11.06.2025 A: Sozialrecht Janßen: Beitrag A10-2025

Studieren mit Beeinträchtigungen – rechtssoziologische Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention – Teil III: Zuständigkeiten, Studienfinanzierung und Unterstützungsmaßnahmen

Die Autorin Christina Janßen (Universität Kassel) stellt in diesem Beitrag wesentliche Erkenntnisse des Forschungsprojekts „ErfolgInklusiv“ vor. Das Forschungsprojekt verfolgte das Ziel, den Studienerfolg von Studierenden mit chronischen Krankheiten und Behinderungen am Beispiel der Universität Kassel zu untersuchen. Es analysierte die Wirksamkeit insbesondere von Nachteilsausgleichen, psychosozialer Beratung, Gesundheitsförderung, behinderungsbezogenen Sozialleistungen und sozialen Netzwerken von Studierenden auf den Studienerfolg bzw. Studienabbruch. Die Studie war im Mixed-Methods-Design angelegt und in drei Module unterteilt, die auf quantitativen und qualitativen empirischen Methoden der Sozialforschung sowie rechtswissenschaftlichen Methoden aufbauten.

Der vorliegende dritte Teil thematisiert die Zuständigkeit für Teilhabeleistungen im Studium und plädiert für eine gesetzliche Klarstellung, die die grundsätzliche Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor den Trägern der Eingliederungshilfe unterstreicht. Dargestellt wird auch die Möglichkeit, neben der Studienfinanzierung durch BAföG-Leistungen behinderungsbedingte Mehrbedarfe durch SGB II-Leistungen zu decken, wobei auch hier Reformbedarf festgestellt wird. Als ausbaufähig wird auch der Bekanntheitsgrad spezieller Beratungsangebote für Studierende mit Behinderungen erkannt. Schließlich wird der Aufbau eines studentischen Gesundheitsmanagements als ein Vorschlag präsentiert, leistungsmindernden Gesundheitseinschränkungen von Studierenden entgegenzuwirken und Studierende mit bereits bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen besser zu unterstützen. Der Beitrag schließt mit einem Fazit.

Nähre Informationen zum Projekt, den Ergebnissen und den Projektbeteiligten auf der Projektseite. Der Beitrag wurde bereits in ähnlicher Form als Policy-Paper veröffentlicht und ist ähnlich in der Zeitschrift „RP Reha – Recht und Praxis der Rehabilitation“ 1/2025 erschienen.

(Zitiervorschlag: Janßen: Studieren mit Beeinträchtigungen – rechtssoziologische Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention – Teil III: Zuständigkeiten, Studienfinanzierung und Unterstützungsmaßnahmen; Beitrag A10-2025 unter www.reha-recht.de; 11.06.2025)

I. Einleitung

Der vorliegende Beitrag formuliert vor dem Hintergrund der Ergebnisse des Forschungsprojekts „ErfolgInklusiv – Studienerfolg bei Krankheit und Behinderung durch Nachteils-ausgleich, Beratung, Gesundheitsförderung und Inklusion“ Vorschläge für hochschulpolitische Handlungsstrategien zur Umsetzung der Rechte von Studierenden mit Beeinträchtigungen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention. Nachdem im ersten Teil des Beitrags der nationale und völkerrechtliche Rahmen für Barrierefreiheit und Teilhabeleistungen an Hochschulen skizziert wurde und im zweiten Teil die tatsächliche Nutzung von Nachteilsausgleichen verbunden mit Verbesserungsvorschlägen dargestellt wurden, thematisiert dieser letzte Teil des Beitrags die Zuständigkeit für Teilhabeleistungen im Studium und plädiert für eine gesetzliche Klarstellung, die die grundsätzliche Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor den Trägern der Eingliederungshilfe unterstreicht. Dargestellt wird auch die Möglichkeit, neben der Studienfinanzierung durch BAföG-Leistungen behinderungsbedingte Mehrbedarfe durch SGB-II-Leistungen zu decken, wobei auch hier Reformbedarf festgestellt wird. Als ausbaufähig wird auch der Bekanntheitsgrad spezieller Beratungsangebote für Studierende mit Behinderungen erkannt. Schließlich wird der Aufbau eines studentischen Gesundheitsmanagements als ein Vorschlag präsentiert, leistungsmindernden Gesundheitseinschränkungen von Studierenden entgegenzuwirken und Studierende mit bereits bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen besser zu unterstützen. Der Beitrag schließt mit einem Fazit, in dem die wichtigsten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen zusammengefasst werden.

II. Gesetzliche Klarstellung bzgl. der Zuständigkeit für Teilhabeleistungen im Studium

Studierende mit Beeinträchtigungen können nach dem SGB IX und den Leistungsgesetzen Anspruch auf verschiedene Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe haben.[1] Hiermit können zum einen studienbezogene Bedarfe abgedeckt werden, wie durch die Leistungen zur Teilhabe an Bildung. Zum anderen kann aber auch ein Anspruch auf flankierende Leistungen wie z. B. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bestehen.

In der Studierendenbefragung an der Universität Kassel hat nur ein geringer Anteil der Studierenden auf die Fragen zur Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen geantwortet und auch abgesehen davon gibt es kaum Forschungsdaten zur Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen im Studium.

Aus der Praxis von Behindertenbeauftragten und Beratung wurde mit Blick auf die Beantragung von Teilhabeleistungen im Studium von lang andauernden Verwaltungsverfahren und Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Trägern der Eingliederungshilfe und der Bundesagentur für Arbeit (BA) berichtet. Diese Zuständigkeitsstreitigkeiten werden auch durch einige Gerichtsverfahren aus der jüngeren Vergangenheit veranschaulicht.[2] Bereits 2016 hat das BSG in zwei Verfahren entschieden, dass die BA grundsätzlich vorrangig gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe für die Erbringung von Teilhabeleistungen im Studium zuständig ist, wenn eine endgültige Eingliederung in den Arbeitsmarkt noch nicht erreicht wurde.[3] Bei den Assistenzleistungen im Studium handelt es sich systematisch um einen „nicht näher konkretisierten Fall der sonstigen Hilfe zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben“ gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX.[4] Vor Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes (BTHG)[5] waren die Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB XII a. F. im Recht der Eingliederungshilfe grundsätzlich der Leistungsgruppe zur Teilhabe am Arbeitsleben zuzuordnen, sodass ohnehin vorrangig die Zuständigkeit der BA zu prüfen war.[6] Die Einführung der neuen Leistungsgruppe zur Teilhabe an Bildung hat nun neue Abgrenzungsfragen zwischen den unterschiedlichen Leistungsgruppen – Teilhabe an Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben – aufgeworfen.[7] So vertritt die BA in ihren Fachlichen Weisungen zu § 117 SGB III die Rechtsauffassung, dass die für die BA maßgeblichen Rechtsgrundlagen eine Finanzierung von Assistenzleistungen zum Absolvieren eines Studiums nur dann ermöglichen, wenn die BA für das gesamte Studium als Maßnahme (§ 118 Nr. 3 SGB III) zuständig ist.[8] Ist dies nicht der Fall, komme für Assistenzleistungen lediglich eine Förderung durch einen anderen Rehabilitationsträger in Frage, der nach § 6 i. V. m. § 5 Nr. 4 SGB IX für die Leistungen zur Teilhabe an Bildung zuständig ist. Die Ansicht der BA gründet darauf, dass die „sonstigen Hilfen“ zur Teilhabe am Arbeitsleben bis zum Inkrafttreten des SGB IX am 1. Juli 2001 noch explizit in § 103 SGB III a. F. (heute § 118 SGB III) aufgeführt wurden.[9] Auf sie wird in § 118 SGB III kein Bezug mehr genommen, es ist aber durch das BSG und auch durch das BVerwG bestätigt worden, dass die Aufzählung in § 118 SGB III unvollständig und um die Leistungen nach § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX (§ 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX a. F.) zu ergänzen ist.[10] Die Streichung der „sonstigen Hilfen“ in § 103 SGB III a. F. sollte gerade nicht zu einer Reduzierung des Leistungsumfangs führen. Auch sollten die sonstigen Hilfen nicht als bloße „Annexleistungen“ zur Förderung von Maßnahmen verstanden werden.[11] Nach alledem lässt sich festhalten, dass die BA auch nach Inkrafttreten des BTHG für die Erbringung unterstützender Leistungen im Studium zuständig ist, wenn eine endgültige Eingliederung in den Arbeitsmarkt noch nicht erreicht wurde.

In der Praxis scheinen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Studierende an der Universität Kassel jedoch nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.[12] Auch Gespräche mit Trägern der Eingliederungshilfe sowie mit Behindertenbeauftragten anderer Hochschulen haben ergeben, dass Studienassistenzen und andere unterstützende Leistungen im Studium in der Regel von den Trägern der Eingliederungshilfe erbracht werden. Eine Leistungspflicht der BA steht oft gar nicht zur Debatte. Andere Träger der Eingliederungshilfe verweisen die Studierenden jedoch regelmäßig an die BA oder leiten die Anträge dahin weiter. Die Verantwortung der Bundesagentur für Arbeit für die Unterstützung von Studierenden mit Beeinträchtigungen zu stärken, würde insbesondere die Übergänge bei der beruflichen Teilhabe vereinfachen. So könnte eine Betreuungskontinuität gewährleistet werden, wenn z. B. bereits vor Aufnahme des Studiums Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht worden sind, oder wenn nach dem Studium weitere Leistungen erforderlich sind.[13]

Es wird daher empfohlen, eine gesetzliche Klarstellung hinsichtlich der Zuständigkeit der BA für die Leistungen im Studium vorzunehmen. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten. Eine Möglichkeit wäre, die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Deutschen Rentenversicherung in den Katalog der für die Leistungen zur Teilhabe an Bildung zuständigen Leistungsträger (§ 6 Abs. 1 SGB IX) aufzunehmen, wie es bereits im Gesetzgebungsverfahren zum BTHG gefordert wurde.[14] Eine andere Möglichkeit wäre, die unterstützenden Leistungen im Studium in § 49 Abs. 8 SGB IX aufzunehmen, der die sonstigen Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX konkretisiert.

Eventuelle Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Rehabilitationsträgern dürfen nicht zulasten der Studierenden ausgetragen werden.[15] Die §§ 14 ff. SGB IX enthalten vielmehr detaillierte Anweisungen für die Rehabilitationsträger hinsichtlich der Verfahrensdauer sowie zur Weiterleitung von Anträgen. Diese Regelungen sind gerade deshalb eingeführt worden, um überlange Verfahrensdauern zu vermeiden und um eine zügige Leistung für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen.[16] Die Einhaltung der Fristen ist intern sowie extern durch Aufsichtsbehörden regelmäßig zu überprüfen.

Daneben wäre es wichtig, kontinuierlich Daten zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe (an Bildung) bei den Studierenden zu erheben.

III. Studienfinanzierung

Studierende mit Beeinträchtigungen sind häufiger auf staatliche Ausbildungsförderung angewiesen als Studierende ohne Beeinträchtigungen.[17] Eine zentrale Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Leistungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Der BAföG-Bedarf wird für alle Studierenden gleich und damit unabhängig von der individuellen Lebenssituation bemessen.[18] „Eine individuelle Bedarfsfeststellung, wie sie im Rehabilitationsrecht vorgeschrieben ist, findet im BAföG nicht statt.“[19] Die Ausbildungsförderung nach dem BAföG unterscheidet sich insofern von den Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und SGB XII, welche auch Leistungen für behinderungs-bedingte Mehrbedarfe, z. B. bei einer behinderungsbedingt kostenaufwändigeren Ernährung, vorsehen (§ 21 SGB II, § 30 SGB XII).[20] Besteht ein solcher besonderer finanzieller Bedarf, der nicht unmittelbar mit der Durchführung des Studiums zusammenhängt, kann dieser, sofern der oder die Studierende erwerbsfähig ist, gemäß § 27 Abs. 2 SGB II als Leistung für Auszubildende beim zuständigen Jobcenter geltend gemacht werden.[21] Die Leistungen gelten in dem Fall nicht als Bürgergeld i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II (§ 27 Abs. 1 S. 2 SGB II), das gemäß § 7 Abs. 5 SGB II während einer Ausbildung, für die dem Grunde nach ein Anspruch auf BAföG besteht, grundsätzlich ausgeschlossen ist. Ist der oder die Studierende nicht erwerbsfähig, kommen aufstockende Leistungen nach dem SGB XII in Betracht, die gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 SGB XII jedoch nur in besonderen Härtefällen gewährt werden können.

Problematisch ist weiterhin, dass staatliche Ausbildungsförderung gemäß § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BAföG grundsätzlich nur für ein Vollzeitstudium geleistet wird.[22] Der Anteil an Vollzeitstudierenden ist bei Studierenden mit Beeinträchtigungen geringer als bei ihren Mitstudierenden. Viele Studierende mit Beeinträchtigungen betreiben ihr Studium de facto in Teilzeit.[23] Zudem unterbrechen mehr als doppelt so viele Studierende mit Beeinträchtigungen im Vergleich zu anderen Studierenden ihr Studium mindestens einmal.[24] Für ein Teilzeitstudium sowie für die Zeiten der Studienunterbrechung durch Beurlaubung kommen dann grundsätzlich die Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II in Betracht.[25]

IV. Bekanntheit von Beratungs- und Unterstützungsangeboten erhöhen

Bei Studierenden mit Beeinträchtigungen ist der Beratungsbedarf in Bezug auf finanzielle, persönliche und studienbezogene Themen allgemein höher als bei ihren Mitstudierenden.[26]

Um den Beratungsbedarf der Studierenden zu decken, halten die Universität Kassel sowie das Studierendenwerk Kassel verschiedene Beratungsangebote für Studierende allgemein sowie auch spezifisch für Studierende mit Beeinträchtigungen vor. Hiermit kommen sie ihrem gesetzlichen Auftrag aus § 17 des Hessischen Hochschulgesetzes (HessHG) sowie § 3 des Gesetzes über die Studierendenwerke bei den Hochschulen des Landes Hessen (StudWG) nach. Gerade die behinderungsspezifischen Angebote sind den Studierenden aber, wie die quantitative Befragung im Projekt ErfolgInklusiv gezeigt hat, nicht in dem Umfang bekannt wie die allgemeinen Beratungsangebote (Beratung durch das Studierendensekretariat, Allgemeine Studienberatung, Studienfach-beratung und studentische Studienberatung).[27] Zudem werden die allgemeinen Beratungsangebote von den Studierenden häufiger genutzt.[28]

Daher wäre es wichtig, die Bekanntheit der Beratungsangebote zu erhöhen. Des Weiteren sollten die Angebote besser miteinander vernetzt werden. Dies könnte auch einen positiven Effekt auf die Sichtbarkeit der Angebote insgesamt und auf den Abbau von Zugangsbarrieren haben.[29]

Die Beratung kann eine entscheidende Unterstützung bei der Überwindung von Barrieren beim Zugang von Recht und der Mobilisierung individueller Rechtsansprüche sein.[30] Die Studierendenbefragung im Projekt ErfolgInklusiv hat einen deutlich positiven Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme von Beratungsangeboten und der letztendlichen Beantragung von Nachteilsausgleichen gezeigt.[31]

V. Aufbau eines studentischen Gesundheitsmanagements (SGM)

Gemäß § 3 Abs. 5 S. 7 HessHG haben die Hochschulen die sportlichen und kulturellen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern und an der sozialen Förderung der Studierenden in enger Kooperation mit den Studierendenwerken mitzuwirken. Hieraus lässt mittelbar ein gesetzlicher Auftrag der Hochschulen ableiten, entsprechende Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung vorzuhalten. Unterstützung bei der Verankerung gesundheitsfördernder Maßnahmen können die Hochschulen durch die Krankenkassen im Rahmen der Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten gemäß § 20a SGB V erhalten.

Gesundheitsförderung und Prävention bei Studierenden wurden in der Wissenschaft sowie in der Praxis bisher eher vernachlässigt.[32] Dies hängt auch damit zusammen, dass Studierende aufgrund ihres meist jungen Alters und hohen Bildungsgrades in der Gesellschaft eher als gesunde Bevölkerungsgruppe gesehen werden.[33] Die best3-Studie sowie die Studierendenbefragung im Projekt ErfolgInklusiv weisen jedoch auf einen hohen Anteil an gesundheitlich beeinträchtigten Studierenden hin.[34]

Hieran zeigt sich der Bedarf am Ausbau eines strukturierten studentischen Gesundheitsmanagements, um zum einen Erkrankungen, die z.B. durch ein hohes Stresserleben entstehen können, entgegenzuwirken und zum anderen Studierende mit bereits bestehenden Beeinträchtigungen zu unterstützen.[35] Dieses sollte, neben einer kontinuierlichen Gesundheitsberichterstattung, flächendeckend an den Hochschulen eingeführt werden.  An der Gesundheitsförderung der Studierenden sollten die Hochschulen allein deshalb ein Interesse haben, da Gesundheitseinschränkungen häufig zu einem geringeren Studienpensum und damit auch zu einer längeren Studiendauer führen.[36]

VI. Fazit

In dem Beitrag wurden die Rechtsansprüche von Studierenden mit Beeinträchtigungen gegen die Hochschulen sowie gegen Sozialleistungsträger und die Voraussetzungen ihrer tatsächlichen Umsetzung beleuchtet. Hierbei wurden empirische Ergebnisse des an der Universität Kassel durchgeführten Forschungsprojekts ErfolgInklusiv dargestellt und rechtssoziologisch eingeordnet.

Damit Studierende mit Beeinträchtigungen ohne Benachteiligung an Hochschulprüfungen teilnehmen können, haben sie einen Anspruch auf angemessene Vorkehrungen in Form von Nachteilsausgleichen. Jedoch zeigt sich in der Forschung eine Diskrepanz zwischen dem Bedarf an und der tatsächlichen Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. Neben der Unterstützung und Bestärkung der Studierenden bei der Verfolgung ihrer Ansprüche, sollten auch die Antragsverfahren optimiert werden.

Nachteilsausgleiche in Prüfungen reichen aber allein noch nicht aus, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Studierenden mit Beeinträchtigungen zu erreichen. Vielmehr sollte durch eine barrierefreie Gestaltung der Lehre und der Studienbedingungen insgesamt bereits im Vorfeld angesetzt werden. Barrierefreiheit sollte im Sinne eines universellen Designs verstanden werden. Im Bedarfsfall sind auch angemessene Vorkehrungen zu treffen. In dem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nicht alle Beeinträchtigungen sichtbar sind. Neben physischen Barrieren sind daher beispielsweise auch soziale Barrieren abzubauen. Lehrende sind bei der barrierefreien Gestaltung von Vorlesungen und Seminaren zu unterstützen.

Neben Ansprüchen gegen die Hochschulen können Studierende mit Beeinträchtigungen auch Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe gegenüber der BA oder den Trägern der Eingliederungshilfe geltend machen. Diese sind im Bedarfsfall beispielsweise für die Finanzierung von Studienassistenzen zuständig. Hinsichtlich der Zuständigkeit der BA sollte eine gesetzliche Klarstellung vorgenommen werden, u. a. um die Übergänge in der beruflichen Karriere zu vereinfachen. Wichtig ist, dass eventuelle Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Reha-Trägern nicht zulasten der Studierenden ausgetragen werden und die Fristen in §§ 14 ff. SGB IX bei der Entscheidung über die Teilhabeleistungen eingehalten werden, um Verzögerungen im Studienverlauf zu vermeiden.

Die Studienfinanzierung nach dem BAföG muss stärker auf die besonderen Bedarfe von Studierenden mit Beeinträchtigungen ausgerichtet werden. So sollten beispielsweise behinderungsbedingte finanzielle Mehrbedarfe anerkannt werden, der Bezug von BAföG-Leistungen sollte auch im Teilzeitstudium ermöglicht werden.

Damit Studierende mit Beeinträchtigungen über ihre Leistungsansprüche informiert und auch bei der Beantragung von Leistungen unterstützt und bestärkt werden, sind Beratungsangebote an den Hochschulen sowie bei den Studierendenwerken unerlässlich. Diese sind personell weiter auszubauen, und auch ihre Bekanntheit bei den Studierenden ist zu erhöhen. Auch gesundheitsfördernde Angebote an den Hochschulen sollten ausgebaut und weiterentwickelt werden.

Literaturverzeichnis

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Beitrag von Christina Janßen, LL.M, Universität Kassel

Fußnoten

[1] Siehe zu den Ausführungen in diesem Abschnitt auch: Janßen/Welti, RdJB 2025 (im Erscheinen).

[2] SG Nürnberg, Urt. v. 21.07.2021, S 22 SO 212/20, juris; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.02.2020, L 13 AL 190/18, juris; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13.09.2023, L 8 AL 3484/21, juris, Anm.: Eicher, jurisPR-SozR 2/2024 Anm. 3.

[3] BSG, Urt. v. 24.02.2016, B 8 SO 18/14 R, juris-Rn. 20; BSG, Urt. v. 20.04.2016, B 8 SO 20/14 R, juris-Rn. 18.

[4] Hohner, RP Reha 3/2020, S. 23 (25); Bienert, info also 2020, S. 210 (214).

[5] Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2006 (BGBl. I, S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 02. Juni 2021 (BGBl. I, S. 1387).

[6] Bieritz-Harder, in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 54, Rn. 52; Bienert, info also 2020, S. 210 (215).

[7] Dazu eingehend: Bieritz-Harder, SGb 2017, S. 491 ff.; Janßen, RP Reha 4/2022, S. 5 (10).

[8] Bundesagentur für Arbeit, Fachliche Weisungen § 117 SGB III, Stand: 01.01.2025, Abschnitt 6 Abs. 3.

[9] Nebe/Schimank, RP Reha 1/2017, S. 16 (21).

[10] BGS, Urteil vom 04.06.2013, B 11 AL 8/12 R, juris-Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 10.01.2013, 5 C 24/11, juris-Rn. 31; Hohner, RP Reha 3.2020, S. 23 (26); Bieritz-Harder, SGb 2017, S. 491 (498); Nebe/Schimank, RP Reha 1.2017, S. 16 (21).

[11] BSG, Urteil vom 04.06.2013, B 11 AL 8/12 R, juris-Rn. 19; Nebe/Schimank, RP Reha 1.2017, S. 16 (21).

[12] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4/2022, S. 46 (49).

[13] Nebe/Schimank, RP Reha 1/2017, S. 16 (21); vgl. auch Welti/Ramm, RP Reha 1/2017, S. 9 (13 f.).

[14]  Bundesrats-Drucksache 428/16 (Beschluss), S. 9; siehe hierzu ausführlich: Nachtschatt/Ramm, Die Leistungen zur Teilhabe an Bildung im Bundesteilhabegesetz: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, Beitrag D52-2016 unter www.reha-recht.de, S. 5; Nebe/Schimank, RP Reha 1/2017, S. 16 (20).

[15] Janßen, RP Reha 4/2022, S. 5 (10).

[16] Bundestags-Drucksache 14/5074, S. 102; Kellner, in: Rolfs et al., BeckOK Sozialrecht, § 14 SGB IX, Rn. 2; Joussen, in: Dau et al., LPK-SGB IX, § 14, Rn. 2; von der Heide, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 14, Rn. 2.

[17] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4/2022, S. 46 (48); Steinkühler et al., Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 79 f.

[18] Nolte, in: Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar SRB, § 13 BAföG, Rn. 1.

[19] Golla, in: Deinert et al., SWK Behindertenrecht, Ausbildungsförderung, Rn. 6.

[20] Dazu kritisch: Welti, in: Klein (Hrsg.), Inklusive Hochschule, Neue Perspektiven für Praxis und Forschung, S. 60 (77).

[21] Siehe hierzu ausführlich die Übersicht auf der Internetseite der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS): https://www.studierendenwerke.de/themen/studieren-mit-behinderung/finanzierung/mehrbedarfe/mehrbedarfe-zum-lebensunterhalt-nach-27-sgb-ii, zuletzt abgerufen am 06.06.2025.

[22] VG Hamburg, Urt. v. 18.06.2020, 2 K 1888/18, juris-Rn. 35 ff.; LSG Hessen, Beschl. v. 15.12.2020, L 9 AS 535/20 B ER, juris-Rn. 24 ff.

[23] Steinkühler et al., Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 39 f.

[24] A. a. O., S. 54.

[25] LSG Hessen, Beschl. v. 15.12.2020, L 9 AS 535/20 B ER, juris-Rn. 21 ff., Anm.: Wersig, info also 2021, S. 128; zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Studierende Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen können, siehe die Broschüre der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Bürgergeld für Student*innen, recht praktisch, Ausgabe 7/2024; siehe zum Thema Studienfinanzierung bei beeinträchtigten Studierenden auch die Übersicht der IBS, Studieren mit Beeinträchtigungen – keine Finanzierung aus einer Hand.

[26] Steinkühler et al., Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 112.

[27] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4/2022, S. 46 (49).

[28] Ebd.

[29] Arnold/Hollederer, Public Health Forum 3/2023, S. 196 (200).

[30] Weyrich, Sozialrechtsbezogene Beratung, S. 198 ff.

[31] Hollederer/Römhild/Welti, RP Reha 4/2022, S. 46 (51).

[32] Hollederer, Prävention und Gesundheitsförderung 2023, S. 297.

[33] Ebd.

[34] Steinkühler et al., Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 20 ff.; Hollederer, Prävention und Gesundheitsförderung 2023, S. 297 (300 f.).

[35] Arnold/Hollederer, Public Health Forum 2023, S. 196 (200); Arnold/Hollederer, Public Health Forum 2024, S. 113 (118); Hollederer, Prävention und Gesundheitsförderung 2023, S. 297 (306).

[36] Hollederer, Prävention und Gesundheitsförderung 2023, S. 297 (303 f.).


Stichwörter:

Studieren mit Behinderung, UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Teilhabe an Bildung, Chancengleiche Teilhabe an Hochschulbildung, Beratung, Barrierefreiheit, Nachteilsausgleich, Hochschule


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