium eingeschränkt zu fühlen, beantragten nur 32 Prozent der Studierenden mit anerkannter Behinderung und 8 Prozent der Studierenden mit chronischen Erkrankungen Nachteils-ausgleiche.[12] Somit zeigt sich zusätzlich ein signifikanter Unterschied zwischen diesen beiden Kohorten. Weitere Unterschiede zeigen sich auch laut best3-Studie zwischen Studierenden mit sichtbaren und nicht sichtbaren Beeinträchtigungen. Letztere beantragen deutlich seltener Nachteilsausgleiche als die erste Gruppe.[13]

1. Gründe für die Nichtbeantragung von Nachteilsausgleichen

Um die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen durch die Studierenden zu fördern und entsprechende Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten, müssen zunächst die Gründe für die Nichtbeantragung beleuchtet werden.[14]

Häufig führen schlicht Informationsdefizite dazu, dass Studierende von der Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs keinen Gebrauch machen. So gaben in der Studierendenbefragung an der Universität Kassel immerhin 24,2 Prozent derjenigen Befragten, die trotz Einschränkungen im Studium keine Nachteilsausgleiche beantragten, an, ihnen sei die Möglichkeit nicht bekannt gewesen. 33,6 Prozent der Studierenden waren sich unsicher, ob sie einen Anspruch haben. Zudem beantragten manche Studierende keine Nachteilsausgleiche, weil sie nicht wussten, an welche Stelle sie sich hierfür wenden können.[15] Somit ist es wichtig, die Studierenden noch besser über die Möglichkeit des Nachteilsausgleichs und die zuständigen Stellen zu informieren. Bereits in den Einführungsveranstaltungen der jeweiligen Studiengänge sollte auf die Möglichkeit des Nachteils-ausgleichs aufmerksam gemacht werden. Dort sollten auch die Beratungsangebote in Bezug auf das Thema Studieren mit Beeinträchtigungen beworben werden. Da laut best3-Studie 21,1 Prozent der Beeinträchtigungen erst während des Studiums auftreten,[16] ist die Vermittlung von Informationen in Bezug auf Nachteilsausgleiche aber auch über die Einführungsphasen hinaus erforderlich. Ergänzend sollten auch die Informationen auf den Homepages der Fachbereiche bei Bedarf ausgebaut werden.

Ein weiterer entscheidender Faktor für Nichtbeantragung von Nachteilsausgleichen ist die eigene und externe Wahrnehmung von deren Legitimität. 25,9 Prozent der Studierenden gaben in der Studierendenbefragung als Grund für die Nichtbeantragung von Nachteilsausgleichen an, keine Sonderbehandlung zu wollen.[17] In der best3-Studie gaben dies sogar 41,8 Prozent der befragten Studierenden an.[18] Diese defensive Haltung könnte auch auf Unverständnis und Diskriminierungserfahrungen zurückzuführen sein, mit denen gerade Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen im Alltag oft konfrontiert werden.[19] Symptome wie Müdigkeit, Erschöpfung, Sonnenempfindlichkeit oder Schmerzen, die mit bestimmten Erkrankungen wie Rheuma, Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) oder Multipler Sklerose einhergehen, werden von Außenstehenden teilweise mit „normalen Befindlichkeitsstörungen“ in Verbindung gebracht.[20] Gerade die Studierenden, denen man ihre Beeinträchtigung nicht auf den ersten Blick ansieht, können so unter Druck geraten, ihren Anspruch immer wieder rechtfertigen zu müssen.[21] Die persönliche Überzeugung über die Legitimität des Nachteilsausgleichs ist entscheidend für die Herausbildung eines Anspruchswissens, das von der Rechtssoziologie als ein entscheidender Faktor für die Mobilisierung, d. h. für die Geltendmachung und Durchsetzung von Rechten, ausgemacht worden ist. Beim Anspruchswissen, das oft ausschlaggebend für die Inanspruchnahme eines Rechts ist, handelt es sich um „[…] die subjektive Überzeugung, eigene durchsetzbare Rechte zu ‚haben‘, Recht also in Anspruch nehmen zu können.“[22] Anspruchswissen ist insofern mehr als nur theoretisches Wissen über Rechtsansprüche. Somit zeigt sich, dass mehr sachliche Informationen zu Nachteilsausgleichen für sich genommen noch nicht ausreichen, sondern, dass vielmehr auch ein Empowerment der Studierenden erforderlich ist, damit diese für ihre Rechte einstehen können. Neben der Beratung können dabei auch die sozialen Netzwerke der Studierenden eine zentrale Rolle spielen.[23] Darüber hinaus ist es sehr wichtig, sowohl Lehrende als auch Studierende für Beeinträchtigungen und ihre möglichen Auswirkungen im Studium zu sensibilisieren und Stigmatisierungen entgegenzuwirken. Stigmatisierende Tendenzen sind auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Nachteilsausgleichen noch erkennbar.[24] Hier wird teilweise auf das sogenannte „persönlichkeitsbedingte Dauerleiden“ rekurriert, welches das Leistungsbild präge, daher keinem Nachteilsausgleich zugänglich und dementsprechend nicht ausgleichsfähig sei.[25] Der Begriff des „Dauerleidens“ wurde bereits in den 1960er- und 1980er-Jahren durch die Rechtsprechung des BVerwG geprägt.[26] Mit Bezug darauf wurden aber auch noch in der jüngeren Vergangenheit Nachteilsausgleiche bei Studierenden mit psychischen Beeinträchtigungen oder inneren „unsichtbaren“ Erkrankungen abgelehnt.[27]

Weitere Faktoren, die Studierende an der Beantragung von Nachteilsausgleichen hindern, sind bürokratische Hürden sowie hohe materielle und nichtmaterielle Rechtsmobilisierungskosten.[28] In den Interviews mit Studierenden (Modul 2) wurde beispielsweise von Herausforderungen im Zusammenhang mit der Beschaffung geeigneter Nachweise über die Beeinträchtigung berichtet. So wurden von der Prüfungsverwaltung etwa Atteste von Spezialistinnen oder Spezialisten für bestimmte Indikationen gefordert und die Studierenden mussten z. T. selbst finanziell dafür aufkommen.[29] Es ist vor dem Hintergrund des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit auf der einen Seite nachvollziehbar, dass aussagekräftige Nachweise über die Beeinträchtigung und deren Auswirkungen im Studium verlangt werden. Auf der anderen Seite ist aber auch zu bedenken, dass es gerade aufgrund des Fachärztemangels[30] und der langen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz zu Terminverzögerungen kommen kann, was wiederum nicht zu Nachteilen für die Studierenden führen darf. Wichtig ist daher, dass zumindest übergangsweise auch andere Nachweise, z. B. vom Hausarzt oder der Hausärztin sowie auch von der psychosozialen Beratungsstelle akzeptiert werden.

2. Vorschläge zur Verfahrensoptimierung

Die Forschungsergebnisse im Projekt ErfolgInklusiv haben auch Optimierungsbedarfe im Antragsverfahren offenbart. Beschäftigte der Prüfungsverwaltung wünschen sich beispielsweise mehr Dokumentation in ihren Fachbereichen, insbesondere um die Fairness gegenüber den Studierenden zu gewährleisten, wie die Interviews mit Prüfungsausschussvorsitzenden und Mitarbeitenden der Prüfungsverwaltung (Modul 3) gezeigt haben. Darüber hinaus wünschen sich die für die Entscheidung über Nachteilsausgleiche verantwortlichen Personen Entscheidungshilfen wie z. B. Leitlinien. Solche Leitlinien könnten beispielsweise im Rahmen der Hochschulrektorenkonferenz erarbeitet werden.

An der Universität Kassel wird die Entscheidung über Anträge auf Nachteilsausgleiche von den jeweils zuständigen Prüfungsausschüssen getroffen.[31] Die Entscheidungsstrukturen sind damit dezentral organisiert. Dies bedeutet wiederum, dass die Anträge der Studierenden unter Umständen von Professorinnen und Professoren und anderen Lehrenden bearbeitet werden, bei denen die Studierenden auch ihre Studien- und Prüfungsleistungen ablegen müssen und von deren Benotung ihr Fortkommen im Studium abhängig ist. Dieses Abhängigkeitsverhältnis kann ebenfalls dazu führen, dass Studierende von der Beantragung eines Nachteilsausgleichs absehen. Nach rechtssoziologischer Erkenntnis wird die Thematisierung von Recht in fortbestehenden Sozialbeziehungen, insbesondere, wenn Abhängigkeiten bestehen, weniger wahrscheinlich.[32] Es ist somit zu überlegen, die Entscheidung über Nachteilsausgleiche auf eine zentrale Stelle an der Universität zu verlagern, um die Effekte von Abhängigkeitsverhältnissen einzudämmen. Ggf. lohnt es sich, diesbezüglich mit anderen Hochschulen in den Erfahrungsaustausch zu gehen, die bereits über zentralisierte Zuständigkeiten verfügen.

III. Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen auch in der Lehre verankern

Die Interviews mit Studierenden im Projekt ErfolgInklusiv haben gezeigt, dass Nachteilsausgleiche in Prüfungssituationen nicht bei allen Studierenden zu einer hinlänglichen Kompensation von behinderungsbedingten Nachteilen führen.[33] Vor allem Studierende mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen, die nicht konstant, sondern schubweise auftreten, bewerten Nachteilsausgleiche in Prüfungen nicht als hilfreich, insbesondere, wenn vor den Prüfungen keine hinreichende Teilnahme an den jeweiligen Seminaren oder Vorlesungen möglich war.[34] Damit Studierende mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen gleichberechtigt an den Lehrveranstaltungen teilhaben können, sind diese von vornherein barrierefrei zu gestalten. Hierfür müssen Standards entwickelt werden, die sich an den unterschiedlichen Bedarfen orientieren. Dabei kann das Konzept des Universal Design for Learning (UDL) dienlich sein.[35] Lehrende sind bei der Erstellung barrierefreier Studienmaterialien zu unterstützen. Nur, wenn eine barrierefreie Gestaltung nicht möglich ist und im Einzelfall die gleichberechtigte Teilhabe an Lehrveranstaltungen und Prüfungen nicht gewährleistet werden kann, sind angemessene Vorkehrungen zu gewähren (z. B. durch die Ermöglichung einer digitalen Seminarteilnahme). Auf angemessene Vorkehrungen haben Studierende bereits gemäß Art. 5 Abs. 2 UN-BRK und Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG einen grundsätzlich einklagbaren Anspruch. Die barrierefreie Gestaltung ist als „Prävention“ von Teilhabeeinschränkungen jedoch immer vorrangig.[36] Dennoch dominieren die angemessenen Vorkehrungen noch in vielen Bereichen an den Hochschulen.[37]

Neben Schwierigkeiten bei der Studienorganisation und in Lehrveranstaltungen sowie bei Prüfungen nehmen Studierende mit Beeinträchtigungen besonders häufig Barrieren im sozialen Miteinander als studienerschwerend wahr.[38] Besonders ausgeprägt sind die sozialen Barrieren bei den Studierenden mit Hörbeeinträchtigungen, psychischen Beeinträchtigungen und mit Sehbeeinträchtigungen.[39] Barrierefreiheit ist in einem umfassenden Sinne zu verstehen (s. o.). Die Hochschulen sind somit dazu verpflichtet, entsprechende Strategien zum Abbau sozialer Barrieren zu entwickeln. Auch die an der Universität Kassel und beim Studierendenwerk angesiedelten Akteure in der Beratung sprechen sich für eine bessere Vernetzung der Studierenden untereinander aus.[40] Dies könnte z. B. durch Peer-Angebote erreicht werden. Daneben bestehende Barrieren im baulichen und digitalen Bereich[41] sind weiterhin abzubauen.

Literaturverzeichnis

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Biewer, Gottfried, Universal Design for Learning (UDL) als Entwicklungsperspektive für einen inklusiven Unterricht, in: Frohn, Julia/Bengel, Angelika/Piezunka, Anne/Simon, Toni/Dietze, Torsten (Hrsg.), Inklusionsorientierte Schulentwicklung. Interdisziplinäre Rückblicke, Einblicke und Ausblicke, S. 221–230, https://www.pedocs.de/frontdoor.php?source_opus=26229, zuletzt abgerufen am 05.06.2025.

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Ennuschat, Jörg, Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen – Prüfungsrechtliche Bausteine einer inklusiven Hochschule, Rechtsgutachten im Auftrag des Deutschen Studentenwerkes, 2019, https://www.studierendenwerke.de/fileadmin/api/files/2019-10-14_gutachten-nachteilsausgleiche-ennuschat-2019.pdf, zuletzt abgerufen am 05.06.2025.

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Steinkühler, Julia/Beuße Mareike/Kroher Martina/Gerdes Frederike/Schwabe Ulrike/Koopmann Jonas/Becker, Karsten/Völk, Daniel/Schommer, Theresa/Ehrhardt, Marie-Christin/Isleib, Sören/Buchholz, Sandra, Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3. Studieren mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Studie im Auftrag des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW), Hannover 2023, https://www.studierendenwerke.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/beeintraechtigt_studieren_2021.pdf, zuletzt abgerufen am 05.06.2025.

Tillmann, Carolin, Unverständnis – Vorurteile – Diskriminierung. Psychosoziale Auswirkungen seltener chronischer Krankheit, Forum sozialarbeit + gesundheit 2017, S. 11–15.

Welti, Felix, Sozialrecht und die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, SGb 2024, S. 389–394.

Beitrag von Christina Janßen, LL.M, Universität Kassel

Fußnoten

[1] Ennuschat, Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen – Prüfungsrechtliche Bausteine einer inklusiven Hochschule, S. 36, 45, 61; ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsgerichte den verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Nachteilsausgleiche noch überwiegend auf den allgemeingültigen prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 (i.V.m. Art. 12 Abs. 1) GG stützen, siehe dazu: Hövelmann, RdJB 2023, S. 128 (136).

[2] Ennuschat, Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen – Prüfungsrechtliche Bausteine einer inklusiven Hochschule, S. 99 ff.; Hövelmann, RdJB 2023, S. 128 (134 ff.).

[3] Ennuschat, Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen – Prüfungsrechtliche Bausteine einer inklusiven Hochschule, S. 100; Hövelmann, RdJB 2023, S. 128 (135).

[4] Ennuschat, Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen – Prüfungsrechtliche Bausteine einer inklusiven Hochschule, S. 36, 61.

[5] S. z. B. Allgemeine Bestimmungen für Fachprüfungsordnungen mit den Abschlüssen Bachelor und Master an der Universität Kassel (AB Bachelor/ Master) vom 09. Juni 2021, Mitteilungsblatt UKs Nr. 14/2021, zuletzt geändert durch die Zweite Ordnung zur Änderung der Allgemeinen Bestimmungen für Fachprüfungsordnungen mit dem Abschlüssen Bachelor und Master an der Universität Kassel vom 08. Juni 2022, Mitteilungsblatt UKs Nr. 9/2022 vom 19.08.2022 627.

[6] Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002, BGBl. I, S. 2405, zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 22. September 2021, BGBl. I, S. 4335.

[7] Vom 15.03.2004, GVBl., S. 158, zuletzt geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom 14.12.2021, GVBl., S. 931, 987.

[8] „Bei Behinderungen oder körperlichen Beeinträchtigungen eines Prüflings, die die Leistungsfähigkeit, insbesondere die Schreibfähigkeit, beeinträchtigen, soll das Landesjustizprüfungsamt auf schriftlichen Antrag die Bearbeitungszeit verlängern, Ruhepausen gewähren, die nicht auf die Bearbeitungszeit angerechnet werden oder persönliche oder sächliche Hilfsmittel zulassen oder andere der Art der Beeinträchtigung angemessene Erleichterungen gewähren.“

[9] Hövelmann, RdJB 2023, S. S. 128 (134).

[10] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4/2022, S. 46 (51); Steinkühler et al., Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 123.

[11] Studierende, bei denen das Versorgungsamt auf Antrag einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 20 festgestellt hat; siehe hierzu: Welti, in: Deinert et al., SWK Behindertenrecht, Behinderung, Rn. 23 ff.

[12] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4.2022, S. 46 (48; 50 f.).

[13] Steinkühler et al., Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 120.

[14] Siehe zu den Ausführungen in diesem Abschnitt auch: Janßen/Welti, RdJB 2025 (im Erscheinen).

[15] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4/2022, S. 46 (51); Hollederer, A.; Römhild, A.; Arnold, J., ErfolgInklusiv: Bericht aus der Forschung zu Behinderung und Studium an der Universität Kassel. Vortrag für den FoSS Forschungsverbund an der Universität Kassel am 03.05.2023.

[16] Steinkühler et al., Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 24.

[17] Hollederer, A.; Römhild, A.; Arnold, J., ErfolgInklusiv: Bericht aus der Forschung zu Behinderung und Studium an der Universität Kassel. Vortrag für den FoSS Forschungsverbund an der Universität Kassel am 03.05.2023

[18] Steinkühler et al., Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 123.

[19] Tillmann, Forum sozialarbeit + gesundheit 4.2017, S. 11 (12 ff.).

[20] Ebd.

[21] Vgl. Moriña, Disability & Society 2024, S. 914 (921 f.).

[22] Baer, Rechtssoziologie, § 7, Rn. 10.

[23] A. a. O., Rn. 33 ff.; Rambausek, Behinderte Rechtsmobilisierung - Eine rechtssoziologische Untersuchung zur Umsetzung von Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention, S. 145 f.

[24] Janßen, Nachteilsausgleiche für hörbeeinträchtigte Studierende in Prüfungen des Medizinstudiums – Anmerkung zum Urteil des VG Berlin vom 26. Januar 2022, 12 K 157.19, Beitrag A8-2023 unter www.reha-recht.de, S. 5.

[25] OVG NRW, Urt. v. 07.11.2019, 14 A 2071/16, juris-Rn. 49 ff.; OVG Nds., Beschl. v. 22.06.2021, 2 LA 461/20, juris-Rn. 15; VG Freiburg, Beschl. v. 30.08.2007, 2 K 1667/07, juris-Rn. 8 f.; VG Arnsberg, Beschl. v. 19.09.2014, 9 L 899/14, juris-Rn. 32 ff.; VG Würzburg, Urt. v. 29.11.2017, W 2 K 16.284, juris-Rn. 34.

[26] BVerwG, Beschl. v. 06.08.1968, VII B 23.68, juris-Rn. 4; BVerwG, Beschl. v. 13.12.1985, 7 B 210/85, juris-Rn. 6 f.

[27] S. z.B. OVG Nds., Beschl. v. 24.06.2019, 2 ME 570/19, juris-Rn. 15 f. (ADHS); Janßen, Nachteilsausgleiche für hörbeeinträchtigte Studierende in Prüfungen des Medizinstudiums – Anmerkung zum Urteil des VG Berlin vom 26. Januar 2022, 12 K 157.19, Beitrag A8-2023 unter www.reha-recht.de, S. 6; Hövelmann, RdJB 2023, S. 128 (136 f.), jew. m. W. n.

[28] Moriña, Disability & Society 2024, S. 914, S. 924.

[29] Angerhausen/Langfeldt, Public Health Forum 2024, S. 156 (157).

[30] KBV, https://www.kbv.de/html/themen_1076.php, zuletzt abgerufen am 05.06.2025.

[31] § 11 Abs. 7 Allgemeine Bestimmungen für Fachprüfungsordnungen mit den Abschlüssen Bachelor und Master an der Universität Kassel (AB Bachelor/ Master) vom 09. Juni 2021, Mitteilungsblatt UKs Nr. 14/2021, zuletzt geändert durch die Zweite Ordnung zur Änderung der Allgemeinen Bestimmungen für Fachprüfungsordnungen mit dem Abschlüssen Bachelor und Master an der Universität Kassel vom 08. Juni 2022, Mitteilungsblatt UKs Nr. 9/2022 vom 19.08.2022 627.

[32] Blankenburg, Zeitschrift für Rechtssoziologie 1980, S. 33 (38 ff.); Janßen/Welti, Public Health Forum 2024, S. 153 (154).

[33] Angerhausen/Langfeldt, Public Health Forum 2024, S. 156 (157).

[34] Ebd.

[35] Vertiefend zum UDL: Biewer, in: Frohn et al. (Hrsg.), Inklusionsorientierte Schulentwicklung. Interdisziplinäre Rückblicke, Einblicke und Ausblicke, S. 221–230; Hochschulforum Digitalisierung, https://hochschulforumdigitalisierung.de/universal-design-in-der-digitalen-bildung/, zuletzt abgerufen am 05.06.2025.

[36] Welti, SGb 2024, S. 389 (391).

[37] Gattermann-Kasper/Schütt, RdJB 2022, S. 92 (98 ff.).

[38] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4.2022, S. 46 (48).

[39] A. a. O., S. 51.

[40] Arnold/Hollederer, Public Health Forum 2023, S. 196 (199).

[41] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4/2022, S. 46 (48).


Stichwörter:

Studieren mit Behinderung, Studium, Nachteilsausgleich, Barrierefreiheit, UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), Chancengleiche Teilhabe an Hochschulbildung, Beratung


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